Islands wilde Musikvergangenheit
Am 9. Februar beginnt in der Elbphilharmonie das Into-Iceland Festival. NDR Kultur präsentiert dann Literatur und viel Musik aus dem Land mit der vielfältigen Landschaft und Musikszene. Eine Reportage aus dem Herzen Reykjaviks.
Es ist ein kalter und regnerischer Januartag in Islands Hauptstadt. Halb elf Uhr mittags. Die Sonne geht gerade auf. Langsam schiebt sie sich über Reykjavíks Musikhalle Harpa. Erste Touristen Grüppchen laufen durch die Straßen, die Kamera knipsbereit um den Hals. In Sichtweite der Harpa kurz vor Beginn der Einkaufsstraße sind Schilder für eine unterirdische öffentliche Toilette. Doch die sind durchgestrichen, aus gutem Grund. Hier befindet sich Islands erstes Punkmuseum. Kaum zu übersehen sind auch die am schwarzen Zaun angebrachten, überdimensionierten Pins der Sex Pistols und Sugar Cubes.
Alle kennen Musikmanager "Dr. Gunni"
"Es war etwa zehn Jahre leer. Der Besitzer wollte dann ein Punkmuseum drin haben. Dann fragte er mich und ein paar andere Leute ob wir ein Punkmuseum machen. Und da ist es", erzählt Gunnar Lárus Hjálmarsson, Musikmanager. In Island kennt man ihn eher unter "Dr. Gunni". Der 51-Jährige war früher selbst ein Punk. Später hat er Bücher über die Musikszene der Insel geschrieben. Er kennt alle. Alle kennen ihn. Hjálmarsson freut sich über das besondere Interesse für isländische Musik überall auf der Welt und versucht sich die Besonderheit so zu erklären: "Ich denke, dass das mit dem Naturell der Isländer zusammenhängt. Sie legen einfach los und machen was sie wollen und haben keine Angst Fehler zu machen oder mit anderen zu arbeiten. Es ist eine große Szene - also hauptsächlich das Chaos" (lacht).
Wie die Jahrtausende alten mit Moos bewachsenden Lavafelder, chaotisch und klar zugleich: Diese Landschaft spiegelt sich zum Beispiel in der Musik von Johánn Johánnson, Emiliana Torini oder Olafur Arnalds wieder. Die neue Generation isländischer Musiker steht schon parat. RuGl heißt eine der Bands. Sie besteht aus zwei 15-jährigen Schülerinnen Ragnheiður María Benediktsdóttir und Guðlaug Fríða Helgadóttir. Ihre Musik: leicht wie ein Bachlauf im Hochland und schwebend wie die tanzenden Nordlichter an Islands Nachthimmel.
Bewunderung fürs Punkmuseum
Seit knapp einem Jahr spielen Sie nun zusammen. Haben es aber schon auf das Line-Up des berühmten Iceland Airwaves Festival geschafft: "Wir waren voll geschockt dort spielen zu können, obwohl wir erst 15 Jahre alt sind. Es war unglaublich." Eine erste Platte soll im Sommer folgen. Der alte Musikinsider Hjálmarsson wünscht ihnen alles Gute und lüftet vermutlich gleichzeitig ein bisschen das isländische Erfolgsgeheimnis: "Sie solle raus und immer das tun, wonach sie sich fühlen und schauen was passiert. Einfach das Beste geben - in der Musik." Mittlerweile kommt Leben in das Punkmuseum. Zwei Schwestern aus London haben sich in die kleinen engen Räume verirrt. Holly und Sabi. Mit offenem Mund betrachten sie die beklebten Wände und sind begeistert. "Es ist unglaublich. Man kann es eigentlich gar nicht beschreiben. Sehr individuell. Es ist nichts, was wir in London gefunden haben. Sehr interessant. Viel Stuff."
Sagen's und stülpen sich ein paar Kopfhörer die von der Decke hängen über die Ohren und betrachten die großflächig beklebten Wände - Zeitungsauschnitte, Fotos, Bildschirme mit Musikvideos - vor allem mit Björk. Sie fing auch in einer Punkband an und ist die Ikone der isländischen Popmusik. Nach gut einer Stunde geht es wieder an die Oberfläche. Es ist hell geworden. Der Regen lässt langsam nach. Was bleibt sind Impressionen aus dem breiten Musikleben Islands.