Ana Dimke erforscht die Beziehung zwischen Mensch und Tier
Die Kunsttheoretikerin Ana Dimke ist Präsidentin der HBK Braunschweig. Bei NDR Kultur à la carte spricht über Kunst, Design, Lehre und einzigartige Studiengänge. Außerdem erinnert sie sich an ihre Studienzeit an der HBK Braunschweig.
Vor 60 Jahren wurde die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK) gegründet. Ihre Geschichte geht zurück auf Johann Carl Kahnt, der 1789 von Herzog Karl Wilhelm Ferdinand beauftragt wurde, ein architektonisch-technisches Zeicheninstitut zu errichten. Heute sind an der HBK Braunschweig rund 1.000 Studentinnen und Studenten eingeschrieben, studieren Fächer von Kunst- und Medienwissenschaft über Designforschung, Performative Praxis bis Visuelle Kommunikation.
Die 1967 in Hannover geborene Ana Dimke wurde an der HBK Braunschweig über Marcel Duchamps promoviert. Im Blick hatte sie dabei seine Künstlertheorie als Vermittlung von Kunst. Seitdem hat sie an verschiedenen Universitäten wie Weimar, Berlin und Leipzig gelehrt, bis sie 2022 zur Präsidentin der HBK gewählt wurde und wieder nach Braunschweig kam.
Sie sind 1967 in Hannover geboren und ein paar Kilometer weiter östlich im kleinen Städtchen Lehrte aufgewachsen. Studiert haben Sie in den 1990er-Jahren in Braunschweig, und zwar unter anderem an der Hochschule für Bildende Künste, die Sie jetzt als Präsidentin leiten. Wie fühlt sich das an? Müssen Sie sich manchmal die Augen reiben, wenn Sie über die Flure gehen?
Ana Dimke: Ja, sicherlich. Es fühlt sich im guten Sinne merkwürdig an. Es ist dort viel Bemerkenswertes passiert. Die Hochschule ist mir wirklich sehr vertraut und ich habe dort eine sehr schöne, intensive Studienzeit genossen, mit viel politischem Engagement und auch intensiver künstlerischer Arbeit. Ich kehre gerne zurück, aber es hat etwas von einem Déjà-vu, und ich muss darauf achten, dass sich die Bilder nicht zu sehr überlagern. Die neuen Eindrücke sind natürlich viel präsenter. Man kann vergleichen, aber sollte nicht zu sehr zurück, 30 Jahre ist es jetzt her. Es geht mir vor allen Dingen darum, die neue Studierendenschaft wahrzunehmen. Auch die Veränderungen und das Kollegium sind natürlich auch ganz anders.
Sie haben eben gesagt, es hat sich viel verändert. Ist es eher hinderlich, wenn man schon mal an der Hochschule war, oder ist es gut?
Dimke: Es ist nicht hinderlich. Es ist eher gut, im Sinne eines tieferen Verständnisses. Denn man genießt einen gewissen Vertrauensvorschuss, von den Studierenden bis hin zur Stadt Hannover, wo mir gesagt wird, man muss mir nichts erklären, ich würde alles kennen.
Es gibt eine Reihe eher ungewöhnlicher Studienschwerpunkte, die man bei Ihnen belegen kann, zum Beispiel Klangkunst, Experimentalfilm und Darstellendes Spiel. Studiengänge, die sich tatsächlich nicht überall studieren lassen. Wie wichtig sind solche Nischen?
Dimke: Ich würde die gar nicht so sehr als Nischen bezeichnen, sondern eher als Erweiterung. Weil das natürlich ein sehr dynamisches Prinzip ist. Wenn wir jemanden aufnehmen, der sich für freie und bildende Kunst interessiert, dann gibt es natürlich danach noch mal Entwicklungsprozesse. In den Grundklassen wird genauer geschaut, da gibt es sehr viel Förderung und Unterstützung. Es gibt sicherlich solche Studierenden oder Interessierte, die sagen, ich will unbedingt Klangkunst studieren, die wissen sehr zielgenau, was sie wollen, aber häufig entwickelt es sich auch erst mit dem Eintritt in das Studium. Viele kommen vom Zeichnen und von der Malerei oder von der Fotografie und dann haben wir dieses Angebot. Von daher ist es keine Nische, sondern es gehört insgesamt zum Spektrum der Hochschule, wo man auch unterschiedliche Erfahrungen machen kann. Gerade Experimentalfilm ist schon ein Alleinstellungsmerkmal, sehr stark ausgeprägt durch, die leider kürzlich verstorbene, Birgit Hein, aber auch Gerhard Büttenbender und Michael Brynntrup prägen das Profil sehr stark.
Sie selbst haben ein ziemlich exotisches Forschungsgebiet. Das sind nämlich die Human Animal Studies. Was ist das?
Dimke: Das ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, was sich damit auseinandersetzt, wie die Mensch-Tier-Beziehungen sind und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Wie begegnen uns Tiere, zum Beispiel in der Malerei. Da ist es klar, wenn man sich umschaut, die Welt ist voller Tierdarstellungen, das geht bis zur Höhlenmalerei zurück. Die ersten Darstellungen des Menschen waren damals tierische Zeitgenossen. Es geht aber auch noch etwas weiter, dass man ethische Fragen stellt. Wie können wir mit anderen Tieren zusammenleben? Dort gibt es dann auch die Formulierung nicht menschliche Tiere und das Bewusstsein: Wir sind eben auch eins und uns gehört eben nicht alles. Das Ganze mündet in einer Art Anthropozentrismus-Kritik. Das hat pädagogische Auswirkungen und natürlich philosophische Fragen, die man bis in die Antike zurückführen kann. Es gibt ganz viele Stränge. Wenn man einmal mit diesem Gebiet angefangen hat, selbst sich auf bildende Kunst spezialisiert, dann weitet sich das in ganz vielen Facetten aus. Es geht tatsächlich um die Frage, welche Rechte sollten Tiere haben? Wie kriegen wir ein ausgewogenes Verhältnis miteinander hin, wo das Leben für alle, die auf dem Planeten sind, lebenswert ist.
Das Gespräch führte Janek Wiechers.