"Survival in the 21st Century": Irritierende Ausstellung ums Überleben
Klima, Kriege, Katastrophe. Die Probleme, in denen wir stecken, sind gewaltig. Welchen Beitrag kann die Kunst dabei leisten? Sie kann eingefahrene Sichtweisen aufbrechen, um Raum für neue Ideen zu schaffen - das will die Ausstellung "Survival in the 21st Century" zeigen. Doch ein israelfeindliches Kunstwerk sorgt für viel Kritik an den Ausstellungsmachern.
Unter der hohen Decke schweben Riesenquallen aus zartem, farbig-transparentem, recyceltem Material, als wollten sie davor warnen, die Ozeane zu zerstören. Eine Fotoserie beschäftigt sich mit Migranten in Paris: Ihr Wohnkomplex wurde gerade abgerissen - für die Olympischen Spiele. Und den meterhohen Nachbau des vom IS zerstörten Tempels in Palmyra verbinden die Ausstellungsmacher mit der Frage, was eigentlich der Begriff "Zivilisation" meint, der von Politikern so gern und immer anders genutzt wird.
"Es geht einfach darum, den Raum des Museums zu nutzen, um Lernen zu ermöglichen, im demokratischen-emanzipatorischen Sinn", erklärt Kurator Georg Diez. "Die Kunstwerke sind der Rahmen, in dem die Probleme vielleicht am besten zu sehen sind." Jede Arbeit haben die Ausstellungsmacher verbunden mit einer Frage und einem kurzen Text, der eingefahrene Sichtweisen aufbrechen will, um Raum zu schaffen für neue Ideen. So geht es um Kolonialismus, um Ausbeutung und um die Frage, wie sich Wissen, Forschung und Maschinen zum Nutzen aller einsetzen lassen.
Fragen nach Verbindung von Forschung und Nutzen für alle
Die chinesische Künstlerin Cao Fei zeigt, wie das aussehen könnte: Sie verbindet Szenen aus einer vollautomatisierten Sortieranlage mit solchen aus einer leeren Werkhalle, in der Menschen - befreit von der Maschinenarbeit - tanzen. "Das sollte eine optimistische Ausstellung sein, im Gestus zumindest, im Erleben - nicht in den Themen", so der Kurator. "Aber ich glaube, die Künstler in der Ausstellung verbindet schon auch, dass sie eben massiv politisch denken, aber offen handeln und eine Öffnung zu den Möglichkeiten suchen, die sich bieten."
Wie Andrea Bowers. Die US-amerikanische Künstlerin zeigt in einem Film, wie junge Leute auf dem Weg zu einem nationalen Treffen queerer Menschen erstmals Gemeinschaft erleben und Widerstand lernen.
Fehlen von Künstlerkollektive aus Afrika oder Asien macht sprachlos
Ausstellungen wie diese, die aufklären und zum Eingreifen ermuntern wollen, sind wichtig. Irritierend allerdings ist, dass die Hamburger Kuratoren die Frage nach dem Überleben im 21. Jahrhundert als rein weiße Angelegenheit betrachten: Die überragende Mehrzahl der ausgewählten Künstler und Künstlerinnen ist weiß, lebt in Europa, den USA und Kanada. Künstler aus Afrika oder Südostasien fehlen völlig. Die Regionen also, in den Menschen angesichts der Klimakatastrophe schon lange ums Überleben kämpfen müssen. Kurator Nicolaus Schafhausen sagt dazu: "Wir sind bei der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler nicht geopolitisch vorgegangen. Es sind Leerstellen, die wir nicht lösen können in diesem Produkt als thematische Ausstellung. Ich glaube, da müsste man andere Kuratorinnen und Kuratoren einladen, die tatsächlich eine bessere Innenkenntnis haben, als wir überhaupt haben könnten." Eine merkwürdige Erklärung. Aktivistische KünstlerInnen und Künstlerkollektive aus Afrika oder Asien werden seit Jahren auch in Europa ausgestellt. Dass die Kuratoren dennoch meinen, auf deren Überlebensstrategien, auf ihr Wissen und ihre Kunst verzichten zu können, macht sprachlos.
Israelfeindliches Kunstwerk sorgt für Diskussionen
Für viel Kritik sorgt auch die Installation "Dexter and Sinister" des US-Künstler Kollektivs New Red Order, das die Unterdrückung indigener Völker in den USA thematisiert. Ein Baum und ein Biber unterhalten sich darüber, wie koloniale Machtstrukturen den Zugang zu natürlichen Ressourcen beeinflussen. Daneben hängt so etwas wie ein Warnschild in Rot mit weißer Schrift. Darauf ein Text, der den Mord an den Indigenen in den USA, die Shoah in Nazi-Deutschland und das Vorgehen Israels von heute in eine Reihe stellt. Israel wird einseitig die Schuld an der Situation gegeben - von Hamas, Terror und Judenhass kein Wort. Neben dem Werk hängt ein Schild der Deichtorhallen: "Die Leitung der Deichtorhallen sowie die Kuratoren der Ausstellung distanzieren sich ausdrücklich von den Inhalten und Aussagen der Künstler im Textteil ihrer präsentierten Arbeiten - auch wenn die Grundsätze der Kunstfreiheit gelten." Warum man es dann dennoch in der Ausstellung zeigt? Man habe mit dem Künstlerkollektiv lange Gespräche geführt und sich am Ende dazu entschlossen, diesen Text als Teil des Kunstwerks zu sehen. Es gelte die Kunstfreiheit. Es gebe eben nicht die eine richtige Meinung und man wolle mit dem Exponat notwendige Diskussionen anregen.
"Survival in the 21st Century": Irritierende Ausstellung ums Überleben
Die Ausstellung "Survival in the 21st Century" will eingefahrene Sichtweisen künstlerisch aufbrechen, um Raum für neue Ideen zu schaffen.
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Deichtorhallen
Deichtorstraße 1-2
20095 Hamburg