Die Dirigentin Oksana Lyniv steht mit einem Dirigierstab in der Hand vor einer alten Mauer und blickt entschlossen. © picture alliance/dpa/Bayreuther Festspiele Foto: Oleh Pavliuchenkov
Die Dirigentin Oksana Lyniv steht mit einem Dirigierstab in der Hand vor einer alten Mauer und blickt entschlossen. © picture alliance/dpa/Bayreuther Festspiele Foto: Oleh Pavliuchenkov
Die Dirigentin Oksana Lyniv steht mit einem Dirigierstab in der Hand vor einer alten Mauer und blickt entschlossen. © picture alliance/dpa/Bayreuther Festspiele Foto: Oleh Pavliuchenkov
AUDIO: Immer noch unterrepräsentiert: Frauen an der Spitze der Kulturbranche (4 Min)

Immer noch unterrepräsentiert: Frauen an der Spitze der Kulturbranche

Stand: 17.07.2024 10:22 Uhr

Im Jahr 2024 ist es immer noch eine Ausnahme, wenn Frauen nicht nur Werke erschaffen, sondern sogar dirigieren, kuratieren oder gar vermarkten. Ein paar Beispiele, die Hoffnung machen.

von Severine Naeve

Es war eine weltweite Sensation: Die einstige Musikchefin der Grazer Oper, die Ukrainerin Oksana Lyniv, dirigierte 2021 als erste Frau in Bayreuth. In renommierten Tageszeitungen und Interviews mit Klassik-Redaktionen ging es dabei immer wieder um die Herausforderungen als Frau, auch um ihre einstigen Differenzen mit einer anderen Frau an der Semperoper. Immer stand das Geschlecht im Mittelpunkt, nicht das Können. 

Oksana Lyniv: "Anziehungskraft hatte für mich immer das Werk selbst" 

Lyniv war sich dieser Sonderstellung immer bewusst: "Als ich mein Studium angefangen habe, war ich die einzige Frau in der gesamten Hochschule. Ich musste mir natürlich auch Dinge anhören wie: Warum machst du das? Du wirst nie was werden! Die Anziehungskraft hatte für mich aber nie das Dirigentenpult - also dass du vorne stehst und sagst, wo es lang geht - sondern immer das Werk selbst. Sich vorzustellen, eine 6. Tschaikowsky zu dirigieren, eine Tosca oder eine Mahler-Sinfonie, hat mich wirklich berauscht."

Weitere Informationen
Doğa Çetin dirigiert © NDR Screenshot

Dirigentin werden - Frauen erobern eine Männerdomäne

Lange war Dirigieren ausschließlich ein Beruf für Männer. Doch das ändert sich langsam. Immer mehr junge Frauen greifen zum Taktstock. mehr

In Artikeln vor ihrer Wagner-Premiere ging es auch immer wieder um die "vertrackte Akustik" im Orchestergraben in Bayreuth - vor der sie aber keine Angst hätte. Bei welchem Mann würde man das lobend erwähnen?

Hera: Eine der erfolgreichsten Street-Art-Künstlerinnen der Welt

In einem Hochhaus in Frankfurt-Höchst ist eine der erfolgreichsten Street-Art-Künstlerinnen der Welt aufgewachsen: Hera, mit bürgerlichem Namen Jasmin Siddiqui. "Nachdem ich wirklich anerkannt habe, dass ich krass gefährdet bin, ich sehe aus wie keine Deutsche und ich bin eine Frau, da ist so ein Funken Hass wach geworden, so ein rebellischer Gedanke", erzählt Hera im Podcast "I love Graffiti". "Ich dachte: Ok, ich gehöre nicht zum Establishment, scheinbar nicht zu dem, was gewünscht ist, sondern zum Rest. Und dann kann ich auch genau das machen, was der Rest macht."

Was Hera seitdem macht, macht sie ausgesprochen erfolgreich. Sie reist um die Welt, sprüht ihre großformatigen Kunstwerke, sogenannte Murals, mit offiziellem Auftrag von Städten und Gemeinden an die Wände von Metropolen. Die Künstlerin hat eine Hauswand in Frankfurt zur EM besprüht, Filmstar Jim Carrey hat sie gebucht und immer wieder ist sie auch in sozialen Brennpunkten unterwegs, gibt Workshops für Kinder und Jugendliche in Favelas oder Randbezirken internationaler Großstädte. "Trotzdem bin ich im Street-Art-Genre eine von vielleicht maximal 30 Prozent Frauen", so Hera. "Wir sind da also unterrepräsentiert - und Frauen, oder auch andere Gender, haben doch auch eigene Themen."

Weitere Informationen
Ein schwarz-weiß-Bild einer Frau auf eine Wand gemalt © penguin randomhouse Verlagsgruppe

"Street Art is Female": Gegen die Unsichtbarkeit

Street Art gilt häufig als männlich dominiertes Genre. Der Bildband "Street Art is Female" zeigt die Werke von 24 Künstlerinnen. mehr

Popmusik: Kein Bock mehr auf die "Würstchenparade" 

Auch das Popmusik-Business ist eine männerdominierte Welt. "Ich habe das so oft erlebt, dass fantastische Künstlerinnen keinen Bock mehr hatten auf die Branche", so DJ und Musik-Bloggerin Lina Burghausen. "Weil es einfach so eine Würstchenparade ist, pardon." Frauen werden als Musikerinnen deutlich seltener gebucht, bekommen weniger Gage, auf den großen Festivalbühnen stehen immer noch hauptsächlich Männer - und das liegt möglicherweise auch daran, dass es kaum Künstler- und Konzertagentinnen gibt. 

