Konfetti bei Muse auf dem Hurricane Festival © NDR.de/ Matthes Köppinghoff Foto: Matthes Köppinghoff

Hurricane Festival-Blog 2023: Ein heiß-nasser Sonnabend!

Stand: 18.06.2023 14:30 Uhr

Auch in diesem Jahr bloggt NDR Musikjournalist Matthes Köppinghoff wieder beim Hurricane in Niedersachsen. Am dritten Tag gab es neben einem Hurricane-typischen Unwetter Highlights wie Muse, Casper oder Two Door Cinema Club.

Es hat gar nicht so lang gedauert und schon fühle ich mich wieder im Festivalleben angekommen: Nach einer zu kurzen Nacht sitzen alle Handgriffe: frische Klamotten, die später so aussehen werden wie meine abgerockten Schuhe (die waren schon im vergangenen Jahr dabei, mal schauen, ob meine Sneaker noch halten - beim großen Onkel links ist da schon ein beachtliches Loch). Ich stopfe Notizbuch, Sonnencreme - eigentlich alles, was gerade so rum liegt - in meinen Jutebeutel, setze Sonnenbrille und Matthes-Trademark-Hut auf und los geht’s.

Emo zum späten Frühstück

Die Band Fjørt beim Hurricane Festival 2023 © NDR.de/ Matthes Köppinghoff Foto: Matthes Köppinghoff
Für den Wiedereinstieg ins Festival startet Matthes Köppinghoff am Sonnabend mit der Aachener Band Fjørt.

Um den Puls direkt wieder betriebsbereit zu pumpen, lasse ich mich von Fjørt bei knallender Sonne um 13 Uhr anschreien. Tendenziell bin ich da eigentlich kein Fan von, weder privat, beruflich noch musikalisch, aber bei manchen Bands geht’s - so auch bei den drei Kollegen aus Aachen. Die Sonne knallt, die Band schreit, das Leben ist schön - und für diese für Festivals doch unchristlich frühe Uhrzeit sind schon erstaunlich viel Leute da. Direkt vor der Bühne werden sie in "links" und "rechts" unterteilt - denn der Steg für Muse ist schon aufgebaut. Ich komme später drauf zurück!

"Wo geht's nach Panama?"

Wenn man hier so beim Festival unterwegs ist, gibt es oft vor allem ein Gesprächsthema - und das ist immer noch die Causa Rammstein. Wer nicht weiß, worum es geht oder nicht mehr hinterherkommt und alle Zusammenhänge verstehen möchte, klickt auf diesen Link.

Bei Leuten in der Branche - seien es Veranstalter*innen, Musiker*innen oder Journos wie mir - redet man eigentlich nur noch darüber. Umso mehr rückt hier beim Hurricane das Konzept "Panama" in den Fokus. Kurz zusammengefasst können sich Personen, die sich bedroht fühlen, beim Personal, den Securities und anderen klar erkennbarem Menschen mit dem Codewort "Panama" oder dem Satz "Wo geht’s nach Panama" bemerkbar machen und bekommen von einem geschulten Awareness-Team Hilfe. Das Konzept des Veranstalters FKP Scorpio mit dem Janosch-Spruch gibt es auch schon ein Weilchen. Im Jahr 2023 ist man jedenfalls dankbar für solche Maßnahmen.

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Auf einem Armband steht das Wort "Panama". © picture alliance / R. Goldmann Foto: picture alliance / R. Goldmann

Sicherheit auf Festivals: "Wo geht's nach Panama?"

Tanzen, drängeln, schubsen - auf einem Festival ganz normal. Doch manchmal fühlt sich eine Berührung oder ein Blick nicht gut an. Mit dieser Frage bekommt ihr auf Festivals Hilfe. mehr

Entspannter Nachmittag mit Two Door Cinema Club

Two Door Cinema Club auf dem Hurricane 2023. © NDR/N-JOY Foto: Benjamin Hüllenkremer
In knallbunten Farben ist die Indie-Band Two Door Cinema Club ein gut gelaunter Start in den Nachmittag.

