Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase © Imago/Seeliger

Regisseur Andreas Dresen zum 90. von Wolfgang Kohlhaase

Stand: 09.03.2021 14:41 Uhr

Im Interview mit NDR 1 Radio MV Kulturredakteur Axel Seitz erzählt Regisseur Andreas Dresen von der Zusammenarbeit und Verbundenheit mit Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase.

"Sommer vorm Balkon", "Whisky mit Wodka", "Als wir träumten" - drei Filme, die Sie, Andreas Dresen, zwischen 2005 und 2015 nach einem Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase gedreht haben. Höchstwahrscheinlich kennen Sie beiden sich schon bedeutend länger, aber wann war Ihnen klar, ja, mit Kohlhaase möchte ich gern einen Film machen?

Andreas Dresen: Ich hätte es mir früher nicht zu träumen gewagt, dass ich mal mit Wolfgang Kohlhaase einen Film machen darf. Er ist mir natürlich schon bekannt, seit ich als Schüler in Schwerin ins Kino gegangen bin, denn da habe ich seine ersten großen und wichtigen Filme gesehen. Ich war 19. "Solo Sunny" hat mich ganz doll geprägt, war für mich ein ganz beeindruckender Film. Dann habe ich in Babelsberg an der Filmhochschule studiert. Und in den 90er-Jahren sind wir uns dann tatsächlich über den Weg gelaufen. Ich war Meisterschüler an der Akademie der Künste in Berlin und er war dort Mitglied, und da haben wir uns eigentlich immer mal wieder getroffen und gesagt, wir würden gerne mal etwas miteinander machen. Aber ich habe es nicht so richtig ernst genommen und auch nicht zu hoffen gewagt. Und dann kam tatsächlich im März/April 2004 ein 30-seitiger Drehbuchentwurf zu mir mit dem Titel "Sommer vorm Balkon". Das war der Beginn unserer Arbeit und für mich ein ganz, ganz schöner Moment.

Wolfgang Kohlhaase hat die Geschichte der Nike in "Sommer vorm Balkon" verglichen mit der Sunny aus "Solo Sunny" von 1980, in der Regie von Konrad Wolf. Jeweils starke Frauen in Berlin, die ihren Weg gehen. Sehen Sie auch diese Verbindung?

Dresen: Ja, da gibt es eine Verbindung. Ich glaube, die beiden Figuren gehen auf eine Originalfigur zurück, die Wolfgang gekannt hat, die ihm Geschichten aus ihrem Leben erzählt hat. Und deswegen gibt es da tatsächlich eine gemeinsame Wurzel. Das sind natürlich zwei tolle Figuren. In "Sommer vorm Balkon" kommt ja noch die Katrin dazu, die zweite Hauptfigur. Ich erzähle sehr gerne starke Hauptfiguren, insbesondere wenn sie so einen schnoddrig-bodenständigen Ton haben, wie Wolfgang das auf so unvergleichliche Weise schreiben kann.

Wolfgang Kohlhaase hat davon gesprochen, dass er und Sie "in einer ähnlichen poetischen Provinz wohnen, mit der Liebe zu kleinen Leuten, zu Alltäglichkeiten, mit dem Respekt vor der täglichen Tapferkeit" - wie sehen Sie das?

Dresen: Das ist natürlich wunderbar und sehr schön und sehr poetisch gesagt. Es stimmt natürlich, dass man nur Filme miteinander machen kann, wenn man den gleichen Herzschlag hat und eine ähnliche Sicht auf die Welt, vielleicht auch einen ähnlichen Humor. Und das ist mit Wolfgang unbedingt gegeben. Es gehört für einen Drehbuchautor auch ein großes Vertrauen dazu, sein Baby, an dem er jahrelang gearbeitet hat, aus der Hand zu geben. Aber Film ist Teamarbeit. Und bei Wolfgang habe ich immer eine ganz große Offenheit gespürt. Wir waren uns am Ende immer einig, dass das ein gemeinsam geschaffenes Baby ist, das wir in die Welt setzen, und das hoffentlich auch aus unser beider Lebenserfahrungen das Schönste in sich trägt.

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Wolfgang Kohlhaase und Sie trennen altersmäßig mehr als drei Jahrzehnte, inwiefern spielte das eine Rolle?