Katharina Köhler: "Die Boss" bei Deichkind 

Katharina Köhler ist eine der ganz wenigen Frauen im Chefsessel der Musikbranche. Sie ist Managerin der aus Hamburg stammenden Band Deichkind und beschreibt im Podcast "Die Boss" den Weg vom "Jobtitel" zum wirklich gelebten Berufsalltag: "Was ist denn eine Musikmanagerin? Das ist nicht definiert. Ich dachte früher, ich bin eine bessere Sekretärin. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich getraut habe zu sagen: Nein, ich bin die Managerin. Das müssen alle wissen, auch die Chefs der Firmen, wenn sie mit der Band sprechen möchten. Dann müssen sie mit mir reden!"

Es gibt natürlich weitere - aber eben sehr wenige - Beispiele von Frauen, die das Sagen haben im Kulturbereich. Simone Young gilt als leuchtende Ikone für Orchesterleitung. Bei Dagmar Schlingmann, der vielfach ausgezeichneten und langjährigen Generalintendantin am Theater Braunschweig, wird übrigens immer wieder mal erwähnt, dass sie auch Familie hat.

Weitere Informationen
Ursula Haselböck, die Intendantin der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern © picture alliance/Danny Gohlke/dpa Foto: Danny Gohlke

Frauen in der Klassik: "Da ist wirklich ein Ungleichgewicht"

Die Leiterin der Festspiele MV, Ursula Haselböck, ist eine der wenigen Intendantinnen im Klassik-Betrieb - und das obwohl die Branche in der Breite sehr weiblich ist. mehr

Alondra de la Parra dirigiert ein Orchester. © NDR

Kinder und Karriere: Die Dirigentin Alondra de la Parra

Alondra de la Parra ist Dirigentin und Mutter von zwei Söhnen, die sie größtenteils allein aufgezogen hat. Wie hat sie es geschafft, trotzdem Karriere zu machen? mehr

Mirga Gražinytė-Tyla © LA Philharmonic Foto: Vern Evan

Mirga Gražinytė-Tyla: Blitzkarriere am Dirigentinnenpult

Die Litauerin ist eine echte Senkrechtstarterin. Schon mit 29 wurde sie Chefdirigentin des Birmingham Symphony Orchestra. mehr

Hildur Guðnadóttir auf dem roten Teppich bei der Deutschlandpremiere von "Tár" im Rahmen der 73. Berlinale im Berlinale Palast in Berlin © picture alliance / Eventpress | Eventpress Golejewski

"Tár"-Komponistin Gudnadóttir über ihre dunkle Seite in ihrer Musik

Zwei Dramen hoffen auf Oscars, für die sie Filmmusik komponiert hat. Ein Gespräch über Dirigentinnen, Komponistinnen, dunkle Töne und Island. mehr

Kathleen Alder lacht mit geschlossenen Augen. © Tony Briggs Foto: Tony Briggs

Wie Kathleen Alder in der Klassik-Branche ihr Ding gemacht hat

Als Anfang 20-Jährige machte sie sich in der männerdominierten Klassikwelt selbständig - heute arbeitet ihre PR-Agentur für renommierte Orchester. mehr

Eine junge Frau steht vor einer blauen Werbewand auf einem blauen Teppich und trägt ein schwarz, weiß gemustertes Kleid. © picture alliance / Eventpress | Eventpress Radke

Ist Schwangerschaft ein Karriere-Killer für Schauspielerinnen?

Wer schwanger ist, wird in manchen Berufen nicht mehr eingesetzt. Ist das wirklich so? Wie sieht es in der Schauspielerei aus? mehr

Eine Frau mit Gitarre in rosa Nebel © NDR

Männer, macht Platz! Musikerinnen kämpfen für Gleichberechtigung

Frauen sind im Musikgeschäft unterrepräsentiert. Mit Netzwerken versuchen sie, die Dominanz der Männer zu brechen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 17.07.2024 | 09:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

Grafik und Design

Rock und Pop

Eine Frau sitzt auf einem Stuhl und lächelt in die Kamera. Neben ihr stehen die Worte "Die Hauda & die Kunst" © NDR/ Flow

Kunstwissen to go - serviert von Bianca Hauda

Bianca Hauda serviert Kunstwissen in kleinen Happen: Porträts von Künstler*innen, deren Bilder und Werke in deutschen Museen zu sehen sind. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Cover: Markus Thielemann, "Von Norden rollt ein Donner“ © C.H. Beck

NDR Buch des Monats Juli: "Von Norden rollt ein Donner" von Markus Thielemann

Dem Autor ist ein großer Roman gelungen, in einer kraftvollen Sprache voller Poesie - mit einer politischen Kraft, die die Geschichte wie nebenher entfaltet. mehr