Da ich gestern 15.980 Schritte gegangen bin, schone ich heute etwas meine Kräfte. Daher höre ich James Bay nur aus der Ferne zu und entscheide mich, Two Door Cinema Club anzuschauen: Bei NDR Blue plane ich die Band seit Jahren gern im Programm ein. Die Nordiren halten nicht viel von Spannungsaufbau, sondern feuern von Anfang an ihre Hits ab. Da ich es mit meiner Farbschwäche nicht unbedingt so mit Farben habe, erklärt mir meine Frau das gewagte Outfit von Sänger/Gitarrist Alex Trimble: sandfarbenes Hemd, himbeerfarbener Anzug, dazu rote Haare inklusive Schnubbi, goldenem Nasenring -  und alle Bandmitglieder haben knallrote Mikrofone inklusive Mikrofonständer. Two Door Cinema Club sind ein prima Start in den Nachmittag - sehr tanzbar, das macht gute Laune.

Kurze Midlife Crisis bei Alli Neumann

Wir lassen uns treiben, schlendern bei Funeral For A Friend vorbei, und während meine Frau bei Chvrches vorbeischaut, mache ich mich auf den Weg zu Alli Neumann. Hier ist richtig was los. Die Künstlerin erklärt: Früher war es ein Traum, bei den großen Festivals wie Rock am Ring oder dem Hurricane Festival aufzutreten - und dieser Traum hat sich nun erfüllt. Das Zelt ist sehr gut gefüllt, den Fans gefällt’s. Beruflich, also unter radiophoner Musikjournalistensicht, finde ich das auch in Ordnung. Sie ist das nächste große Pop-Ding. Mein privater Geschmack ist’s jetzt nicht unbedingt. Vielleicht bin ich mit meinen 40 Jahren der Zielgruppe aber auch schon knapp entwachsen. Tausende von Zuschauer*innen haben jedenfalls Spaß beim Konzert.

Nomen est omen: Unwetter

Ich tapere zurück, bekomme noch ein bisschen was von Chvrches mit und möchte mich eigentlich kurz in den Backstagebereich verziehen, als das Hurricane dann doch seinem Namen alle Ehre macht: "Unwetterwarnung!", sagt Kollegin Lena und wenige Sekunden später schüttet es wie aus Eimern, teils sogar mit Hagel. Innerhalb weniger Augenblicke müssen sich die Leute Unterstände suchen. Ein paar aus unserem Team haben da Pech: Unser Fotograf ist komplett durchnässt und so auch Nina, die unseren Vlog so liebevoll zusammenbaut. Die Bands lassen sich nicht beeindrucken und irgendwann nimmt der Regen langsam ab. Immerhin ist es nicht mehr so heiß und irgendwie gehört ein gescheiter Schauer ja zum Hurricane dazu, oder?

The Lumineers und der Kampf gegen die Müdigkeit

"Jetzt endlich Schlammschlacht", lautet die SMS eines Freundes, aber so schlimm ist es dann doch nicht, als wir bei den Lumineers Halt machen. Hier herrscht Hippie-Stimmung, herrlich entspannt und schön - was mich allerdings in andere Nöte bringt: Ich bin ganz schön müde. Würde ich jetzt ein Bier trinken, würde ich selig wegschlummern. Daher reiße ich mich zusammen, mache meine Notizen und verfolge eifrig, wie die Band aus Denver ihre Songs spielt.

