Streetart in Island: Große Kunst auf kleinem Raum
Auf Island wird nicht nur viel geschrieben und komponiert. Mathias Heller hat in Islands Hauptstadt auch jede Menge Streetart entdeckt und ist auf eine sehr lebendige Szene gestoßen.
Auf der Laugavegur, der Haupteinkaufsstraße Reykjaviks, ist viel Bewegung. Touristen schlendern an den Geschäften vorbei, werfen kurze und lange Blicke in die Schaufenster mit Pullovern, Büchern oder Souvenir-Krimskrams. Zwischen zwei Häusern hängt eine windschiefe, mintgrüne Holztür leicht angelehnt. Dahinter versteckt sich ein langgezogener Raum, eine kleine Galerie.
Zwei junge Männer sprühen und pinseln auf Leinwände für eine Ausstellung am Abend. Margeir Dire und Örn Tönsberg. Dire trägt blaue Wollmütze und blauen Overall, Tönsberg eine bekleckste, weinrote Jeans, dazu ein gesprenkelter lila Sweater: "Zuerst hab ich Literatur studiert, dann bin ich zur Kunst gewechselt." Der 34-Jährige ist Streetart Künstler. Er hat viele Hauswände in Reykjavik besprüht - offiziell versteht sich: "Oh ja, eine Menge. An diesem Haus und an dem Haus. Ich hab früher eine Menge Auftragsarbeiten für Restaurants, Bars und Hotels angenommen!"
Schmetterlingsreiten am Hafen
Aber es gibt nicht nur seine Graffitis in der Stadt. Die Schauspielerin, Produzentin und Autorin, Nanna Gunnars, weiß, wo noch mehr zu finden sind - sie kennt sich in der Hauptstadt aus. Die 32-Jährige zeigt am Hafen auf die breite Wand einer Lagerhalle: "Da ist ein kleines Mädchen mit zwei Zöpfen, das irgendwie auf einem Schmetterling reitet. Es ist in lila Tönen gehalten, eine wirklich schöne Farbenkombination aus Grau und Lila und Orange und Rot." Vom Hafen ein paar wenige Straßen Richtung Innenstadt. Schneeweiße Fabrikhallen. An der Wand ein Liebespaar in Schwarzweiß kurz vor dem Kuss - wie aus einem alten Hollywood-Schinken.
Wiedergeburt als Kunstprojekt
Einige Lagerhallen weiter: Die Designerin Karen Briem bespricht sich mit zwei Kolleginnen. Hier soll an einer grasgrünen Wand demnächst wieder eine Installation von ihr hängen: "Das ist eine Wandskulptur, die einen Uterus in Form einer Hängematte zeigt. Anlass war das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts in Island. Man kann in diese Hängematte hochklettern und sich reinlegen. Und da die Skulptur 'Wiedergeburt' heißt, wird man mit einer besseren Haltung wiedergeboren - hoffe ich."
Streetart-Hopping im Schneeregen
Warum so viel künstlerisch derzeit in Island passiert, erklärt sich Nanna Gunnar so: "Ich glaub, wir verstehen uns blendend. Es ist eine sehr kleine Szene. Wir sind alle verbunden. Und wir profitieren davon, zusammenzuarbeiten statt alleine vor sich hin zu puzzeln und zu konkurrieren." Nach vier Stunden Streetart-Hopping durch Islands kalte und regnerische Hauptstadt geht es zurück in die kleine warme Galerie.
Tönsberg und Dire kommen inzwischen langsam zum Ende. Gleich beginnt ihre Vernissage. Viele Freunde haben sich angekündigt, um die Bilder der beiden zu sehen. Für den 31-jährigen Dire ist seine Kunst eine große Freiheit und er liebt die Energie beim Arbeiten "und den Prozess beim Malen, in dem man sich gerne auch verliert."
Verlieren kann man sich aber auch beim Betrachten der unterschiedlichen Stile und Formen der vielen Graffitis in den Straßen und Gassen Raykjaviks.