"Die Ermittlung": Das Grauen von Auschwitz vor Gericht
Arte und die ARD Mediathek zeigen zum Holocaust-Gedenktag "Die Ermittlung" nach dem Theaterstück von Peter Weiss. Im Fernsehen als abendfüllenden Spielfilm (ab 21.45 Uhr auf Arte) und in der ARD Mediathek als Serie in elf Episoden.
Es brauchte für diesen Holocaust-Film keine historischen Kulissen, nur ein Fernseh-Studio. Mit wenigen Requisiten ließ Regisseur RP Kahl es zum "Gerichtssaal" umgestalten. Auf einer Tribüne sitzen 18 Angeklagte, die sich im ersten Ausschwitzprozess in Frankfurt 1963 bis 1965 als Mitschuldige am Massenmord verantworten müssen - vom kleinen Aufseher bis zum Adjutanten des Lagerkommandanten.
"Wussten Sie nicht von den Massen-Tötungen in den Gaskammern?"
"Davon war mir nichts bekannt."
"Ist ihnen nicht der Rauch aus den Schornsteinen der Krematorien aufgefallen, der doch kilometerweit zu sehen war?"
"Es war ja ein großes Lager mit einem natürlichen Abgang. Da wurden eben die Toten verbrannt."
Szene aus "Die Ermittlung"
Die 39 Zeuginnen und Zeugen treten im Film vor Stehmikrophone, um die Täter mit ihren Aussagen zu konfrontieren.
Häftlingsarzt: "Im Quarantäne-Lager gab es Ratten. Die nagten nicht nur die Leichen an, sondern auch die Schwerkranken. Im Häftlingskrankenbau war es besser, da gab es Binden aus Krepppapier, etwas Zellstoff. Wir hatten auch ein paar Aspirin-Tabletten. Die wurden an Zwirnsfäden aufgehängt. Kranke mit Fieber unter 38 Grad durften einmal lecken, Kranke mit Fieber über 38 Grad zweimal." Szene aus "Die Ermittlung"
Eindringlicher Stoff von Peter Weiss
Es ist diese extreme Sachlichkeit der Sprache, die das Stück von Peter Weiss so eindringlich macht. Kein Heulen und Zähneknirschen der Welt könnte die Ungeheuerlichkeit dessen, was da in Auschwitz vor sich ging, so prägnant ausdrücken wie die reine Schilderung der Fakten durch KZ-Überlebende.
Für Regisseur RP Kahl ist das auch der entscheidende Unterschied zum Historien-Drama à la "Schindlers Liste": "Das Tolle an dem Stück ist, dass ihnen die Menschlichkeit wieder zurückgegeben wird und sie nicht nochmal in die Opferrolle reingehen müssen. Also im klassischen Erzähl-Kino müssten diese Figuren das ja nochmal durchleiden. Und bei uns hört man nur, was sie über Auschwitz erzählen. Also es ist sozusagen eine Plattform, die wir bieten, wo Auschwitz erklärt, erzählt, beschrieben werden kann - aber aus erster Hand von diesen Häftlings-Zeuginnen und Zeugen dann vor Gericht."
Vier Stunden fordernder Film-Stoff
Nicht nur emotional ist dieser Film-Stoff fordernd. Vier Stunden dauert das Stück, das (basierend auf Gerichtsprotokollen) den Weg der Häftlinge von der Ankunftsrampe bis in die Gaskammern nachzeichnet. RP Kahl hat es in voller Länge verfilmt - mit einem großartigen Schauspiel-Ensemble: Rainer Bock als Richter, Clemens Schick als Staatsanwalt, Christiane Paul, Barbara Philipp, Karl Markovics und viele andere prominente Gesichter im Zeugenstand.
Im Kino hat der Film nur ein kleines Publikum erreicht. Das sollen Fernseh-Ausstrahlung und Mediathek nun ändern. "Ich möchte, dass das so viele Leute wie möglich sehen", sagt der Regisseur. "Ich verstehe auch, dass das für manche Kinos zu viel oder für mache Zuschauerinnen und Zuschauer einfach zeitlich nicht machbar ist. Das Stück ist in sogenannte elf Gesänge aufgeteilt. Und diese elf Parts im Film sind auch in sich abgeschlossen. Die kann man auch einzeln gucken und versteht sie auch."
Schauspieler Clemens Schick ist jedes Medium recht, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen: "Für mich hat der Film so eine wichtige Bedeutung, weil er zeigt, wie viele kleine Entscheidungen gegen Menschlichkeit, gegen Verantwortungsübernahme dazu führen können, dass so was entsteht wie Auschwitz." Und Schauspieler-Kollegin Barbara Philipp ergänzt: "Jeder Satz ist so ein klares Bild, so eine klare Aussage, so ein klarer Moment. Deswegen kriegt es einen so hintenrum."