Die Poser kommen: Muse

Als es dunkel wird, strömen die Leute zur Hauptbühne. Viele warten schon an dem Steg, der extra für die Band aufgebaut wurde, an die ich eine lustige Erinnerung habe: Im Jahr 2000 habe ich Muse zum ersten Mal gesehen, beim Bizarre Festival in Weeze, nachmittags um 14 Uhr. Damals hatte ich noch keinen Führerschein, Matthew Bellamy noch lila Haare. Die Zeiten, in denen Muse solch frühen Slots belegen mussten, sind schon lange vorbei. Im Rahmen meines Jobs habe ich die Band dann 2018 interviewen dürfen und da waren die drei schon längst im Stadionrock angekommen. Auch die richtig großen Open Air Festivals können sie, zudem schneiden sie in der Kategorie "Posen" mit Bestnoten ab.

Sie neigen dazu, gern mal "eins drüber" zu sein; in den vergangenen Jahren haben sie sich mit Sci-Fi-Motiven in ihren Platten ausgetobt und auch heute bleibt man von dem Cyber-Kram nicht verschont. Die teils seltsamen computerspielhaften Einspieler tun der Attitüde keinen Abbruch. Muse starten ihr Set mit Masken, die sie während der Show immer wieder mal rausholen. Es gibt LED-Jacken und die großen Rocker-Gesten - plus Pyro, Flammen und Konfetti. Meinen Favoriten gibt’s auch, "Plug in Baby", inklusive Posen auf dem eigenen Catwalk versteht sich. Die Fans grölen mit, wie auch bei etlichen anderen Hits.

Endgültiger Abriss des Tages mit Casper

Ein letzter Termin heute steht noch an: Als ich mich auf den Weg zur River Stage mache, ahne ich schon, wo gleich die Reise hingeht. Backstage sind schon Hebebühnen mit Feuerwerk aufgebaut. Als der Vorhang fällt, die Leute ausflippen und Casper loslegt, habe ich auch mein Casper-Tief überwunden: Natürlich ist mir der Musiker kernsympathisch, ich hatte mal einen tollen Interview-Termin mit ihm, aber in letzter Zeit hatte ich mich ein bisschen an der Musik sattgehört. Doch schon nach wenigen Songs bin ich wieder drin: Casper rennt und hüpft über die Bühne, die vollgestopft ist mit Bäumchen, Blümchen und vor allem Musiker*innen.

Casper schafft es wie sonst eigentlich nur Kraftklub, einem Publikum einzuheizen. Für "Keine Angst" kommt sogar Buddy Drangsal mit an Bord - hach, mein Lieblingssong von ihm - und ansonsten werden hier alle Register gezogen, inklusive zweiter Bühne: ein weiteres Highlight, mit ehrwürdiger Verneigung vor dem Hardcore-Klassiker "New Noise" von Refused. Das ist echt stark - da freue ich mich doch gern auf das neue Album "Nur Liebe, immer", das gerade frisch angekündigt wurde.

Meine Empfehlungen für den Sonntag

Jetzt ist aber erstmal Feierabend. Hier noch wie üblich ein paar Zeilen mit den Tipps für morgen - aber eigentlich ist das ja schon heute, will sagen: SPÄTER! Da hätten wir Power Plush, eine kleine neue Indie-Band, die schon um 12 Uhr spielt. Hoffentlich stehe ich nicht allein mit der Band da. Dann gäbe es da noch Nina Chuba, auf Edwin Rosen bin ich sehr gespannt, wie auch auf Loyle Carner. Wüstenrock gibt’s von den Queens Of The Stone Age (passt ja zu dem staubigen "Ambiente" hier) und es wird auch jede Menge gestreamt werden: Zum Beispiel Clueso oder Placebo.

Das große Finale gibt’s dieses Mal von Die Ärzte, davon dann aber nachher mehr. Jetzt kurz abbrausen, die stete Hoffnung auf ein paar Stunden tiefen, erholsamen Schlaf. Vermutlich träume ich dann von den Hosen von Matthew Bellamy (aus der Hölle) oder Casper (Blümchenmuster) oder dem Colour Blocking von Two Door Cinema Club. Und dann rocken wir den Kram hier zu Ende. Wir lesen uns später, ich freu‘ mich!

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 18.06.2023 | 18:00 Uhr

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