Nuron Mukumi: Junger Klaviervirtuose mit Potenzial
Mit sechs Jahren fing er an, Klavier zu spielen, mit acht Jahren stand er als Pianist und Dirigent mit Orchester auf der großen Bühne - so begann die Karriere von Nuron Mukumi. Ein Gespräch.
Schon sein früher Wechsel von Usbekistan nach Europa ist bemerkenswert. Wer das Video des damals achtjährigen Nuron Mukumi sieht, wie er Mozarts Klavierkonzert d-Moll vom Klavier aus leitet, der begreift sofort, wieso der Usbeke kurz darauf ein Stipendium der Londoner Purcell School of Music angeboten bekam. Bis heute wurde das Video millionenfach im Internet aufgerufen.
Inzwischen hat das Wunderkind seine weiteren Studien in Frankfurt, Zürich und Hamburg abgeschlossen und gerade sein drittes Soloalbum aufgenommen. Diesmal setzt er dem britischen Komponisten York Bowen (1884-1961) ein Denkmal: zu seinen Lebzeiten ein gefeierter Klaviervirtuose und Komponist, der heute nahezu vergessen ist. Camille Saint-Saëns hielt ihn sogar für den "besten englischen Komponisten". Bowens 24 Preludes haben Nuron Mukumi schon beim ersten Durchspielen begeistert. Kurz vor Erscheinen des Albums stellt der junge Usbeke mit Wahlheimat Hamburg diesen faszinierenden Komponisten bei NDR Kultur EXTRA vor.
York Bowen ist ein Engländer, 1884 geboren und 1961 gestorben. Bei uns ist er quasi vergessen. Wie hast du ihn entdeckt?
Mukumi: Ich hatte Glück. Auf der Rückfahrt von meiner letzten CD-Aufnahme in Berlin habe ich meinen ehemaligen Klavierprofessor gefragt, was er mir für mein nächstes Album vorschlagen könnte. Da meinte er sofort: York Bowen. Er hatte ihn erst ein paar Tage vorher durch einen Freund entdeckt, und dann haben wir im Auto ein paar Werke angehört. Ich fand es total krass. Ich habe Bowen googelt und da stand, seine Lieder seien aus dem Jahr 1950. 1950 wurden sie veröffentlicht. Ich konnte es nicht glauben, dass solche Musik 1950 komponiert wurde, so toll war - und dass man York Bowen gar nicht kennt.
Warum hast du seine Musik nicht mit 1950 zusammengebracht? Weil sie nicht modern klingt?
Mukumi: Überhaupt nicht. Bei Musik von 1950 denkt man vielleicht eher an Schostakowitsch oder Schönberg. Ich konnte es erst mal nicht einordnen, weil das natürlich kein Tschaikowsky oder Richard Strauss war, also Spätromantik. Man könnte sagen, es war fast Neoromantik, also wirklich extrem spätromantische Musik.
Was macht diese Musik so besonders für dich?
Mukumi: Für mich - und ich glaube, für alle - sind es die tollen Harmonien. Das sind wirklich coole, wunderschöne und fantastische Harmonien.
Du kommst ursprünglich aus Usbekistan. Es gibt ein Video von dir, da bist du acht Jahre alt und spielst mit großem Symphonieorchester. Du sitzt auf diesem Klavierhocker, spielst wahnsinnig virtuos Klavier und dirigierst dazu, weil du zeitgleich auch Dirigieren gelernt hast. Dieses Video war für dich wie die Fahrkarte ins Musikerdasein. Denn dieses Video haben Leute in Europa gesehen und gesagt: Der muss zu uns kommen. Wie war diese Geschichte?
Mukumi: Ich habe mit sechs Jahren angefangen, und es ging schon von Anfang an direkt los mit dem Klavierüben - den ganzen Tag, bis ich acht Jahre alt war. Da habe ich schon acht Stunden pro Tag geübt. Ich glaube, es war nur deswegen möglich, dass ich so ein Konzert mit acht spielen konnte. Das Video hat meine Mutter dann nach Amerika, London und an mehrere Musikschulen geschickt, auch nach Frankfurt. Ich habe kurz darauf in London ein Stipendium bekommen, und das war mein Ticket nach England.
Deine Mutter ist selbst auch Musikerin und die hat gesagt: "Nuron, du und das Klavier, das versuchen wir mal."
Mukumi: Das war das einzige, das sie mir beibringen konnte. Ich habe tatsächlich erst mit Geige angefangen, aber nur ganz kurz, das war nicht so gut. Ich musste Klavierspielen. Ich habe aber vor allem das Dirigieren genossen, weil es eine Zusammenarbeit mit anderen Musikern war. Das war viel schöner, als jeden Tag stundenlang am Klavier zu sitzen.
Wie war das damals für dich, plötzlich als Elfjähriger von Usbekistan nach London zu kommen?
Mukumi: Das war sehr kontrastreich. In Usbekistan bin ich nicht zur Schule gegangen, ich war krank und ich sollte nur Klavier spielen. Ich hatte dreimal die Woche Klavierunterricht à vier Stunden und dreimal die Woche Dirigierunterricht à vier Stunden. Im Internat und in der Musikschule in London war es für mich wie ein Paradies. Ich habe ganz viel Sport gemacht und ich hatte zum ersten Mal Freunde. Es war wirklich sehr schön dort. Ich habe nur, wenn ich wollte, Klavier gespielt und wurde nicht mehr gezwungen. Das war sehr kontrastreich und ich habe es wirklich geliebt. Es hat mich sehr geprägt. Es waren nur drei Jahre, aber eine ganz andere Welt. Und ich freue mich immer, wenn ich an die Zeit zurückdenke.
Das Gespräch führte Anna Novák.