"Sonntagskind": Doku über Schriftstellerin Helga Schubert

Stand: 03.10.2024 13:00 Uhr

Helga Schubert, gefeierte Autorin und Bachmann-Preisträgerin, ist am 1. Oktober mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Die Doku "Sonntagskind" des NDR porträtiert sie als starke und liebenswerte Frau - zu sehen in der ARD Mediathek.

von Axel Seitz

In den vergangenen Jahren hat Helga Schubert mit den Büchern "Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten" 2021 und "Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe" 2023 sowie mit ihrer persönlichen Annäherung an ihren Lieblingsschriftsteller in "Helga Schubert über Anton Tschechow" für Aufsehen gesorgt. Nun hat Regisseur Jörg Herrmann einen Film über die Autorin gedreht. Am 18. November feiert "Sonntagskind. Die Schriftstellerin Helga Schubert" auf dem Kasseler Dokfest ein Dokumentarfilm über die Schriftstellerin seine Weltpremiere.

Ich bin jetzt 82 Jahre, bin sehr schreiberfahren und brauche das Schreiben aber immer noch sehr. Weil ich jetzt einfach kleine Kunstwerke schaffen will. Und die müssen meinen Ansprüchen an Literatur entsprechen. Nichts darf zufällig sein. Ausschnitt aus "Sonntagskind"

Im Mittelpunkt des Films "Sonntagskind" steht eine lebensbejahende, taffe, selbstbewusste Frau jenseits der 80. Der Rostocker Regisseur Jörg Herrmann hat Helga Schubert 2022 knapp acht Monate lang mit der Kamera begleitet:

Die Schriftstellerin Helga Schubert sitzt auf einer Mauer vor einer Villa. © déjà-vu film
Die 83-jährige Helga Schubert lebt zwischen Wismar und Schwerin. Für "Sonntagskind" durfte sie Regisseur Jörg Herrmann mehrere Monate mit der Kamera begleiten.

"Sie ist eine offene Frau, erzählt gern und erzählt auch viel. Sie hat immer viel zu erzählen. Das macht sie sehr eloquent. Da ist eher das Problem, den Redefluss zu stoppen, damit ich auch zu den Fragen, die ich dann tatsächlich im Film beantwortet haben wollte, auch die Antworten bekomme", berichtet Jörg Herrmann über die Arbeit mit der Schriftstellerin.

Sarah Kirsch ermutigt Helga Schubert zum Schreiben

Und so erfährt der Zuschauer beispielsweise, wie Helga Schubert, die zunächst als Psychologin in Berlin arbeitete, mit der Hilfe der Schriftstellerin Sarah Kirsch zum Schreiben kam:

Sarah Kirsch fragte, haben Sie eine Telefonnummer, und dann hat sie mich am Abend angerufen und hat gesagt: Ich wollte Ihnen mal sagen, es ist für sie verlorene Zeit, an einem Zirkel teilzunehmen. Wenn sie davon noch mehr haben, dann bringe ich das zum Aufbau Verlag. Also hat sie es zu ihrem Lektor gebracht, Wolfgang Trampe. Und er hat gesagt ja, aber nur, wenn sie das Nachwort schreiben zu ihr. Und dann hat sie gesagt: Ja, das mache ich. Und dann ist dieses erste Buch "Lauter Leben" entstanden. 1975 ist das gewesen. Ja, es war für mich eine sehr große Ermutigung durch die Sarah Kirsch. Ausschnitt aus "Sonntagskind"

"Das verbotene Zimmer" erscheint nur in der BRD

Es folgten unter anderem Kinderbücher und das Szenarium zum DEFA-Film "Die Beunruhigung". Hier verarbeitet Helga Schubert ihre eigene Krebserkrankung in dem Spielfilm von 1982 mit Christine Schorn in der Hauptrolle. Dann kam das Buch "Das verbotene Zimmer" - das durfte allerdings nicht in der DDR erscheinen:

Wir hatten ja seit 1975 hier schon dieses Haus. Das hatte uns ja Christa Wolf vermittelt. Und da war ihre Lektorin da, ihre Lektorin im Luchterhand Verlag, und die hörte das. Die kam hier rüber zu mir und sagte, ich lese das halt durch und sie hat gesagt ja, das findet sie gut, dieses Buch. Wenn Sie das auf irgendeine Weise offiziell schaffen, dass sie von der DDR offiziell die Erlaubnis bekommen, dann machen wir das Buch bei Luchterhand. Das Urheberrechtsbüro, mit dem konnte man handeln. Die haben gesagt gut, dann werden Sie die erste Schriftstellerin sein, die nur die Westrechte verkauft. Dann kriegen wir die Devisen. Sie kriegen es eins zu eins in die DDR-Währung, und dann machen sie sich nicht strafbar. Und dann dürfen Sie auch eine Lesereise machen. Ausschnitt aus "Sonntagskind"

Ausgiebige Telefonate mit Regisseur Jörg Herrmann

Regisseur Jörg Herrmann lässt Helga Schubert in ruhiger Erzählweise ihr Leben Revue passieren. Bevor die Kamera lief, gab es zwischen beiden ausführliche Telefonate: "Da haben wir jede Woche immer am Freitag ein Telefongespräch gemacht. Das Gespräch dauerte in der Regel zwischen anderthalb und zweieinhalb Stunden. Von daher hatte ich von ihr tatsächlich sehr viele Informationen und wusste relativ gut Bescheid über das, was sie erzählen möchte. Da konnte ich sehr gut das Drehbuch erarbeiten. Dementsprechend war ich bei den richtigen Dreharbeiten gut vorbereitet, sodass ich wusste, wonach ich dann noch mal nachfragen muss", erzählt Herrmann.

