Casper: Musiker mit Haltung und Mut für Gefühle
Es gibt aktuell kaum einen deutschen Einzelkünstler, bei dessen Live-Shows die Menge derartig tobt: Casper vereint Rap und Rock mit intelligenten und emotionalen Texten.
Geboren wurde Benjamin Griffey 1982 in Lemgo (Nordrhein-Westfalen). Er ist Sohn einer deutschen Mutter und eines damals stationierten US-Soldaten - gerade mal zwei Wochen nach der Geburt zieht die junge Familie gemeinsam in die USA. Sein Vater ist es, der ihm den Spitznamen Casper verpasst: Da Benjamin auch bei viel Sonne blass bleibt, vergleicht ihn der Papa mit dem Zeichentrick-Gespenst.
Die Ehe der Eltern geht nicht gut aus, auch mit dem neuen Partner der Mutter läuft es nicht gut: Dessen Drogenprobleme und Gewaltausbrüche sollen ihn nachhaltig prägen. Als Casper elf Jahre alt ist, zieht seine Mutter mit ihm und seiner jüngeren Schwester zurück nach Deutschland. In Bielefeld angekommen, muss Benjamin die deutsche Sprache erst mühsam lernen, schließlich wurde im Trailerpark in Georgia nur Englisch gesprochen. Die Erlebnisse seiner Kindheit und der problematischen Teenager-Zeit wird er später im Song "Hin zur Sonne" eindrücklich und emotional in Musik verarbeiten.
Caspers Weg zur Musik
Doch Casper findet seinen Weg, macht sein Abitur, studiert - auch wenn er sein Pädagogik-Studium kurz vor Schluss abbricht. Allerdings hätte die deutsche Musikszene einen wichtigen Künstler verpasst, hätte er sich für die Erziehungswissenschaft entschieden.
So tingelt er schon Anfang der 2000er-Jahre durch Musikstudios, nimmt hier und da mit anderen Rappern was auf, tobt sich dann auch in einer Metalcore-Band aus, nimmt 2008 sein erstes eigenes Album "Hin zur Sonne" auf. Der richtige Durchbruch folgt dann mit dem Wechsel zum Label Four Music - und seinem zweiten Album "XOXO" 2011.
Seine Stimme wird Caspers Markenzeichen
Die Platte steigt schon in der ersten Woche auf Platz 1 der Charts und etabliert Casper von nun an als großen Namen im deutschen Musikgeschäft: Seitdem haben alle Folgealben den ersten Platz belegt. Es sind seine emotionalen Texte, die Crossover-Mischung aus Rap und Rock und sein besonderes Erkennungsmerkmal: Seine Stimme klingt im Gespräch eigentlich noch ganz normal, aber sobald er "singt", hört man die Spuren aus Punk-, Hardcore- und Metalcore-Abenteuern.
Da hatte er noch ungeübt losgeschrien und seine Stimmbänder nachhaltig ... naja, eigentlich zerstört. Seitdem klingt seine "Sing"-Stimme nun rau und verkratzt, ist aber eben auch sein Markenzeichen. Auf OPs hat er bislang verzichtet. Es ist faszinierend, Casper beim Schreien zuzuhören.
Casper arbeitet oft mit anderen Künstlerinnen und Künstlern zusammen
Mit dem gemeinsamen Kraftklub-Auftritt beim Echo 2012 steigt seine Popularität nochmals an: "Songs für Liam" ist mit Casper eben nochmals eine Stufe besser. Allgemein ist der Mann sehr umtriebig und arbeitet mit vielen anderen Künstlern zusammen: Thees Uhlmann und Marteria waren schon auf "XOXO" zu hören. Beim Folgealbum "Hinterland" singt Tom Smith von den Editors als Gast mit. Auf der dritten Platte "Lang lebe der Tod" und dem aktuellen Werk "Alles war schön und nichts tat weh" machen wieder viele Gastmusikerinnen und -musiker mit - er wiederum revanchiert sich aber selbst auch gern, beispielsweise bei dem Comeback-Platte von Dendemann.
Ein prominentes Teamwork gibt es mit Marteria und der Kollaborationsplatte "1982" - zum einen verstehen sich die beiden Rapper bestens und wollten so etwas schon immer machen, zum anderen sind beide Jahrgang 1982.
Autobiografische Songs berühren Fans
Von Deutschrappern wird er gelegentlich als "Emo-Rapper" tituliert. "Emos" werden tendenziell etwas belächelt (grob erklärt: eine Musik-, Jugend- und Modebewegung seit den Anfängen der 2000er-Jahren, Emotionen und eine gewisse Nähe zum Weltschmerz stehen hier im Vordergrund). Doch die umschriebene Beleidigung als "Heulsuse" perlt an Casper ab.
So über Emotionen und Gefühle zu singen, das Innerste in Songs zu transportieren, und das glaubhaft und nicht peinlich, das ist die Stärke von Casper. Autobiografische Songs, wie "Fabian", berühren Fans, und für den Rap ist diese Perspektive - abseits von Klischees, fetten Autos und Bling-Bling - eine willkommene Abwechslung.
Wilde Liveshows mit Haltung
Caspers Songs bringen einen einerseits zum Heulen, andererseits macht das Eindringliche in den Songs sehr viel Spaß. Vor allem bei Konzerten. Mittlerweile ist Casper Dauergast bei den großen Festivals, seine Shows sind energiegeladen und oft ausverkauft. Er schreit, rennt, brüllt und hüpft über die Bühne, seine Fans feiern frenetisch und ausgelassen dazu und schreien mit: "Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin!".
Casper hat mit seinen letzten vier Alben so viele Hits angesammelt, dass man eben diese fast blind mitsingen kann. Trotz all der Energie und des Adrenalins sind die Konzerte - auch aufgrund der Haltung des Künstlers - sichere Orte: "Bei mir, auf meinen Konzerten, soll keine Ausgrenzung stattfinden. Ich toleriere für mich keinen Rassismus, keinen Faschismus, keinen Sexismus, und all diese Dinge."