Hiyoli Togawa & Alexej Gerassimez: Bratsche und Percussion
Das Musikerpaar baut Brücken zwischen Bratsche und Percussion und zwischen Menschen auf der ganzen Welt. Die Stücke auf Hiyoli Togawas neuem Album "Children" sind ein Plädoyer für Kinderrechte. Warum, das erzählt sie im Interview.
Für Hiyoli Togawa ist Musik schon immer ein Weg gewesen, Brücken zu bauen. Zum Beispiel zur Malerei durch ihr Programm "Brush and Bow" oder zu Tanz und Bewegung mit "Dance! Viola!". Der gebürtigen Rheinländerin mit japanisch-australischen Wurzeln geht es aber vor allem um Brücken zwischen Menschen. Auf ihrem Album "Sounds of Solitude" verarbeitete Hiyoli Togawa die universelle Einsamkeit des Corona-Lockdowns. Nun präsentiert die Bratscherin mit "Children!" ihr neues Konzeptalbum, auf dem neben anderen auch ihr Partner, der Percussionist Alexej Gerassimez, mitgewirkt hat. 13 Auftragswerke zeitgenössischer Komponistinnen und Komponisten werden hier den sechs Allemandes aus Bachs Cellosuiten gegenübergestellt. Bei NDR Kultur EXTRA präsentieren Hiyoli Togawa und Alexej Gerassimez das neue Album gemeinsam.
Ihr seid privat ein Paar und habt zwei kleine Töchter. Ohne die wäre das neue Album "Children" gar nicht zustande gekommen. Was ist das für ein Album?
Hiyoli Togawa: Das neue Album "Children", das ich gerade auf den Markt gebracht habe, ist ein Konzeptalbum, für das ich 13 zeitgenössische Werke auf der ganzen Welt für Bratsche habe schreiben lassen. Mit der Bitte darum, Musik zu schreiben, die sich mit der Situation der Kinder auseinandersetzt. Inspiriert dazu haben mich tatsächlich meine beiden Töchter als ich zum zweiten Mal Mutter wurde. Da war es so, dass sich die Situation meiner Kinder immer mehr in den Fokus meines Alltags gerückt hat.
Eure Mädchen sind zweieinhalb und fünfeinhalb Jahre alt. Wo sind die jetzt gerade?
Togawa: Die sind bei einer Freundin, vielleicht sind sie gerade auf einem Spielplatz. Ich hoffe, sie haben während wir hier sind eine gute Zeit. Wir haben es auf jeden Fall.
Hiyoli, du bist Bratschistin und hast deine Viola und deine Gesangsstimme dabei. Welche Instrumente der Multi-Percussionist zu bieten hat, ist für Alexejs Verhältnisse eher wenig.
Alexej Gerassimez: Das stimmt. Das Studio ist sehr schnuckelig, und deshalb habe ich mich entschieden, nicht so viel mitzubringen. Außerdem kann ich nicht die ganze Batterie auffahren, weil das sehr laut ist. Wenn ich mit dieser schönen Bratsche und Frau spiele, dann kann ich sie nicht überlagern. Deshalb habe ich heute vier Instrumente mitgebracht, eins davon habe ich gerade in den Händen, das ist die Handpan. Sie besteht aus Metall und sieht ein bisschen aus wie eine Ellipse. Das sind zwei konkave Metall-Felder, die übereinander gelegt werden. Auf dieser Metallplatte gibt es verschiedene Klangfelder, die gegenüber liegen und einen sehr sphärischen und ganz besonderen Klang erzeugen.
Am 15. November ist das japanische Kinderfest Shichi-go-san. Hiyoli, was wird da gefeiert?
Togawa: Da wird die bisherige gute Situation der Kinder gefeiert, genauer gesagt, die Laufbahn, die sie bis zum Alter von drei, fünf und sieben Jahren gehabt haben. Aber es wird auch um Glück für die Zukunft der Kinder gebeten. Das Fest wird normalerweise in einem Tempel gefeiert, da wird man mit traditioneller Kleidung hingeführt und die Kinder sehen alle sehr süß aus.
Nicht alle Kinder haben eine rosige Zukunft, auch davon zeugt eure CD "Children". Du nennst diese Stücke auch ein Plädoyer für Kinderrechte. Inwiefern?
Togawa: Die Idee stammt aus der Zeit, als ich zum zweiten Mal Mutter wurde. Ich hatte das Gefühl, dass Alexej und ich für unsere Kinder ein behütetes Zuhause erschaffen haben, in dem wir uns freuen, wenn sie nach Hause kommen und sich weiterentwickeln. Mir wurde immer mehr bewusst, dass das nicht für alle Kinder auf der Welt gilt. Ich als Mutter habe eine ganz andere Sichtweise auf die Zukunft meiner Kinder, die Zukunft generell und auf das Weltgeschehen bekommen. So ist der Wunsch in eigentlich jedem der Stücke auf diesem Album "Children" festgehalten, das jedem Kind auf dieser Welt eine gute Kindheit zusteht.
Wie kann es trotzdem gelingen, nach vorne zu denken und zu leben, ohne das alles auszublenden?
Gerassimez: Ich glaube, in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass man sich auf seinen Wirkungskreis konzentriert. Es gibt ganz viele Dinge, die man nicht beeinflussen kann, wie zum Beispiel das, was weit weg an Kriegen passiert. Da hat man keinen direkten Einfluss drauf. Aber so wie wir unseren Alltag leben, wie wir miteinander umgehen, so wie wir auf der Straße mit Leuten umgehen, die nicht aussehen wie wir, die andere Sprachen sprechen, die in anderen Regionen leben, die vielleicht auch andere Meinungen haben, da haben wir einen Einfluss drauf. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich darauf konzentriert.
"Children" ist kein Album nur für Kinder, es ist für alle. Aber welche Wirkung diese Musik speziell auf Kinder hat, das habt ihr beiden getestet.
Togawa: Das ist sehr witzig. Unsere zweieinhalbjährige Tochter zum Beispiel, die liebt die Musik und besonders ein Stück. Sie fragt jeden Abend danach, dass ich das vorsinge. Der Wiedererkennungswert war zum einen für beide Töchter unglaublich schön. Zum anderen gibt es auch Abenteuer, die in Töne gegossen sind und auf die ein Kind selbst gehen würde. Das fand unsere ältere Tochter unglaublich spannend, sich da streiten zu hören mit ihrer Schwester. Sie war überzeugt, dass sie gerade ihren Geschwisterstreit hat und das sie sich dann in den nächsten Tagen vertragen. So sind die beiden mit diesen Stücken und mit mir zusammen gewachsen. Das war auch ein sehr schönes Gefühl, zu Hause zu üben, das Gefühl zu haben, ich arbeite nicht und setze mich dabei von den Kindern ab, sondern sie sind ein Teil von meinem gesamten Projekt.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.