Konzert-Tipps bei NDR Kultur: Musik im Zeichen der Natur
NDR Kultur präsentiert die Höhepunkte des Musikwochenendes "Im Walde!" der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Die Flötistin Tabea Debus, die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und das Ensemble Resonanz haben dafür Werke verschiedener Jahrhunderte zusammengestellt. Und alle beschäftigen sich mit Naturerscheinungen.
Die großen Gefühle bei der Betrachtung außergewöhnlicher Naturerscheinungen, die Schönheit der Natur aber auch ihre bedrohliche Seite inspirieren Komponisten seit Jahrhunderten zu musikalischen Bildern. Da kann aus dem Vollen schöpfen, wer ein Musikwochenende "Im Zeichen der Natur" plant - wie die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern am 9. und 10. Juli. Für zwei Tage hatte das Festival interessierte Gäste nach Ulrichshusen eingeladen: zu Konzerten, geführten Wanderung mit Musik, Vorträgen über den Zustand des Waldes in der Region und einer Raum-Klang-Installation, die sich mit den Stimmen des Waldes beschäftigte.
Musikalische Höhepunkte in der Festspielscheune Ulrichshusen
NDR Kultur hat die musikalischen Höhepunkte dieses Wochenendes aufgezeichnet. Das waren zwei Konzerte in der Festspielscheune mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja und dem Hamburger Ensemble Resonanz und eines im Schloss mit der Flötistin Tabea Debus und einem Barockensemble in der Besetzung Lea Rahel Bader (Viola da Gamba), Alon Sariel (Erzlaute/Mandoline) und Flóra Fábri (Cembalo). NDR Kultur hat mit den Beteiligten ausführliche Interviews geführt und die Gespräche ebenso wie die Musik hören Sie am Reformationstag, den 31. Oktober, in der Sendung "Das Konzert" um 11 Uhr und um 20 Uhr.
Tabea Debus und ihr Barock-Ensemble mit "Im Zauberwald"
Die Festspielpreisträgerin Tabea Debus und ihr Barock-Ensemble eröffneten das Musikwochenende mit ihrem Konzert "Im Zauberwald", das am Reformationstag um 11 Uhr auf NDR Kultur zu erleben sein wird. Es widmet sich vorrangig dem Vogelgesang in der Barockmusik und Tabea Debus nutzt dafür sechs Flöten verschiedener Größen - von einer ganz kleinen Piccoloflöte bis zu zwei großen Altflöten aus der Renaissance- und Barockzeit. Besonders die Barockzeit sei das "Goldene Zeitalter" der Blockflöte gewesen, das Repertoire für die Flöte als virtuoses Instrument, sei in dieser Epoche unendlich groß, erzählt Tabea Debus in der Sendung. "Es gab zwar wenig Spezialisten, die nur Blockflöte gespielt haben, denn war einfach gang und gebe, dass man verschiedene Blasinstrumente spielte: Oboe, Querflöte und Blockflöte zum Beispiel, aber es gibt viele tolle, virtuose und vielfältig Stücke aus der Zeit."
Die Flötistin lebt und unterrichtet in London und tritt als freie Solistin auf, denn im Orchester sind Blockflöten bekanntlich nicht vertreten. Und dennoch kämen sie in Opern-Aufführungen häufig vor, "insbesondere, um Vogelstimmen zu imitieren, aber auch bei Liebesarien, Engeln und überhaupt in pastoralen Szenen, da kommt die Blockflöte oft zum Einsatz", erzählt die Expertin.
In ihrem Konzert "Zauberwald" sind vor allem Kuckuck und Nachtigall prominent vertreten, zum Beispiel in Sonaten von Jacob van Eyck, Biber, Schmelzer oder Couperin. Ein zeitgenössisches Werk ergänzt das Programm. Denn die Blockflöte sei unter Komponisten heute durchaus wieder geschätzt, beobachtet Tabea Debus. Sie selbst arbeite viel mit Komponisten in Deutschland und Großbritannien zusammen. Der junge Brite Gareth Moorcraft hat zum Beispiel die "Diaries of the Early Worm" für sie geschrieben - die Geschichte eines frühen Wurmes, der sich mit barocken Melodien plagt, die ihn als Ohrwürmer quälen. Der Kampf findet ein jähes Ende als der frühe Vogel den Wurm schnappt. Insgesamt ist die Musik beschwingt, leicht und strahlend – ein unterhaltsames Konzert mit einem furiosen Abschluss. Der Streifzug durch den "Zauberwald" endet nämlich mit einem Tarantelbiss bzw. einer musikalischen Therapie dagegen.
