Lüneburger Symphoniker: Selbstbewusst in schwierigen Zeiten
Die Lüneburger Symphoniker sind das kleinste Theaterorchester Deutschlands, haben aber finanzielle Sorgen. Trotz der ungeklärten Zukunft der 29 Musikerinnen und Musiker ist zum Start der Spielzeit eine leichte Aufbruchstimmung bemerkbar.
Wie ein Damoklesschwert hängt das Gutachten zur Finanzierbarkeit über dem Orchester, dem die Verkleinerung, wenn nicht gar die Schließung droht. Das Land Niedersachsen scheint sich zumindest vorübergehend zu bewegen, der Zuschuss für diese Spielzeit soll nachträglich um zehn Prozent steigen. Auch für das kommende Jahr soll das geschehen.
Um die Musiksparte zu erhalten, braucht das Theater aber vor allem eins: Langfristige Perspektiven. "Wir wollen eine Vereinbarung, die uns durch die Übernahme der Tarifsteigerungen Planungssicherheit gibt. Wir sind in Verhandlungen, und ich bin wie immer optimistisch, das man das auch hinbekommt, aber die derzeitigen Signale aus Hannover deuten nicht darauf hin", sagte Landrat Jens Böther NDR Kultur.
"Ich glaube, das Publikum versteht, was es bedeutet, so ein Orchester im Kulturleben dieser Stadt zu haben." Dirigent Tohar Gil
Die Musiker sind eng mit dem städtischen Leben verbunden, leisten viele Angebote für Kinder - auch über das Theaterleben hinaus, bestätigt beispielsweise Sängerin Paula Rohde vom Opernchor: "Viele meiner Kolleg*innen sind auch als Lehrende tätig". Mit anderen Worten: Wenn die Orchestermitglieder wegziehen, leidet auch der Musikunterricht. Das wissen die Menschen: Das Lüneburger Theater sammelte bisher mehr als 10.000 Unterschriften für den Erhalt der Musiksparte.
Am Montag haben die Lüneburger Symphoniker nun ihr erstes Konzert der neuen Spielzeit gegeben. Stephan Sturm aus der Musikredaktion von NDR Kultur war dabei.
Wie ist das Konzert gelaufen?
Stephan Sturm: Ich würde sagen, es gab drei Gewinner an diesem Abend: zum einen das Orchester, das sich mit einem anspruchsvollen Programm und von seiner besten Seite präsentiert hat. Zum anderen das Lüneburger Publikum, das sein Orchester feierte und sich gerade in diesen so schwierigen Zeiten deutlich auf der Seite seines Orchesters zeigte. Der dritte Gewinner war der eigentliche Star an diesem Abend: der israelische Dirigent Tohar Gil. Er hat das Orchester mit seiner Begeisterung mitgerissen; er konnte klar zeigen, wo es musikalisch hingehen soll.
Es waren sicher auch viele Emotionen im Spiel?
Sturm: Ja, das stimmt. Da war eine Art Trotz-Stimmung zu spüren: "Jetzt erst recht, jetzt zeigen wir mal, was wir können." Da war auch ein großer Zusammenhalt unter den Orchestermitgliedern zu spüren. Ich persönlich fand es ein starkes Zeichen vom Orchester, dass nicht internationale Solisten eingekauft wurden, wie das sonst üblich ist, sondern dass alle Solisten aus den eigenen Reihen stammen: die beiden Bratschen-Solistinnen im Telemann-Stück, Antje Dampel und Hyunmin Oh, sowie Konzertmeister Markus Menke und der Flötist Idan Levi im zweiten Brandenburgischen Konzert. Sie alle sind Orchestermitglieder.
Wie ist der Stand der Dinge?
Sturm: Das Gutachten ist veröffentlicht. Es rät zu einer Verkleinerung des sowieso schon für ein Opernorchester recht kleinen Ensembles - oder gar zu einer Auflösung. Aber eines ist bei dem Gutachten auch herausgekommen, darauf hat Intendant Hajo Fouquet deutlich hingewiesen: "Es gibt kein Theater, das wirtschaftlicher und effizienter ist."
Da müssen die Stadt und der Landkreis Lüneburg und das Land Niedersachsen nun abwägen. Im schlimmsten Fall - wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen - hätte das Aus des Orchesters große Auswirkungen auf die Mitglieder. Das hat uns auch die Cellistin Julia Schumann gesagt: "Für mich würde das eine Umschulung bedeuten."
Wann soll die Entscheidung fallen?
Sturm: Wenige Tage vor Weihnachten. Aber man muss auch sagen, dass es immer mehr Stimmen gibt aus der Politik, seitens der Stadt und dem Landkreis, die sich für den Erhalt des Orchesters einsetzen wollen. Dieser leichte Rückenwind, diese leichte Aufbruchstimmung machte sich gestern bemerkbar im Konzert und während der anschließenden kleinen Feier im Theater-Foyer, zu der das Orchester und das Theater eingeladen hatten.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.