Dresen: Zu Anfang schon. Wolfgang war, als wir uns kennenlernten, schon eine lebende Legende, kann man sagen, einer der größten deutschen Drehbuchautoren. Und da hatte ich natürlich eine gehörige Portion Respekt; wenn man dann so als Jungspund zu so jemanden kommt und etwas über das Drehbuch sagen soll, unter Umständen auch was Kritisches. Diese Ängstlichkeit hat sich dann aber sehr schnell zerschlagen, weil ich gemerkt habe, mit welcher Offenheit und welchem Vertrauen Wolfgang mir entgegentrat. Und er war auch neugierig auf die Sicht meiner Generation auf seine Geschichten.

Wer sich die Filmbiografie von Wolfgang Kohlhaase anschaut, stellt fest: Mit einigen wenigen Regisseuren hat er regelmäßig zusammengearbeitet, zunächst mit Gerhard Klein, dann mit Konrad Wolf, Frank Beyer und schließlich mit Ihnen - eine respektable Reihe.

Dresen: Ja, da freue ich mich auch darüber. Tolle Kollegen, also nicht schlecht!

Gerade hat Wolfgang Kohlhaase gesagt, wenn er noch ein gutes Drehbuch hätte, würde er es in einen Briefumschlag stecken, auf dem der Name Andreas Dresen steht. Erwarten Sie nun Post von ihm?

Dresen: Ich fände es schön. Ich habe ihm kürzlich nochmal gesagt: Vielleicht kriegen wir ja doch noch mal was Gemeinsames zustande. Ich fände es ganz, ganz toll, ehrlich gesagt, und wir sehen uns ja zum Glück auch regelmäßig. Ich werde ihn daran erinnern.

Ihr jüngstes Projekt heißt - so der Arbeitstitel - "Rabbiye Kurnaz gegen George W. Bush". Eine ARD-Koproduktionen unter Federführung des Norddeutschen Rundfunks. Die Dreharbeiten konnten im Dezember abgeschlossen werden. Wie weit ist es mit dem Film? Wann wird der fertig und kommt er in die Kinos?

Dresen: Der soll in die Kinos kommen, aber voraussichtlich erst im kommenden Jahr. Wir sind jetzt gerade im Schneideraum und basteln alles zusammen. Das wird noch ein längerer Weg. Es fehlen auch noch ein paar Nachaufnahmen, die wir in Washington und in Ankara drehen müssen. Das ist unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht ganz einfach. Momentan sind ja leider keine Kinos offen. Insofern haben wir nicht so viel Eile. Aber ich wünsche mir natürlich sehr, dass wir im nächsten Jahr dann das Licht der Öffentlichkeit erblicken mit der Geschichte.

Und wie geht es eigentlich weiter mit ihrer Professur an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater?

Dresen: Da fand im Januar tatsächlich unter Corona-Auflagen Präsenzunterricht statt. Ich war zwei Wochen da und habe unterrichtet. Das ging letztes Jahr noch nicht. Jetzt war es möglich. Kameraausbildung für Schauspieler kann man nicht über Online-Formate bewerkstelligen. Das geht einfach nicht. Und deswegen hatten wir da ein strenges Testregime. Aber es war dann möglich zu arbeiten. Und das wird sich jetzt ganz normal fortsetzen. Ich werde im Sommer dort wieder mit den Studierenden die Kurzfilme drehen, die anstehen. Ich hoffe auch, dass ich wieder die öffentliche Veranstaltung "Fokus Film" dort machen kann. Das ist ja eine sehr schöne Reihe, die wir da ins Leben gerufen haben, wo ich immer wieder gestandene Schauspieler einlade. Axel Prahl war dabei, Katharina Thalbach - eigentlich hatte ich eine Veranstaltung mit Corinna Harfouch geplant, die dann dem Lockdown zum Opfer fiel. Ich hoffe, dass wir das bald nachholen können. Geplant ist für Anfang Juni die nächste Veranstaltung und hoffentlich dann mit Zuschauern im schönen Katharinensaal.

Wenn Sie das schon für Anfang Juni ankündigen - können Sie dann auch schon verraten mit wem?

Dresen: Das kann ich momentan noch nicht sagen, weil wir momentan um den genauen Termin kämpfen. Und bei Schauspielern ist es ja immer so eine Sache. Wir hatten ja schon eine Veranstaltung mit Corinna Harfouch terminiert und auch mit Milan Peschel und ich hoffe natürlich, dass ich einen von den beiden für den Termin gewinnen kann.

Andreas Dresen, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.

Das Gespräch führte Axel Seitz.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 13.03.2021 | 19:00 Uhr

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