Tingvall Trio: Mit Jazz bewegen, was mit Bomben nicht bewegt werden kann

Stand: 07.09.2023 14:53 Uhr

Das Tingvall Trio führt gerade die Jazz-Charts an und ist erfolgreich wie nie. Bei Kultur Extra stellen sie ihr neues Album "Birds" vor. Ganz besonders der Song ''S.O.S'' hat dabei eine tiefe, politische Botschaft.

Martin Tingvall, Omar Rodriguez Calvo und Jürgen Spiegel vom Tingvall Trio haben derzeit einen richtigen Lauf: Mit ihrem neuen Album "Birds" führen die drei Musiker die Deutschen Jazz-Charts an. Auf dem Elbjazz Festival in ihrer Wahlheimat Hamburg wurden der schwedische Pianist, der kubanische Kontrabassist und der deutsche Schlagzeuger von einem großen Publikum bejubelt. Manche Konzerte der aktuellen Tournee des Tingvall Trios, in denen sie die Zuschauer mit ihrer Jazz Musik begeistern, sind bereits ausverkauft.

Seit 20 Jahren spielen die drei in dieser Besetzung zusammen. Martin Tingvall hat als Komponist ein Händchen für eingängige Melodien mit hohem Wiedererkennungswert - eine Qualität, die sich häufiger im Pop als im Jazz findet. Vielleicht erklärt das ein wenig den Erfolg seines Trios, das man unbedingt mal live erlebt haben sollte.

Ist da auch eine politische Botschaft dabei? Aufgefallen ist es mir vor allem bei eurem Song ''S.O.S''.

Martin Tingvall: Auf jeden Fall. Das ist ein Hilferuf unseres Planeten. Als ich hier saß und wartete, dass unsere Sendung beginnt, hörte ich, was los ist in der Welt: von den Überschwemmungen in Griechenland. Das ist nur eine Sache, die sozusagen in die falsche Richtung geht für unseren Planeten. Der auslösende Faktor war ein Krieg in unserem Nachbarland, der Ukraine. Das nimmt man anders wahr. Die Menschen sind so dargestellt. Wenn wir Elend sehen in Afrika oder Kriege, ganz schlimme Dinge, die weit weg sind, dann nehmen wir diese nicht wahr. Man filtriert sie, ein Schutzmechanismus. Mir geht es zumindest so. Aber wenn der Krieg um die Ecke ist oder sogar im eigenen Land, kann man nicht mehr die Augen verschließen. In dem Song ''S.O.S'' stecken diese Themen drin.

Wo seht ihr da eure Funktion als Künstler? Was könnt ihr mit eurer Musik beitragen, als Hilfe in so einer Situation? Die Einschläge kommen insgesamt näher, es gibt sehr viele Themen, die die Menschen bedrücken im Moment.

Tingvall: Kunst ist auf eine bestimmte Art und Weise immer ein Botschafter. Wenn wir sagen, wir machen aufmerksam auf dieses Thema, können wir innerhalb eines Konzertes Menschen in eine bestimmte Stimmung versetzen. Sie machen sich dann darüber Gedanken und kommen in eine bestimmte Sphäre. Das lässt die anderen Emotionen, die wir mit der Musik kreiert haben, anders wirken.

Ich nehme eure sehr melodische Musik als eher tröstend wahr. Es sind positive Botschaften. Es gibt Hoffnung. Damit liege ich nicht ganz falsch, oder?

Tingvall: Nein, wir versuchen auf jeden Fall, das zu transportieren - mit der Musik und den Emotionen, die ihr innewohnen. Jeder kann und soll das anders interpretieren. Die Musik löst in unserem Publikum bei jedem unterschiedliche Emotionen aus. Wichtig ist uns nur, dass es etwas auslöst. Aber jetzt ist es so nah, die Katastrophen, was jetzt passiert. Da wollten wir ein Zeichen setzen - eine Spiegelung dessen, was gerade passiert. Eines muss man sagen: Mit Kunst bewegt man, was man nicht mit Bomben bewegen kann. Nicht nur in der Musik: auch im Theater, im Ballett, in Lesungen. Es ist die Kunst als Ganzes. Wir drei, wir sind nur ein kleiner Teil einer riesigen Gruppe von Künstlern - egal, ob Jazz, Rock oder Klassik. Während Corona wurden wir Künstler vergessen. Aber mit Kunst kann man viel bewegen: Das ist ein Teil, den wir versuchen, mit der Kunst zu bringen.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur EXTRA | 06.09.2023 | 13:00 Uhr

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