Mitreißend und kompromisslos: Adam Fischer dirigiert Brahms
Wollte man diese neue Gesamtaufnahme der vier Sinfonien von Johannes Brahms auf einen Begriff bringen, so wäre es: kompromisslos. Nichts wirkt dem Zufall überlassen, aber auch nichts krampfig gegen den Strich gebürstet.
Dirigent Adam Fischer, aktuell "Principal Conductor" bei den Düsseldorfer Symphonikern, hat bereits mehrere zyklische Aufnahmeprojekte hinter sich: alle 104 Sinfonien von Haydn, sämtliche Sinfonien von Mozart und alle Neune von Beethoven. Das aktuelle Projekt ist dagegen vergleichsweise schmal, denn Johannes Brahms hat nur vier Sinfonien hinterlassen.
Eine Aufnahme, die es in sich hat
Eines vorab: eine so mutige, risikolustige, gedankenhelle Gesamtaufnahme der vier Sinfonien von Johannes Brahms hat es lange nicht mehr gegeben. Schon der dramatische Beginn der Einleitung zur ersten Sinfonie mit den unerbittlich bohrenden Pauken hat es in sich.
Das Dänische Kammerorchester und Adam Fischer durchleuchten ihren Brahms bis in die kleinsten Regungen und kommen am Ende zu teilweise neuartigen Ansichten. Dieser Ansatz zieht sich durch bis zum Schluss. Der Beginn der vierten Sinfonie klingt oft leidend, klagend. Hier aber formulieren die Streicher kurze Aufschwünge: Kleine Sonnenblitze durchzucken die Melancholie. Und dann, wie aus dem Nichts, folgt ein tänzerischer Gestus. Selbst wenn die Welt ganz in Moll gehüllt scheint - plötzliche Aufhellungen sind jederzeit möglich. Man muss sie nur sichtbar machen.
Nichts wirkt dem Zufall überlassen
Wollte man diese neue Gesamtaufnahme auf einen Begriff bringen, so wäre es: kompromisslos. Doch das würde deutlich zu kurz greifen, weil in diesem Wort das Moment der Kälte mitschwingt. Das Gegenteil ist hier der Fall. Wenn Brahms "grazioso" im zweiten Satz der D-Dur-Sinfonie schreibt, tänzeln die Dänen mit einer wärmenden Gelassenheit durch dieses "Allegretto".
Nichts wirkt dem Zufall überlassen, aber auch nichts krampfig gegen den Strich gebürstet. Adam Fischer schält immer wieder einzelne Stimmen heraus, dass man schwören könnte, sie so noch nie gehört zu haben. Wie die Trompete gleich zu Beginn der dritten Sinfonie.
Natürliche Musiksprache
Fischer erlaubt sich Freiheiten, kleine Verzögerungen etwa, die der Natürlichkeit dieser Musiksprache sehr wohl entsprechen. Er lässt das agile Dänische Kammerorchester mit historisierendem Ansatz spielen. Also keine schwingenden Streichertöne, sondern glattgezogene Klangflächen. Und immer wieder die Bläser, die Wärme vom Holz, der Glanz des Blechs - alles subtil miteinander verschmolzen, und vor allem: rhythmisch oft sehr resolut.
Man hat immer das Gefühl, in jedem dieser Sätze der vier Brahms-Sinfonien eine erzählte Geschichte zu hören. Sie nachzuerzählen, liegt nun an uns Hörerinnen und Hörern. Eines ist sicher: Diese mitreißende Aufnahme hat nur eines nicht im Angebot: Langeweile.
Johannes Brahms: Complete Symphonies
- Label:
- Naxos
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Klassik
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