Reeperbahn Festival - Tag 2: Überraschungsbesuch von KIZ
Der zweite Tag des Reeperbahn Festivals vergeht wie im Flug. Musikjournalist Matthes Köppinghoff bloggt vom Überraschungsbesuch von KIZ, vom fröhlichen Ska der Bazzookas - und schwitzt beim Musiker Hannes.
Vier Tage und Nächte steigt in den Clubs auf und rund um Hamburgs Amüsiermeile Europas größtes Clubfestival: das Reeperbahn Festival. Auch bei der 18. Ausgabe ist NDR Musikjournalist Matthes Köppinghoff mit dabei. In seinem Blog erzählt er von seinen Festivaltagen auf dem Hamburger Kiez.
Kennt ihr eigentlich die Bazzookas?
Bei sommerlichen 25 Grad mache ich mich auf den Weg, um den Festivaldonnerstag eigentlich auf dem Spielbudenplatz zu starten. Doch schon etwa auf Höhe des Feldstraßenbunkers höre ich fröhliches Geschrei und Posaunen (womit man in etwa das Genre Ska ganz gut etikettieren kann). Aber klar, denke ich mir - die Bazzookas sind wieder da! Und da ich diese Institution auf dem Reeperbahn Festival noch nie ausführlich vorgestellt habe, hier ein Überblick: Die Bazzookas sind eine Ska-Band aus Den Haag, seit 2009 machen die Niederländer Musik, und ich glaube, seitdem sind sie auch in jedem Jahr beim Reeperbahn Festival zu Gast gewesen. Der Clou: Sie bringen ihre eigene Bühne immer selbst mit, denn sie musizieren in einem alten, gelben, amerikanischen Schulbus - inklusive Publikum, das mit in das Gefährt eingepfercht wird.
Das Resultat ist immer gleich: Im Bus ist immer soviel Rambazamba, dass das ganze Fahrzeug auf und ab hüpft, Passanten bleiben mit offenen Mündern stehen, immer mit den gleichen Fragen. Wie halten das die Achsen bloß aus? Und wie die Band, plus tanzender Zuhörerschaft, dieses Getobe auf engstem Raum? Es ist wirklich ein herrlich lustiger Anblick. Wenn die Busgäste wieder entlassen werden, sind sie definitiv um, naja, "eine Erfahrung reicher". Feiern wird hier ganz großgeschrieben. Feststeht, die Bazzookas muss man einfach ganz doll liebhaben - sie sind eine schöne Festivaltradition, und da man Offensichtliches immer schnell als Selbstverständlichkeit hinnimmt, hier diese kleine Huldigung. Daher, haltet doch mal Ausschau nach dem gelben (und lauten und hüpfenden) Schulbus auf dem Festival Village. Und traut euch vielleicht mal rein!
Die Hansemädchen im Festival Village
Der zweite Festivalnachmittag verfliegt, ich lasse mich hier und da berieseln - zum Beispiel vom Bedroom-Indie-Pop von Kids With Buns aus Belgien beim N-JOY Reeperbus. Es nieselt ein wenig, immerhin bleibt's trotzdem warm. Und: Noch kann ich die frische Luft genießen, bevor es später in die Clubs geht. Meine ersten beiden abendlichen Termine sind allerdings noch draußen: Zuerst schaue ich mir die Hansemädchen an. Die hatte ich schon beim Hurricane Festival als Chor von Bosse angesehen und war neugierig geworden. Hier die Infos, die ich mir angelesen habe: Die Hansemädchen sind ein Kiezchor aus Hamburg, einmal in der Woche wird sich in einem Nachtclub auf dem Kiez getroffen, gefeiert und dann drauflosgesungen. Und heute singen die 60 Frauen, begleitet von einer Akustikgitarre, im Hangar des Festival Village. "Hot N Cold" von Katy Perry? "Take On Me" von A-ha? "La Isla Bonita" von Madonna? Alles überhaupt kein Problem für die Hansemädchen, das soll hier vor allem Spaß machen, bei mir funktioniert das, auch wenn ich mit allerlei seltsamen Ohrwürmern zum nächsten Konzert schlurfe.
Das Überraschungskonzert: KIZ
Weit muss ich da gar nicht schlurfen, direkt neben dem Festival Village ist ein Areal vor dem Millerntor-Stadion abgesperrt worden. Am frühen Nachmittag gab es in der Festival-App die Push-Mitteilung, dass K.I.Z. aus Berlin ein Überraschungskonzert spielen würden. Pünktlich um 21 Uhr geht's los, und die drei Rapper geben den glücklichen Fans, die ein extra Einlassbändchen ergattert haben, das, was sie haben wollen: provokant-stumpf-satirische Texte, zum Beispiel "VIP In Der Psychiatrie". Etwa eine halbe Stunde dauert der Auftritt, "Hurra Die Welt Geht Unter" schallt noch ballernd über den Platz, als ich mich auf den Weg zum nächsten Termin mache.