Weitere Informationen
Helga Schubert © Screenshot
3 Min

"Der heutige Tag" - neues Buch von Helga Schubert

Die Schriftstellerin hat ein sehr persönliches Buch darüber geschrieben, wie es ist, den eigenen Mann zu pflegen. 3 Min

Ehemann und Sohn kommen im Film zu Wort

Helga Schubert prägt diesen Film. Aber auch ihr Ehemann, den sie zu Hause in Neu Meteln bei Schwerin pflegt, und ihr Sohn kommen zu Wort. Auch wichtige Wegbegleiter wie der inzwischen verstorbenen Kameramann Thomas Plenert, der SPD-Politiker Markus Meckel und die Literaturkritikerin Insa Wilke, die Helga Schubert 2020 zum Ingeborg-Bachmann-Literaturwettbewerb eingeladen hatte, erzählen im Film über die Autorin.

Filmtitel "Sonntagskind" stammt von Helga Schubert

Die Schriftstellerin Helga Schubert und ihr Mann sitzen im Wohnzimmer. © déjà-vu film
Helga Schubert ist mit dem 95-jährigen ehemaligen Psychologieprofessor und Maler Johannes Helm verheiratet.

Die Anregung für den Filmtitel kam, so Jörg Herrmann, ganz zum Schluss und von Helga Schubert selbst: "Der Titel kam zum Schluss. Das war tatsächlich schwierig. Der kam tatsächlich letztendlich auch auf Anregung von ihr. Da hatte sie mehrere Vorschläge gemacht und unter anderem auch "Das Sonntagskind". Ich hätte sonst wahrscheinlich einen anderen Titel gemacht. Aber zum einen muss der Titel auch ein Publikum ins Kino holen, das nur den Titel liest und ansonsten nichts weiß. Zweitens soll er mit dem Film auch was zu tun haben. Das passte beides ganz gut, glaube ich", meint der Regisseur.

"Sonntagskind" ist ein beglückendes Porträt über eine starke, liebenswerte Frau, einen Familienmensch, eine leidenschaftliche Schreiberin - eine filmische Liebeserklärung an Helga Schubert.

Weitere Informationen
Helga Schubert in ihrem Arbeitszimmer. © NDR/RABAUKE Filmproduktion

Sonntagskind - Das Leben der Helga Schubert

Die Autorin Helga Schubert hat viel erlebt: Von Preisen und Ehrungen zu Widerständen und Ablehnung, vor der Wende - und danach. mehr

Helga Schubert im Porträt © picture alliance/dpa | Frank Hormann Foto: Frank Hormann

Autorin Helga Schubert mit Bundesverdienstkreuz geehrt

Die Schriftstellerin und Psychologin Helga Schubert hat für ihre "gelebten Werte der Demokratie" das Bundesverdienstkreuz erhalten. mehr

Helga Schubert © Screenshot

Autorin Helga Schubert: "Deutschland ist eine große Demokratie"

Schubert hat am 1. Oktober das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Ein Besuch bei der Schriftstellerin in Neu Meteln bei Schwerin. mehr

Eine Tasse Kaffee, ein Kuchen und ein Buch sind nebeneinander arrangiert. © NDR

eat.READ.sleep. (89): Westkuchen mit Helga Schubert

Bestsellerautorin Helga Schubert ist zu Gast und schwärmt vom frühen Leseglück und einem russischen Kutscher. mehr

Cover von Helga Schubert: "Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe". © dtv
5 Min

Den eigenen Mann pflegen - Das neue Buch von Helga Schubert

Was bedeutet es, den geliebten Partner zu pflegen? Helga Schubert hat mit "Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe" ein sehr persönliches Buch geschrieben. 5 Min

Cover von Helga Schubert: "Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe". © dtv

NDR Buch des Monats März: "Der heutige Tag" von Helga Schubert

In ihrem neuen Buch erzählt die 83-jährige Helga Schubert von der Altersliebe. Und das hat man so noch nie gelesen. mehr

Sonntagskind - Die Schriftstellerin Helga Schubert

Genre:
Dokumentation
Produktionsjahr:
2023
Produktionsland:
Deutschland
Regie:
Jörg Herrmann
Länge:
92 min
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
11.01.2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 17.11.2023 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Porträt

Biografie

Romane

Spielfilm

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Jeano Elong hält die Hände hoch und blickt Richtung Kamera. © Screenshot

Jeano Elong: Von Kamerun nach Hamburg - Afropop mit Botschaft

Nach einer Odyssee ist der Sänger vor einigen Jahren in Hamburg gelandet. Jetzt hat er sein Album "Jâbeâ" veröffentlicht. mehr