Als Musiker*in auf die Bühne: Wohin mit dem Kind?
Abends hat die Kita zu: Für Musikerinnen und Musiker ist es deshalb nicht so einfach, den Beruf mit dem Elternsein unter einen Hut zu bekommen.
Proben am Abend, fehlende Planbarkeit und eine Erwartungshaltung von 150 Prozent: Die Situation für Mütter in Bühnenberufen ist schwierig. Das zeigt auch eine aktuelle Studie des Vereins Bühnenmütter, in der die besonderen Belastungen, Bedürfnisse und Herausforderungen von Müttern untersucht wurden, die an Theater- und Opernhäusern arbeiten. Aber auch Väter stehen oft vor Herausforderungen, wenn sie als Musiker Kinder haben.
Diskriminierungsgrund Mutterschaft
45 Prozent der befragten Musikerinnen haben in ihrem Berufsleben aufgrund ihrer Mutterschaft diskriminierendes Verhalten erlebt. Das hat eine Pilotstudie des Vereins Bühnenmütter herausgefunden. An dieser Studie haben 121 Mütter oder werdende Mütter teilgenommen, darunter waren Schauspielerinnen, Sängerinnen, Regisseurinnen und Tänzerinnen. Jede vierte von ihnen gab an, dass ein Vertrag aufgrund ihrer Mutterschaft aufgelöst wurde oder sie aus einer Produktion ausgeschlossen wurden.
Das hat auch Chorsängerin Jenni Reinicke erlebt. Sie hat einen zehn Monate alten Sohn. "Zum Beispiel wurde ich von einem Kollegen für ein Projekt empfohlen und daraufhin hat der Dirigent dann diesen Kollegen, der mich empfohlen hatte, gefragt, wie ich mir das denn mit der familiären Situation vorstellen würde, das könnte doch gar nicht gehen", erinnert sie sich an eine Situation während ihrer Schwangerschaft. "Er hat mich dann auch nicht eingeladen. Dieses Projekt wäre gewesen, wenn das Kind schon über ein Jahr alt ist und man natürlich schon Erfahrungen gesammelt hat. Aber er ist mit mir nicht in Kontakt gegangen."
Kein Wunder, dass deshalb 43 Prozent der Befragten in der Bühnenmütter Pilotstudie in ihrem Musikerinnenberuf nicht offiziell angeben, dass sie Mutter sind, dazu gehört auch Sängerin Annika Bosch. "Ich hab' eigentlich meistens verschwiegen, dass ich ein Kind habe. Ich wusste, dass - wenn ich es sagen würde - daraus Probleme entstehen könnten", sagt Annika Bosch.
Konzertauftritt: Wohin mit dem Kind?
Musikerinnen und Musiker haben häufig abends Konzerte und Auftritte und sind viel unterwegs. Eine Kita hat zu diesen Zeiten in der Regel nicht mehr geöffnet. Also wohin mit dem Kind? Mitnehmen? Zu Hause bei dem Partner oder der Partnerin lassen?
Gar nicht so einfach, findet Raphael Paratore, er hat einen Sohn. "Der Musikeralltag ist alles andere als elternfreundlich, wenn ich auf Tour bin, dann bin ich nicht da, dann bin ich weg", sagt der Cellist. "In der Realität lässt sich das schwer vereinbaren, dass mein Sohn und meine Partnerin mitkommen zu Konzerten. In Einzelfällen ist das möglich und das ist auch wahnsinnig schön, wenn er backstage in der Elbphilharmonie rumtobt. Aber generell ist es schon sehr schwierig."
Die Kinder zum Konzert mitnehmen funktioniert nicht immer, oft finden Auftritte auch mal im Ausland statt. Aber wenn ein Baby noch gestillt werden muss, gibt es gar keine andere Möglichkeit. "Mein Berufsalltag als frisch gebackene Mama in diesem Musikerinnenberuf hat sich wirklich komplett verändert. Zum Beispiel meine komplette Konzertkleidung auf Stillfreundlichkeit umzustellen", sagt Jazzmusikerin Sophie Grobler. "Dinge, die früher eine Minute gedauert haben. Wenn der Anruf kam, kannst du bei dem Konzert dabei sein und man einfach nur sagte: bin dabei. Das dauert natürlich jetzt viel länger, weil man immer erst mal gucken muss, wer ist da um mein Kind zu betreuen."
Wenn sie ein Konzert oder einen Soundcheck unterbrechen musste, um hinter die Bühne zu ihrem Partner zu gehen, um das schreiende Baby zu stillen, gab es viel Unverständnis und Augenrollen. Sie glaubt, es liege daran, dass es in der Branche einfach zu wenig Frauen gibt, die ihre Situation verstehen könnten.
Kinderbetreuung in der Bühne
Thomas Cornelius ist Vater von zwei Kindern, Dirigent, Komponist und Organist und hat deshalb einige Verbesserungsvorschläge, damit Familie und der Musiker*innen-Beruf besser vereinbar sein könnte. "Es wäre schon cool, wenn es die Möglichkeit gäbe, dass man eben Zeiten außerhalb betreut bekäme. Oder eine Kita mit Gleitzeit zum Beispiel - mit flexiblen Zeiten, wo es selbstverständlich wäre, das man vielleicht auch mal eine Abendsession für die Kinder hätte", sagt Thomas Cornelius. "Das ist wahrscheinlich schwierig in einer Kita zu organisieren. Vielleicht wäre das auch etwas für die Arbeitgeber, bei den Konzerthäusern, bei den Rundfunkanstalten oder bei den Theatern."
Wenn Sie mehr über die Vereinbarkeit von Musiker*innen mit Kindern erfahren wollen, dann klicken Sie doch mal auf unseren neuen NDR Kultur Instagramkanal "Matsch & Muse". Er richtet sich ganz speziell an Eltern und an Familien mit Kindern. Er ist aber auch für jeden anderen interessant, der keine Kinder hat.