Julia von Heinz beim Filmfestival von Venedig, aufgenommen am 28. August 2024. © picture alliance/dpa | Stefanie Rex Foto: Stefanie Rex
Julia von Heinz beim Filmfestival von Venedig, aufgenommen am 28. August 2024. © picture alliance/dpa | Stefanie Rex Foto: Stefanie Rex
Julia von Heinz beim Filmfestival von Venedig, aufgenommen am 28. August 2024. © picture alliance/dpa | Stefanie Rex Foto: Stefanie Rex
AUDIO: Erst Venedig-Jury, jetzt Kinostart - Julia von Heinz im Gespräch (26 Min)

Erst Venedig-Jury, jetzt Kinostart: Julia von Heinz im Gespräch

Stand: 08.09.2024 09:53 Uhr

Gerade saß Julia von Heinz noch in der Jury der Filmfestspiele von Venedig, nun startet ihr eigener Film "Treasure" in den Kinos. Im Gespräch verrät die Filmemacherin unter anderem, wer ihre Vorbilder sind - und warum.

Am Sonnabend wurden am Lido in Venedig der Goldene und die Silbernen Löwen des ältesten Filmfests der Welt verliehen. Juryvorsitzende Isabelle Huppert und ihre Jury verliehen dem Spanier Pedro Almodóvar den Hauptpreis für sein englischsprachiges Kinodebüt "The Room next door" mit Tilda Swinton und Julianne Moore. Bereits vor dem Festival sprach die deutsche Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Julia von Heinz mit NDR Kultur darüber, was ihr die Aufgabe beim Filmefest Venedig bedeutet und sprach über ihren neuen Film "Treasure".

Pedro Almodóvar posiert mit seinem Goldenen Löwen © Vianney Le Caer/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
AUDIO: Pedro Almodóvar erhält Goldenen Löwen des Filmfests Venedig (4 Min)

Als Regisseurin steht von Heinz für erfolgreiche Fernsehserien wie "Eldorado KaDeWe" und Kinofilme wie "Hanni & Nanni 2", als Wissenschaftlerin steht sie unter anderem für eine Arbeit über "den Einfluss des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf den deutschen Kinofilm". Die in West-Berlin geborene und in Bonn aufgewachsene Filmemacherin schloss sich nach einem Überfall von Neonazis bei ihrer 15. Geburtstagsfeier in den Rheinauen der Antifa an und verarbeitete diese Zeit in ihrem preisgekrönten Film "Und morgen die ganze Welt".

In Ihrem neuen Film "Treasure" geht es um die Reise einer Tochter mit ihrem jüdischen Vater nach Polen, auf der Suche nach ihren jüdischen Wurzeln. Der Ton des Filmes ist in weiten Teilen sehr leicht. Sie haben in einem Interview gesagt, Sie möchten kein politisches Pamphlet machen, sondern Sie möchten unterhalten. Ist das für Sie eine bessere Form, mit diesem Thema umzugehen als zum Beispiel Filme wie "Zone of Interest"?

Julia von Heinz beim Intern. Filmfestival von Venedig, aufgenommen am 28. August 2024. © picture alliance / dpa | Hubert Boesl
Beim Filmfest Venedig hat Julia von Heinz als einziges deutsches Mitglied der Jury mit über den Wettbewerb entschieden. Den Juryvorsitz hatte die Französin Isabelle Huppert.

Julia von Heinz: Nicht die bessere, nein, aber auch eine, die es geben sollte. Es kommt ganz und gar darauf an, für wen man eigentlich den Film macht. Wen wünscht man sich als Publikum, wenn es darum geht, die richtige Haltung, den richtigen Tonfall zu finden? "Zone of Interest" finde ich einen genialen Film, der aber auf sehr viel Vorwissen aufbaut.

