Ausstellung in Hamburg: Zwischen Liebes-Eiche und Dating-Apps
Die Künstlerin Malin Dorn hat in den Räumen des Hamburger Kunstvereins Gastgarten die Eutiner Bräutigamseiche in den Mittelpunkt gestellt. In ihrer Ausstellung "I'll keep on writing love letters" geht es um das (nicht) Finden von Liebe in digitalen Apps und auf analogem Weg.
Überall auf dem Boden liegen dunkel, fast schwarz gefärbte Eicheln verteilt. Folgen die Besucher*innen der Eichelspur, gelangen sie zu den Ausstellungsstücken, in deren Mittelpunkt ein abstrahierter 3D-Druck der Eutiner Bräutigamseiche steht, oder eher ein Ausschnitt der Eiche, nämlich ein Astloch. Es ist ein besonderes Astloch, das Eutiner Original hat sogar eine eigene Postleitzahl. Von diesem Original hängt in der Ausstellung ein Foto. Es sieht auf dem ersten Blick unscheinbar aus, wie ein normales Loch in einem Baum. Doch dieses Astloch ist ein offizieller Briefkasten, oder eher ein Postfach, denn Menschen, die auf der Suche nach Liebe sind, werfen hier nicht unbedingt Briefe ein, sie schreiben welche an den Baum - und Postboten liefern sie ab.
Eiche als analoge Dating-Plattform
Die Bräutigamseiche ist so etwas wie eine analoge Dating-Plattform. Singles stellen sich und ihre Wünsche in einem Brief vor, andere Singles gehen zu dem Baum und hoffen, dass jemand dabei ist, der zu ihnen passt. Das Briefgeheimnis wurde dafür sogar extra an dieser Stelle aufgehoben. Es sind wohl schon Ehen aus der Baum-Liebe hervorgegangen, erzählt Malin Dorn. Die Eiche hat die Künstlerin fasziniert. "Eine Tinder-Bekanntschaft hat mir von der Bräutigamseiche erzählt, er hat mich danach geghostet, aber den Baum habe ich durch ihn kennengelernt. So ist daraus zumindest etwas Gutes entstanden."
Hindernisse erschweren die Suche nach Liebe
An der Eutiner Bräutigamseiche lehnt eine Leiter, die zu dem Astloch führt, auch zur der Baum-Replik im Hamburger Ausstellungsraum führt eine Leiter. Sie ist wie eine weitere kleine Hürde, die Liebessuchende überwinden müssen auf dem Weg zu ihrer vermeintlich großen Liebe.
So romantisch es klingt, die Realität hat weitere Hindernisse eingebaut: Regen, der die Briefe in dem Baum durchnässt und nichts als Papiermatsch hinterlässt. Außerdem die geringe Wahrscheinlichkeit, dass wirklich jemand Passendes zufällig zur richtigen Zeit dem Baum geschrieben hat und das perfekte Match den Brief dann liest. Warum machen sich Menschen trotzdem die Mühe und schreiben seitenlange Briefe? Sie wollen sich verlieben, schreibt die 31-jährige Künstlerin in einem zur Ausstellung gedruckten Essay. "Es steckt etwas sehr Rührendes in der Geste des Briefeschreibens: die Personen, (…), haben sich hingesetzt, sich Zeit genommen und genau nachgedacht, was sie sich wünschen. Außerdem offenbaren sie in den Briefen, was sie selbst mitbringen."
Sind Dating-Apps die bessere Alternative?
Etwas anderes dagegen seien digitale Dating-Plattformen, sie seien auf die wichtigsten Fakten und Informationen beschränkt. Und dennoch: In kürzerer Zeit können viel mehr potenzielle Lebenspartner erreicht werden - und ein Algorithmus ist vermeintlich darauf ausgelegt, das perfekte Gegenüber zu finden.
Sind Dating-Apps also doch die bessere Alternative? Künstlerin Malin Dorn bezweifelt es. Ihre eigenen negativen Erfahrungen hat sie in einem sehr kurzen Film festgehalten, der in Dauerschleife läuft: zusammengeknülltes Papier liegt und rollt über den Boden. Darauf sind, nur fragmentarisch, echte Nachrichten zu lesen, die sie auf Tinder, OkCupid etc bekommen hat. "Es sind Nachrichten, auf die ich lieber nicht antworten wollte, die zum Beispiel körperliche Merkmale von mir fast schon beleidigend kommentiert haben - oder die einfach grenzüberschreitend waren", sagt die aus Kiel stammende Künstlerin.
Malin Dorn geht es in ihrer Ausstellung nicht um eine Bewertung, wie Singles nach Liebe suchen, sondern darum, zwei extreme Pole gegenüberzustellen. "Ich fand es spannend, mir anzuschauen, wie die Partner*innen-Suche abläuft und wie Menschen sich verlieben."
Ausstellung mit Anflug von Hoffnungslosigkeit
Die Ausstellung hinterlässt einen Anflug von Hoffnungslosigkeit. Wenn nicht zwar viel kritisierte, aber dennoch oft genutzte Dating-Apps bei der Liebessuche helfen und die Eutiner Eiche mehr eine romantische Geschichte ist als hilfreich: Wie finden wir Liebe? Darauf will Malin Dorns Kunst keine Antwort geben, die Frage treibt einen dennoch nach dem Besuch um. Vielleicht ist es am Ende der Titel der Ausstellung, der eine Lösung bietet: "I’ll keep on writing love letters" - die Liebe nicht aufgeben, und immer weitermachen. Die Ausstellung im Kunstverein Gastgarten findet noch bis zum 26. Januar statt. Sie endet mit einem Künstlerinnengespräch und kollektiven Briefeschreiben.