Kommentar: Die Moderne, traditionelles Bauen und die AfD
Das Bauhaus in Dessau ist ein zentraler Ort der modernen Architektur. Im kommenden Jahr steht das 100-jährige Jubiläum an. Die AfD in Sachsen-Anhalt nimmt das zum Anlass, das Bauhaus zu attackieren. Ein Kommentar von Mischa Kreiskott.
So kommt es, wenn Populisten die Agenda bestimmen dürfen: Landtage, Zeitungen, Radio- und Fernsehsender, alle dürfen oder müssen nun über diese völlig unsinnige Eingabe schreiben und sprechen. Sogar die Bauhaus-Stiftung Dessau hat schon reagiert, mit einem mehrseitigen Essay, in dem sie sich mit der Moderne an sich und der Bauhaus-Bewegung im Besonderen auseinandersetzt.
Es gehe den aktivistischen Abgeordneten darum, eine "einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes zu verhindern". Viele der Gebäude im Bauhaus-Stil gälten heute als Bausünden und stünden für eine "menschenfeindliche Architektur". Der Magdeburger Fraktionschef besagter Partei nennt auch gleich die Architektur, die er bevorzugt: Die gründerzeitliche - ja, die mit den schönen hohen Decken und dem Stuck. So wollen alle wohnen, Herr K., auch in Köln, Berlin und Hamburg, nicht nur Sie in Magdeburg.
"Es geht nicht um die billigen Kopien"
Aber waren nicht gerade die Neubauten der Kaiserzeit billige Gips-Imitate der preußischen Herrenhäuser? Massenproduzierte Abgüsse, Miniaturschlösschen als frühes Zeugnis industrialisierten Bauens? Liegt hier nicht der eigentliche Ursprung der besagten "Entmenschlichung" der Architektur? Nein! Um die "regionalen Eigenheiten" traditionellen Bauens abzubilden, wie besagte Partei es fordert, müssen wir schon früher ansetzen. Es geht nicht um die billigen Kopien. Jeder Deutsche sollte in einem Schloss wohnen dürfen! Tore auf, Neuschwanstein, Sanssouci und Schloss Schwerin, jetzt sind wir dran!
Wobei … stehen nicht gerade jene Bauten des europäischen Adels für eine frühe Form der Globalisierung? Standardisiert multikultureller Prunk und Protz? Zeugnisse einer völlig entgrenzten Heiratspolitik? Vielleicht sind es ja die Fachwerkhäuser, die reetgedeckten Höfe oder Hütten von Haithabu? Wo ist bloß das Original, wann war sie genau, die "gute alte Zeit", in die Sie sich immer wieder zurückwünschen, liebe Magdeburger Bauhaus-Protestierende?
Vielleicht finden Sie das ja heraus, am Freitag im Landtag bei der wichtigen Debatte zum Thema "Sinn und Unsinn der Moderne". Bis dahin: Danke für den Antrag. Gut, dass wir endlich darüber gesprochen haben.
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