The Last Dinner Party im Uebel & Gefährlich
Im Uebel & Gefährlich im Feldstraßenbunker schaue ich mir als nächstes The Last Dinner Party an. Die Indierock-Band aus London besteht ausschließlich aus Frauen - schade einerseits, dass man so etwas im Jahr 2023 noch als besonderes Merkmal lobend erwähnen muss. Andererseits habe ich in den Reeperbahn Festival-Presseinfos gelesen: "rund 55% weiblicher Anteil im Musikprogramm". Sprich, da tut sich was in Sachen Keychange, ein schöner Gruß also in Richtung Mainstream-Popfestivals. Vielleicht ist eines Tages auch dort etwas in der Form machbar. Zum Konzert: Das ist gut, der Club gut gefüllt, ich hatte die Single "Nothing Matters" auch schon oft bei NDR Blue gespielt, die anderen Songs von The Last Dinner Party gefallen mir auch. Das Einzige, was mich nervt, ist meine steigende Müdigkeit, da kann die Band aber beim besten Willen nichts für.
Das finale Konzert: Schwitzen bei Hannes
Und so marschiere ich wieder aus dem Bunker, über das Heiligengeistfeld, die Reeperbahn entlang, um einen kurzen Abstecher ins Moondoo zu Dominik Hartz zu machen (musikalisch privat nicht meine Tasse Tee, beim Publikum hier kommt's aber gut an).
Wenig später pilgere ich dann aber zu meinem finalen Konzert heute: Das Gruenspan ist eine der schönsten Konzert-Locations in Hamburg, zugleich aber auch legendär schlecht belüftet und selbst im Winter bullig warm. Trotzdem lohnt sich das Schwitzen: Hannes ist ein schwedischer Musiker, von "Stockholmsvy" hatte ich lange einen Ohrwurm, aber auch die anderen Songs gefallen mir. Ein Genre-Etikett will ich auf Anhieb gar nicht verteilen, ich finde es angenehm soulig, jazzig aber auch poppig, mit Bon-Iver-Anleihen, schön verspielt - sprich: Das hat sich gelohnt, ich darf jetzt verdient nach Hause gehen und mich wieder an den Laptop setzen.
Meine Tipps für den Freitag
Die Hälfte des Festivals ist zwar schon rum, ab jetzt wird aber die Schlagzahl deutlich erhöht. Ein paar große Namen stehen an: Am meisten Andrang wird es definitiv bei The Hives und Team Scheisse geben. Ich will versuchen, beide Bands anzuschauen - die bewährten Hives haben sich im letzten Jahr beim Hurricane wieder in meine Erinnerung (und mein Herz!) gespielt, live sind die Schweden echt eine Bank. Team Scheisse aus Bremen hingegen sind ein aktuelles Phänomen mit hervorragenden, genial-lustig-simplen Texten und spielen beim diesjährigen Reeperbahn Festival gleich zweimal. Falls es also Freitag im Knust nichts wird, am Sonnabend tritt die Punkrockband nochmal im Uebel & Gefährlich auf.
Doch es gibt noch mehr: Lena&Linus möchte ich sehr empfehlen, auch wenn ich es wohl zu keiner ihrer Shows schaffen werde. Mit Volker Bertelmann ist um 19.30 Uhr ein frischgebackener Oscar-Preisträger (für "Im Westen Nichts Neues") in der Stadt, hier tritt er als Hauschka auf.
Gleichzeitig gibt es den Londoner Singer-Songwriter Billy Bragg in der Grossen Freiheit 36 oder die Psychedelic-Rock-Pop-Band Temples im Mojo Club. Wer es elektronisch mag, dem kann ich Christian Löffler empfehlen - der tritt ebenfalls in der Grossen Freiheit 36 auf. Ansonsten hatte ich mir noch Easy Easy (Indie-Pop aus Köln) gemerkt, gibt's im Sommersalon. Hier das finale Name-Dropping mit anderen, die ich auch spannend finde: Egyptian Blue, Sprints, Blush Always, Maria Basel, Sophia Blenda.
Fest steht, es gibt mal wieder genügend anzuschauen und zu erleben. Ich freu mich drauf, aber auch ein ganz dolles bisschen, jetzt ein paar Stunden zu schlafen. Sodann: Bis später!