"Setz Dich auf meinen Schoß!" - Missbrauch an Musikhochschulen
Eine Online-Umfrage unter Studierenden in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat viele Beispiele von Machtmissbrauch an Musikhochschulen und übergriffigem Verhalten zu Tage gefördert. Wie gehen die Hochschulen im Norden damit um?
"Du bist eine Schande für das Institut" schimpft eine Lehrperson. Eine andere droht "Wenn Sie nochmal so spielen, schmeiße ich Sie raus". Und ein weiterer Professor zwingt Studierende, sich auf seinen Schoß zu setzen. Das sind drei von über 600 Beispielen aus der anonymen Online-Umfrage unter aktuellen und ehemaligen Studierenden, in denen die Betroffenen Fälle von unangemessenem Verhalten an Musikhochschulen schildern. Manche liegen schon einige Jahre zurück.
"Hotline für Heikles" an der Hamburger Musikhochschule
Die Vorkommnisse reichen von vergleichsweise harmlosen Momenten, wie einem im Unterricht eingeschlafenen Dozenten, bis hin zu verbalen, körperlichen und sexuellen Übergriffen. Viele Hochschulen haben zwar schon Richtlinien und Gremien, die solche Vorfälle verhindern sollen. Aber das reicht offenbar noch nicht aus, wie die Umfrage nahelegt. "Ich begreife sie als ein Gesprächsangebot, die Sachen, die wir haben, weiter zu entwickeln und verbindlicher zu machen", sagt Jan Philipp Sprick, Präsident der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Dort können sich Studierende und andere Mitglieder der Hochschule etwa an einen Vertrauensrat wenden oder eine "Hotline für Heikles" anrufen, wenn sie problematische Situationen erlebt haben.
Es gibt konkrete Angebote, sagt Sprick. "Wir sind aber jetzt natürlich im Gespräch mit dem Vertrauensrat, mit dem ASTA und unserem Awareness-Team, wie wir die Angebote, die wir haben, noch bekannter machen können," so Sprick. Manchmal sei bei ausländischen Studierenden die Sprache ein Problem. "Ein ganz wesentliches Thema bei den Studierenden hier bei uns an der Hochschule, aber auch in der Umfrage und dem Forderungspapier ist das Thema: Evaluation."
Grenzen anderer Menschen besser erkennen und respektieren
Die gesamte Lehre systematisch und regelmäßig zu untersuchen und zu bewerten, ist ein zentrales Anliegen der Studierenden. Das hat auch Bernd Redmann, Präsident der Musikhochschule in Lübeck, auf seine Agenda gesetzt. "Mein Ziel - und da habe ich jetzt auch Rückendeckung der Gremien erhalten - ist, flächendeckend auch den Einzelunterricht zu evaluieren. Und ich denke, weitere Schritte sind auch Fortbildungsmaßnahmen." Etwa, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie man die Grenzen eines anderen Menschen noch besser erkennt und respektiert. Aktuell sieht Redmann allerdings keine akuten Probleme in Lübeck: "Das kommt, glaube ich, auch daher, dass man sehr eng zusammenarbeitet an der Hochschule".
Studierende ermutigen, sich zu wehren
Der Austausch der verschiedenen Gruppen an einer Hochschule darüber, wie man miteinander umgehen sollte, sei eine wichtige Grundlage. Darin sind sich Redmann und sein Kollege Sprick in Hamburg einig. Das würde sicher auch Oliver Wille unterschreiben, Vize-Präsident Kunst an der größten norddeutschen Musikhochschule in Hannover.
Neben der Sensibilisierung aller Beteiligten ist für Wille die Ermutigung der Studierenden eines der wichtigsten Anliegen - diese Ansicht teilt er mit der Initiative gegen Machtmissbrauch, die ebenfalls ausdrücklich ein Empowerment fordert. "Meine Wahrnehmung ist", so Wille, "dass wir auf jeden Fall die Studierenden - und oft sind es ja bei den Missbräuchen leider die Studentinnen - dass wir sie wirklich stärken, dass sie sich wehren, dass sie sich beschweren, dass sie den Mund aufmachen und wirklich etwas sagen. Sowohl in dieser Situation, wenn sie in eine schwierige Situation kommen, als auch diese Stellen nutzen, die wir eingerichtet haben."