Patricia Kopatchinskaja und das Ensemble Resonanz mit "musica naturalis"
In der Sendung "Das Konzert" um 11 Uhr überspringen wir dann die Wanderungen durch die sommerliche Landschaft um Ulrichshusen und sind am Nachmittag wieder dabei, wenn Patricia Kopatchinskaja und das Ensemble Resonanz ihr Konzert "musica naturalis" in der Festspielscheune spielen. Hier geht es um Naturmystik aus den 1980er-Jahren als sich weltweit eine Umweltbewegung zu formieren begann. Patricia Kopatchinskaja hat das Werk "Arbor Cosmica" des polnischen Komponisten Andrzej Panufnik wiederentdeckt. Es ist in jener Zeit entstanden. "Der Komponist ist leider viel zu unbekannt geblieben. Sein 'Arbor Cosmica' besteht aus zwölf Stücken, die über die Bäume geschrieben sind oder die Bäume beschreiben oder was er bei deren Anblick fühlt. Ich habe daraus nur ein paar ausgewählt. Ich finde sie ganz, ganz fantastisch", erzählt Patricia Kopatchinskaja, die sich seit Jahren für Natur- und Umweltschutz engagiert und das Musikwochenende der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern für ein wichtigen Beitrag hielt.
"Ich glaube, wir Musiker sind in erster Linie Menschen, Bürger unserer Länder, Menschen mit Verstand. Und müssen mit unserer Gesellschaft und der Zeit mitdenken. Und es ist wirklich wichtig, dass wir auf der Bühne Programme machen, die eine Aussage haben. Man muss einfach die Ohren öffnen und mit den Tönen Dinge sagen, die uns aufwühlen", beschreibt Patricia Kopatchinskaja ihr Anliegen im Konzert auf NDR Kultur. Ein Festival, wo Menschen über mehrere Tage zusammen und miteinander ins Gespräch kommen, sei dafür eine hervorragende Plattform.
In die Musik von Panufnik integrieren Patrichia Kopatchinskaja und das Ensemble Resonanz das Froschkonzert "Die Relinge" von Telemann, wobei die Zuhörer kaum einen Übergang bemerken, denn in ihrer Interpretation erscheint das Barockkonzert ebenso modern. "Dann gibt es 'Terremoto' aus den sieben letzten Worten von Joseph Haydn, ein Erdbeben. Also auch ein bisschen Düsteres. Und am Schluss, lassen Sie sich überraschen, singt noch ein Chor", kündigte Patricia Kopatchinskaja vor dem Konzert an.
Konzert "Klangraum": Ebenfalls ein musikalisches Naturschauspiel
Ein musikalisches Naturschauspiel vollzieht sich auch in dem Konzert "Klangraum", das NDR Kultur ab 20 Uhr sendet. Abermals ist Patricia Kopatschinskaja mit dem Ensemble Resonanz zu erleben und wieder verbindet sie Werke unterschiedlicher Epochen ohne erkennbare Brüche miteinander. Hier geht es um Naturerscheinungen, etwa um "Die vier Jahreszeiten" von John Cage oder einen Regenschauer in dem Duo "Töpfli", das aber über die Stimmgruppen des gesamten Orchesters verteilt wird. Dazu gesellen sich ein barocker Kuckucksruf und ein Konzertstück von Franz Schubert.
Ein weiteres Klangexperiment wagen Patricia Kopatchinskaja und das Ensemble Resonanz in der zweiten Konzerthälfte, in der sie das beliebte Violinkonzert in d-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy satzweise im Wechsel mit John Cage spielen. "Ich finde, man muss auch experimentieren. Die Bühne muss wie eine Spielwiese sein", meint Patricia Kopatchinskaja, "Cage hat etwas Naives, Leichtes, wie auch Mendelssohn. Es sind verschiedene Welten, und doch ist da so etwas Frisches. Mir hat es gut gefallen. Ich habe auf der Bühne gesessen, in so einer Yogastellung, dann bin ich wieder aufgestanden und habe Mendelssohn dazu gespielt, und das fand ich auch fürs Publikum eine schöne Abwechslung."
Zwar werden wir die Hörer der Sendung "Das Konzert" die barfüßige Künstlerin in Yogahaltung nicht sehen können, wie das Klangexperiment aufgeht, lässt sich jedoch sehr gut nachvollziehen - am Reformationstag ab 20 Uhr.