"Tár": Cate Blanchett brilliert als eiskalte Dirigentin
Todd Fields Drama "Tár" war bei den Oscars sechs Mal nominiert, ging jedoch leer aus. Cate Blanchett spielt eine eiskalte Dirigentin, die mit ihrem Spitzenorchester für eine Live-Aufnahme probt.
"Wenn sie hier im Saal sind, wissen sie schon wer sie ist. Lydia Tár ist vieles." Filmszene
Besser kann man eine Figur nicht einführen. Und besser, als Todd Field in "Tár" die titelgebende Hauptfigur beschreiben lässt, geht es nicht. Lydia Tár ist nicht nur vieles, sie scheint alles zu sein. Alles, was man in der klassischen Musik erreichen kann.
Cate Blanchett spielt eine fiktive Figur, die sich echt anfühlt. Eine Frau, die es bis an die Spitze der klassischen Musik geschafft hat, durch harte Arbeit, Disziplin, Verzicht. Aber auch durch Kalkül, durch Ellenbogen und Machtmissbrauch. Verheiratet mit ihrer ersten Geigerin Sharon (Nina Hoss), mit der sie eine gemeinsame Tochter hat, ist sie gerade dabei, die fünfte Sinfonie von Mahler mit ihrem Orchester einzuspielen - und hätte damit als erste überhaupt alles von Mahler vertont.
Intensive Schauspielleistung von Cate Blanchett
Doch das perfekte Leben bekommt Risse: Eine ehemalige Assistentin nimmt sich das Leben und erhebt vorher noch schwere Anschuldigungen gegen Lydia. Zudem geht ein Video viral, in dem sie sich weigert zu gendern und einen Studenten fertig macht.
Lydia Tár ist eine ambivalente Figur, Opfer und Täterin zugleich - für Cate Blanchett macht genau das den Reiz aus: "Das wird ja oft bei weiblichen Figuren gefragt, ob man sie mag oder nicht, ob man sie attraktiv findet oder nicht. Als ich im Filmgeschäft anfing, ging es nur darum. Und heute reden wir immer noch darüber. Ich habe diese Frau nicht als Rolle gesehen, sondern als einen Satz aus einer Mahler-Sinfonie, als eine Krise, die Menschen durchmachen. Das ist ein bisschen wie ein Rorschachtest. Es geht nicht darum, ob ich eine Figur mag oder nicht. Du musst verstehen, warum sie so ist."
Blanchett versteht Lydia Tár und spielt sie wahnsinnig intensiv, gerade in den Konzertszenen, in denen sie das Orchester dirigert: Sie spielt verbissen, hart - und mal absolut verletzlich.
Cate Blanchett über "Tár": "Es hat mich aufgezehrt"
Todd Field hat die Rolle nur für Blanchett geschrieben - hätte sie nein gesagt, hätte er das Drehbuch verworfen. Für sie war es die größte Herausforderung ihrer Karriere: "Ich wurde davon völlig absorbiert. Ich hatte keinen Raum mehr für irgendwas anderes. Es hat mich aufgezehrt. Nicht nur die Aufgabe, die Rolle zu spielen. Auch die Fragen, die der Film aufwirft. Auf die ich keine Antwort habe, aber mit denen ich mich auseinandergesetzt habe. Und über die ich immer noch nachdenke. Aber ich habe in Todd schon seit langem eine verwandte Seele, und in Nina jetzt auch. Man kann herausgefordert werden. Aber wenn man sich gegenseitig fordert, ist das berauschend."
"Tár" ist ein Film, der von der ersten bis zur letzten Minute durchkomponiert und durchchoreografiert ist, mit kühlen Bildern und einem elliptischen Erzählrhythmus. Ein Film, der verstört und gerade deswegen ein Meisterwerk ist. Ein Film, so bildgewaltig und übergroß, wie es ihn nur alle paar Jahre geben kann.
Tár
- Genre:
- Musikdrama
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- USA
- Zusatzinfo:
- Mit Cate Blanchett, Nina Hoss, Noémie Merlant u.a.
- Regie:
- Todd Field
- Länge:
- 158 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- ab 2. März 2023