feel.jazz Festival: Zweitägiger Sinnesrausch im Hafenklang
Das feel.jazz Festival in Hamburg ist seit acht Jahren ein beliebter Szene-Treff und gilt als guter Einstieg für Konzertgänger mit wenig Jazzerfahrung. Die Sichtbarkeit von Frauen im Jazz ist noch immer gering, das will das Festival ändern.
Der Sound der jungen Berliner Jazz Band "SO SORRY" ist geprägt von einem warmen Groove. Die Musiker:innen, alle Mitte zwanzig, kombinieren eigene Kompositionen mit Coverversionen: Angefangen haben sie als rein weiblich besetzte queerfeministische Band. Mittlerweile sind sie gemischt, aber für den Anfang war es wichtig, in ganz geschützten, intimen Jamsessions einfach mal die Musik zu machen, auf die sie Lust hatten.
"Es war dann nicht dieses vielfache Nachdenken darüber, was man jetzt gerade gespielt hat, wie man dabei gerade ausgesehen hat, oder, ob man jetzt die brillianteste Idee der Welt hatte. Es war so viel weniger Bewertung dessen, wie man sich selbst gesehen hat. Das hat mich persönlich fasziniert, hat uns alle mitgenommen und unser Schluss war dann, ah das liegt bestimmt an dem Raum. Dass wir gerade hier als weibliche, soziale Menschen, die auch alle natürlich diese männliche Dominanz in der Jazzszene kennen und wie die sich manchmal anfühlen kann - das hat natürlich total was mit uns gemacht", erzählt Pianistin Käthe.
Jazz-Szene mit neuen Einflüssen bereichern
Das feel.jazz Festival - das am Freitag und Sonnabend jeweils von 20 Uhr bis zum frühen Morgen läuft - ist für Bands wie SO SORRY die perfekte Gelegenheit, neue Songs aus dem Probenraum auf die Bühne zu bringen und vor Publikum zu testen. Das Festival ist experimentell, jung und offen, die Jazz-Szene mit neuen Einflüssen zu bereichern: "Also wir wollen, dass Hamburger Bands bei uns eine Bühne kriegen, vielleicht auch welche, die noch nicht so super etabliert oder groß sind", sagt Clara Lucas vom Festivalteam. Sie hat mit einer kleinen Gruppe Ehrenamtlicher das Line-Up zusammengestellt. Dafür laden sie Jazz- Künstlerinnen und Künstler von der Elbe, aber auch darüber hinaus ein.
Geschlechtergerechteres Programm
Dabei achten sie auch darauf, das Programm geschlechtergerechter zu gestalten, so Clara Lucas: "Ich finde es eben auch toll, wenn man darauf achtet, dass es sich bisschen die Waagschale hält, wie viele Frauen und Männer auf dem Festival spielen. Das ist einfach wichtig, dass man eine Vorbildfunktion schafft und auch viele Frauen auf der Bühne stehen. Es gibt einfach noch zu viele Festivals, wo die Line-Ups zu männlich sind."
Die Solokünstlerin Teresa Raff zum Beispiel verbindet mit Stimme und Harfe Klassik, Minimal und Pop. Das Hamburg Art Ensemble interpretiert exklusiv für das Festival Billie-Eilish-Songs und verpasst den Welthits eine Jazznote und das Quintett "Dunya" bringt den punkigen Sound mit ein.
Audiowalk zum Thema Clubsterben
Zum achten Mal verwandelt das feel.Jazz den punkigen Hafenklang Club unten an der Elbe zu einem Jazz-Hotspot und lädt zu einem zweitägigen Sinnesrausch ein. Dazu gehören immer auch Performances und Aktionen, wie der Audiowalk zum Thema "Clubsterben". So stand auch der Hafenklang selbst im vergangenen Jahr noch kurz vor dem Aus und konnte sich nur dank eines Crowdfundings retten.
Und was wäre der Jazz ohne seine vielen kleinen Clubs mit Konzerten und Jamsessions? "Wir sind absolut drauf angewiesen, und die Leute ehrlich gesagt auch. Was wäre denn unsere Welt, wenn es nur Taylor Swift gäbe? Die ist auch cool, aber so kleine nischige Sachen sind eben auch wichtig und schön", sagt Clara Lucas.
Beim feel.jazz Festival geben sich Clubkultur und klassische Jazzmusik die Hand. Junge Jazzmusikerinnen und Musiker bringen ihre Einflüsse aus anderen Musikrichtungen mit ein und experimentieren mit elektronischer Musik, sodass sich Konzerte am Abend und DJ-Sets in der Nacht bestens ergänzen.