Spielfilm "Alice" zeigt Schwarzers Anfänge als Aktivistin
Am 3. Dezember wird Alice Schwarzer 80 Jahre alt. Das Erste hat am Mittwoch den zweiteiligen Spielfilm "Alice" und die Dokumentation "Wer hat Angst vor Alice Schwarzer?" gezeigt. Die Filme sind in der Mediathek zu sehen.
Ihr Einsatz für Gleichberechtigung veränderte Deutschland, ihre Zeitschrift "Emma" hat immer wieder wichtige Debatten angestoßen. Doch ihre Arbeit für die "Bild" oder ihre Rolle in der Berichterstattung um den Kachelmann-Prozess haben auch für Irritationen und Kritik gesorgt.
Der zweiteilige Fernsehfilm "Alice" konzentriert sich auf die frühe Alice Schwarzer. Er zeigt, wie Schwarzer Anfang der 70er-Jahre in Paris den Weg in den Journalismus und schließlich in den Aktivismus findet. "Ich finde, dass der Film den Zeitgeist ziemlich gut erfasst", sagt Schwarzer. "Diese Aufbruchsstimmung, dieses Nach-vorne-Stürmen. Gerade bei uns Frauen: Wir haben die Türen eingetreten."
Heimliche Abtreibung bei einer Freundin prägt Schwarzer
Früh wird Alice Schwarzer durch eine Freundin mit den Konsequenzen der Abtreibungsgesetze konfrontiert. Eine Freundin treibt heimlich und illegal ab - lebensgefährlich und entwürdigend. Erlebnisse wie diese prägen die junge Alice. Jahre später setzt sich Schwarzer für das Recht auf Abtreibung in Deutschland ein. Bekenntnisse im "Stern", eine Unterschriftensammlung gegen den Paragrafen 218. "Ich bin stolz darauf, dass ich Menschen Mut gemacht habe", sagt Schwarzer. "In erster Linie Frauen, aber auch so manchem Mann: Für die ist es auch erleichternd, nicht immer Macho sein zu müssen."
Angriffe gehören zu Schwarzers Leben dazu
Alice Schwarzer trifft im Spielfilm auf ein mächtiges Bollwerk. Angriffe gehören zu ihrem Leben dazu. Nicht zuletzt unter der Gürtellinie:
Schwarzer: Also, Sie sind der Meinung, dass ich keinen abgekriegt habe und man nur mal ordentlich so wieder über mich rüber müsste?
Mann im Publikum: Ganz genau!
Ausschnitt aus dem Spielfilm "Alice"
Ein dickes Fell und ein starker Intellekt helfen, sagt Alice Schwarzer: "Ich wusste, dass man gerade Frauenrechtlerinnen nicht mit Argumenten begegnet, sondern versucht, sie runterzuziehen. Es sollte mich einschüchtern, Schwarzer soll mal die Klappe halten! Aber es sollte ein Zeichen für die Frauen sein. Guck mal, das machen wir mit so einer, die das macht. Und welche Frau traut sich schon."
Kein Happy-End nach der ersten Ausgabe der "Emma"
Der Fernsehfilm endet gnädig mit der ersten Ausgabe der Frauenzeitschrift "Emma" - gegründet vor 45 Jahren. Ein Happy End? Nicht wirklich, viele Kämpfe sind noch gefolgt, viel Kritik hat sie auf sich gezogen. Im Prozess gegen Jörg Kachelmann verzettelt sie sich als Autorin der "Bild"-Zeitung, man wirft ihr einseitige Berichterstattung gegen den Moderator vor. Auch als ihr Steuerhinterziehung nachgewiesen wird, bietet ihr die Springer-Presse ein Forum. Eine erstaunliche Nähe.
In der Kopftuchdebatte wird sie von manchen als islamfeindlich eingestuft. Sie bleibe auch heute bei ihrer Ansicht, sagt Alice Schwarzer. Aktueller Anlass: Die Proteste im Iran. "Wenn Sie mich fragen, warum siehst du das Kopftuch so kritisch, würde ich sagen: 'Guck mal, was es bedeutet.' Und wäre nicht eigentlich eine Zeit, in der im Namen des Kopftuches Frauen gefoltert und ermordet werden, der Moment, wo man aus Solidarität mit diesen Frauen das Kopftuch ablehnt?"
Schwarzer hat viel erreicht - für Frauen und Männer
Zu tun gibt es so oder so noch genug in ihrer Sache. Dass Influencerinnen heute mit Shopping- und Beautytipps punkten, lässt ihr die Haare zu Berge stehen. Dass aber Männer hinterm Kinderwagen ein ganz alltägliches Bild sind, ist ein kleiner Triumph, sagt die "Emma"-Gründerin: "Wenn mir Männer mit Kinderwagen oder mit einem Kind auf dem Arm begenen und sie mich erkennen, dann erfasst sie so ein Ruck und sie sagen sich: 'Da kann Schwarzer aber mal sehen, bitte schön!' Und sie haben ja recht, ich freue mich total darüber. So muss es weitergehen." Denn das einst so starke Geschlecht darf inzwischen auch gern mal schwach sein. Alice Schwarzer hat viel erreicht - für Frauen und Männer.
Das Erste zeigt heute ab 20.15 Uhr die beiden Teile des Spielfilms. Nach den Tagesthemen folgt dann ab 23.35 Uhr die Dokumentation "Die Streitbare - Wer hat Angst vor Alice Schwarzer?".