Händel-Festspiele erstmals mit Oratorium statt Oper
Das Motto der Göttinger Händel-Festspiele 2023 lautet: "Hellas!". Erstmals in der Geschichte des Festivals wird George Petrou keine Oper, sondern das Oratorium "Semele" beim Festival dirigieren und inszenieren.
Ebenfalls zu Gast sein werden etwa der Bratschist Nils Mönkemeyer, der Hornist Felix Klieser und der Mandolinist Alon Sariel. NDR Kultur Musikredakteurin Christiane Irrgang war bei der Vorstellung des Programms dabei. Sie berichtet, was die Festival-Besucherinnen und -Besucher sonst noch erwartet.
Die Festspiele stehen in diesem Jahr unter dem Motto "Hellas!". Das lässt griechisch anmuten. Wie griechisch wird diese Festivalausgabe?
Christiane Irrgang: Der künstlerische Leiter George Petrou ist Grieche, aber er legt Wert darauf, dass dies nicht der Grund für die Wahl des Schwerpunkts gewesen sei. Händel war auch nie selbst in Griechenland. Wer seine Opern und Kantaten auch nur ein bisschen kennt, weiß, dass sie nur so wimmeln von antiken Göttern, Helden und Nymphen.
Viele Musikstücke des 18. Jahrhunderts, sagt Petrou, seien von der griechischen Kultur inspiriert. Er wolle beim Festival einen Schritt weitergehen, präsentiert Werke von Händel, die auf der klassischen griechischen Mythologie basieren, aber auch zeitgenössische griechische Musik. Auf diese Weise wird das Festival-Orchester - das ist ein internationales Ensemble aus Alte-Musik-Spezialisten - erstmalig auch Werke des 21. Jahrhunderts interpretieren.
Eine zentrale Rolle spielt immer die Festspieloper, die natürlich von Georg Friedrich Händel stammt. Welche von seinen 42 Opern wird es denn diesmal sein?
Irrgang: Keine Oper, sondern erstmals in der über 100-jährigen Geschichte des Festivals ein Oratorium, das George Petrou selbst inszenieren und auch dirigieren wird. "Semele" ist ein klassisch griechischer Stoff über die großen Themen der Menschheit. Von der Anlage schon sehr dramatisch - und für Petrou eines der besten Werke von Händel überhaupt. Dieses Oratorium wird im Programm von NDR Kultur zu hören sein. Der Chor spielt darin eine große Rolle. Dafür wurde ein Kammerchor aus Athen gewonnen, der einen Monat lang in Göttingen proben kann.
So viel Zeit hat das NDR Vokalensemble nicht, aber auch das wird wieder mit von der Partie sein - im zweiten Oratorium, "Herkules", das NDR Kultur am 18. Mai live überträgt. Ein weiteres Projekt ist der griechischen Sagengestalt Medea gewidmet, der Frau, die aus Rache ihre beiden Söhne umbringt, nachdem ihr Mann sie verlassen hat. Über Medea hat der Mozart-Zeitgenosse Georg Benda ein Melodram geschrieben, als eine Mischung aus Schauspiel und ganz großartiger Musik. Petrou kombiniert diese Musik mit zwei zeitgenössischen Werken von griechischen Komponisten, die den Auftrag bekommen haben, für Instrumente des 18. Jahrhunderts zu schreiben. Hier sehen wir dann also einen weiteren Versuch, die griechische Antike in die Gegenwart zu holen.
Gibt es denn auch in diesem Jahr wieder Angebote für Menschen mit geringem Einkommen oder für Menschen, die bisher mit klassischer Musik noch ein bisschen fremdeln?
Irrgang: Jede Menge sogar. Es gibt eine Familienfassung der Festspieloper, einen Kindertag oder auch den "rollenden Georg" - ein Lkw, besetzt mit Musikern, die einfach irgendwo in der Stadt auftauchen und losspielen. Es gibt einen Singalong-Gottesdienst, an dem sich Amateursänger beteiligen können, kostenlose Lunchkonzerte, und auch die Wertungsspiele des Göttinger Händel-Wettbewerbs sind kostenlos.
Übrigens haben die Festspiele dank ihrer Sponsoren die Preise nicht erhöhen müssen - das ist in diesem Jahr etwas Besonderes. Eine tolle Idee ist auch ein Audioguide zur Festspieloper, den eine sechste Schulklasse gestaltet hat.
Der Intendant Jochen Schäfsmeier hat sich außerdem etwas Besonderes einfallen lassen - einen ganzen Tag der Musik am 27. Mai in der Lokhalle: "Im Grunde ist das eine Veranstaltung, wo wir mal richtig feiern wollen. Wir wollen ein Programm anbieten, was nicht im strengen Maße musikwissenschaftlich Händel ist, sondern viele Aspekte rund um Händel zeigt - und das sinnlich, mit Lichtinstallationen oder einfach mal so, dass man sich nur auf seine Ohren konzentrieren muss, weil man vielleicht das Konzept im Dunklen erlebt. Das ist eine Idee, wo wir diese Lokhalle mit ihrer großen Fläche nutzen und etwas ganz Buntes, Neues anbieten wollen. Wir wollen damit auch die Chance nutzen, dass wir ein Publikum ansprechen, was normalerweise nicht so leicht den Weg zu uns findet, aber das einfach mal ausprobieren möchte und sehen möchte, was wir anzubieten haben. Die Leute, die uns kennen, werden hoffentlich sowieso kommen - aber die, die uns nicht kennen, sind umso mehr herzlich eingeladen." An dem Tag wird dann auch wieder Gratis-Oper für alle geboten, also "Semele" auf einer großen Leinwand.
Das Gespräch führte NDR Kultur Moderatorin Julia Westlake.