CD der Woche: Thomas Adès dirigiert alle Beethoven-Sinfonien
Diese Beethoven-Edition ist seit zwei Jahren bereits in Form von drei separierten Teilen im Handel. Nun liegt sie erstmals geschlossen mit allen neun Sinfonien vor, ergänzt um Werke des Komponisten Gerald Barry.
Wenn Komponisten als Dirigenten in Erscheinung treten, lohnt eine besondere Aufmerksamkeit. Selbst wenn sie nicht eigene Kompositionen aufführen, bieten sie doch oft ungewöhnliche Einsichten, auch bei etablierten Repertoire-Stücken. Das war in den frühen Jahren der Aufnahmegeschichte, etwa bei Richard Strauss, nicht anders als bei Produktionen mit Pierre Boulez oder Esa-Pekka Salonen. Jetzt hat der britische Komponist, Pianist und Dirigent Thomas Adès mit der Britten Sinfonia eine Edition aller neun Sinfonien von Ludwig van Beethoven beim Label Signum veröffentlicht.
Differenziertes Klangbild, adäquate Aufnahmetechnik
Als im April 1800 die erste Sinfonie von Ludwig van Beethoven uraufgeführt wurde, dürfte das Publikum verdutzt hingehört haben: Was für Anfangs-Akkorde! Die galten damals als ungewöhnlich, oder, salopp gesagt, "schräg". Thomas Adès und die Britten Sinfonia markieren die Neuartigkeit dieses Beginns, indem sie den Kontrast zwischen kurzen und langen, gezupften und gehaltenen Tönen, deutlich markieren.
Der Beginn von Beethovens erster Sinfonie ist durchaus exemplarisch für die neue Einspielung. Adès entfaltet ein sehr differenziertes Klangbild, unterstützt durch eine adäquate Aufnahmetechnik, das Orchester spielt kontrastreich und mit viel Verve.
Hochwertige Beethoven-Aufnahme
Die Britten Sinfonia mag vielleicht nicht zu den besten Orchestern der Welt zählen, doch sie folgt Thomas Adès in allen Belangen. Beethovens Musik klingt gleichermaßen kammermusikalisch wie sinfonisch. Etwa bei der Übergangs-Passage im ersten Satz der siebten Sinfonie. Sucht man nach einem Beispiel, wie eng bei Beethoven dämonisches "Pochen" und leichteres "Federn" beieinanderliegen, dann darf dieser Abschnitt als beispielhaft gelten.
Das Manko dieser Aufnahme ist: Es sind in den beiden letzten Jahrzehnten viele, vor allem viele hochwertige Einspielungen erschienen. Anders gesagt: In der Spitze ist die Dichte größer geworden, sodass man kaum sagen könnte, wo genau dort Thomas Adès zu verorten wäre. Auf jeden Fall gehört diese Aufnahme zu den Bereicherungen.
Den zweiten Satz der Siebten hat Beethoven mit "Allegretto" überschrieben. In vielen Produktionen aber klingt das langsamer und betont fahl. Adès aber entwickelt im Mittelteil einen "leicht gehenden" Gestus, der Beethovens Vorgabe verständlich macht.
Dieser Beethoven klingt mutig
Diese Beethoven-Edition ist seit zwei Jahren bereits in Form von drei separierten Teilen im Handel. Nun liegt sie erstmals geschlossen mit allen neun Sinfonien vor, ergänzt um Werke des 1952 in Irland geborenen Komponisten Gerald Barry. Dazu zählen je ein Viola- und ein Klavierkonzert. Der Repertoire-Kontrast ist spannend, aber nicht zwingend logisch. Die einzige Schnittmenge bildet Barrys Komposition "Beethoven" von 2008 - eine musikalische Szene für Gesang und Orchester, eine Art Sprechgesang, basierend auf Beethovens Brief vom Juli 1812 an die "Unsterbliche Geliebte".
Thomas Adès' Beethoven-Zyklus lebt von großer Geschlossenheit. Dieser Beethoven klingt mutig, aber nicht radikal um jeden Preis oder gar ideologisiert. Die Balance der verschiedenen Stimmen gelingt sehr überzeugend. Eine Aufnahme, die aufrüttelt und uns im besten Sinne dazu zwingt, genau hinzuhören.
Beethoven / Barry
- Label:
- Signum Classics