Punk-Pianist Kai Schumacher über sein neues Album "Tranceformer"
Als Jugendlicher wollte er Rockstar werden. Dennoch durchlief Kai Schumacher eine klassische Pianistenausbildung. In seiner Musik vermischt er neoklassische Elemente mit Dancefloor, Avantgarde und Pop. Im Interview spricht er über sein neues Album "Tranceformer".
Kai Schumacher setzt sich als Komponist zwischen alle Stühle und vermischt in seinen Solo-Performances viele Genres miteinander. Zuweilen wird er deshalb als "Bad Boy of Music" bezeichnet oder als "Punk-Pianist". Mit seinen eigenwilligen Schubert-Bearbeitungen an der Seite von Singer-Songwriter Gisbert zu Knyphausen hat er ein breites Publikum erreicht. Gerade ist Schumachers neues Album "Tranceformer" erschienen.
2019 hast du dein erstes Album veröffentlicht, da sind auch eigene Kompositionen von dir drauf. Ist das Komponieren für dich eine mathematische Geschichte?
Kai Schumacher: Ich interessiere mich in meiner Musik sehr für kleine Motive, die eine gewisse Struktur haben und die sich über einen zeitlichen Verlauf und einen gewissen, fast mathematischen Prozess, verändern können. Es ist nicht so, dass ich analytisch komponiere, aber ich versuche über Motorik und über Improvisation rauszufinden, wie ich diese kleinen Patterns verändern kann.
Jetzt ist dein neues Album "Tranceformer" erschienen. Als ich die Vorankündigung gelesen habe, hatte ich viele Assoziationen. Erstmal musste ich an die Filmreihe "Transformers" denken. Dann dachte ich an Trance, also die Spielart des Techno aus den 1980er-Jahren. Und dann habe ich auch an den Bewusstseinszustand gedacht. Liege ich mit einer meiner Vermutungen richtig? Was wolltest du damit ausdrücken?
Schumacher: Du liegst mit allen Vermutungen ziemlich nah dran. Dieses Zusammenspiel aus Transformation, also Veränderungen, und Trance, einem Zustand, den Musik herstellen kann, das alles wollte ich versuchen mit dem Album umzusetzen. Es sind Veränderungen in dem Sinne, dass ich oft mit sehr kleinen, rhythmischen oder melodischen Motiven arbeite und die über einen längeren Zeitraum verwandele. Durch diese ständige Wiederholung brennt sich, manchmal etwas im Gehirn fest. Man kann sich dadurch entweder aus- oder anknipsen, je nachdem, was man gerade möchte. Man kann auf jeden Fall in einen fast tranceartigen Zustand kommen.
Das Album "Tranceformer" war eine Art konstante Improvisation über ein festgelegtes Thema. Das sind bei mir nur zwei Töne gewesen, ausgehend von einer leeren Quinte. Ein Intervall, das eigentlich tonal erst einmal gar nichts aussagt, weder Dur noch Moll ist. Es ist eigentlich sehr leer, klar und sehr rein. Diesem Intervall habe ich während der Improvisation Zeit gegeben. Was passiert motorisch mit mir, wenn ich das spiele? Entwickelt sich eine Art Klangteppich durch Pedalisierung oder entwickelt sich eine rhythmische Struktur zwischen diesen beiden Tönen? Nach und nach hat sich um diese zwei Töne für jedes Stück ein kleiner eigener Kosmos entwickelt. Aus dieser Improvisation habe ich dann ein bisschen an der Form geschliffen und an der Struktur gearbeitet. Da kommt dann der Mathematiker in mir raus.
Jetzt komponierst du als Interpret auch selbst und trittst damit auf. Was gibt es für dich noch für Aspekte in dieser Rolle, die du gerne entdecken würdest?
Schumacher: Das Schöne bei mir war immer, das eigentlich nie irgendwas richtig geplant war, sondern sich alles automatisch ergeben hat. Ich hätte vor acht Jahren nie gedacht, dass ich in der Lage wäre, ein Album mit eigenen Kompositionen zu veröffentlichen. Denn ich wurde mit meinem klassischen Hintergrund jahrzehntelang in meiner Ausbildung darauf getrimmt, dass es diese großen Meister gibt. Alles, was danach kam, war sowieso minderwertig, ob das jetzt zeitgenössische klassische Musik ist, oder ob das Popkultur allgemein ist. Man hat sich immer mit den Großen der Musikgeschichte der letzten 250 Jahre messen müssen. Deswegen war das für mich schon ein großer Schritt, zu sagen, ich wage mich jetzt selber als Komponist an die Öffentlichkeit. Aber geplant hatte ich das nie. Das hat sich über Klavierbearbeitungen ergeben, die ich nach und nach gemacht und in meine Programme eingestreut habe. Deswegen habe ich auch keine Ahnung, wohin dieser Transformationsprozess geht. Ich bin musikalisch einfach sehr vielseitig interessiert. Für mich ist es auch kein Gegensatz, Schubert-Lieder toll zu finden und zu sagen, ich will Schubert-Lieder in ein zeitgemäßeres Gewand packen oder in einer Art von Aufführungspraxis, die mir als Pop-sozialisiertem Menschen näher ist als ein Liederabend. Aber genauso ist es für mich auch total legitim zu sagen, ich finde Mozart-Sonaten toll und spiele die gerne oder ich gehe auf Raves oder Punk-Konzerte. Alles für sich ist mit einem gewissen Ausdruck verbunden und es geht nicht nur um musikalische Perfektion, wie in der klassischen Musik.
Das Gespräch führte Charlotte Oelschlegel.