Alles, was auf der anderen Seite der Mauer ist, setze ich beim Zuschauenden voraus, um all das, was nur auf der Tonebene gehört wird, zu imaginieren. Das ist also ein Film, den man nicht so gut 1960 hätte zeigen können, weil die Leute damals noch zu wenig Vorstellung davon hatten, wie es auf der anderen Seite des Zaunes aussah.

Ein Film wie "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" ist wiederum optimal, wenn junge Schülern aus der Perspektive eines Kindes erleben sollen, was der Holocaust bedeutet hat und die plötzliche Verfolgung von Juden innerhalb unserer Gesellschaft. Mein Film richtet sich wieder an völlig andere Leute, weil es der erste Film zur zweiten Generation ist und zum transgenerationalen Trauma, was noch gar nicht erzählt wurde, wo wir zum ersten Mal unseren Blick hinwenden.

Weitere Informationen
Szene aus dem Film "Treasure" © Alamode Film Foto: Łukasz Bąk

"Treasure - Familie ist ein fremdes Land": Bewegende Spurensuche

Es gibt viele Arten, sich der dunklen deutschen Nazi-Geschichte filmisch anzunehmen. Julia von Heinz wählt einen überwiegend leichten Ton. mehr

Gibt es für Sie im politischen deutschen Kino Vorbilder?

Drei Männer im Anzug und eine Frau stehen beim Berlinale-Empfang der Filmförderung "Moin" der Berlinale ( Das Filmteam kommt mit dem Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD, rechts) und Moin Geschäftsführer Helge Albers ins Gespräch.) © NDR Foto: Patricia Batlle
Der norddeutsche Produzent Fabian Gasmia (2. von links) hat "Treasure" produziert. Darin geht es um die New Yorker Nachfahren von Holocaust-Überlebenden, die nach Polen reisen.

Julia von Heinz: Zu 100 Prozent Margarethe von Trotta. Ihr Film "Die bleierne Zeit" war für mich maßgeblich und inspirierend für meinen Film "Und morgen die ganze Welt". Sie hatte es geschafft, einen hochpolitischen Film auf die ganz persönliche Beziehungsebene herunterzubrechen, nämlich auf die Beziehung zwischen zwei Schwestern. Das Element dieser zwei Schwestern habe ich in den Figuren Luisa und Batte wiederbelebt in "Und morgen die ganze Welt".

Hier sind es Freundinnen, die diese Militanz-Frage auf einer persönlichen Ebene verhandeln, die Margarethe von Trotta in "Die bleierne Zeit" die zwei Schwestern verhandeln lässt anhand der RAF-Zeit. Ich finde es meisterhaft, wie sie das gemacht hat. Außerdem ist sie für mich deshalb so wichtig, weil sie so konsequent große Frauenbiografien erzählt und damit aus dem Dunklen geholt hat.

Sie machen nicht nur Filme, Sie lehren auch Film als Professorin an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Wie ist das heute mit den Studenten? Empfinden Sie die als politischer im Gegensatz zu früher?

Julia von Heinz: Ersteres schon mal ja. Ich finde nicht, dass es jungen Leuten passiert, dass ihnen aus Versehen noch antifeministische Stereotype unterlaufen. Das passiert kaum noch. Es gibt kaum noch welche, die dafür nicht ein Bewusstsein haben. Auch für andere gesellschaftlich wichtige Themen gibt es ein sehr geschärftes Bewusstsein.

 

Sie waren dieses Jahr das einzige deutsche Mitglied in der Jury der Filmfestspiele von Venedig. Ist das ein Ritterschlag?

Julia von Heinz: Es ist ein Ritterschlag, es ist eine riesengroße Ehre, und es ist vor allem ein Geschenk. Man ist als Filmemacherin oft im pragmatischen, alltäglichen Machen und Tun und kann sich nicht so wirklich den Blick auf diese tolle Kunstform erlauben und Form und Inhalt eines Filmes in aller Ruhe betrachten und mit so hochkarätigen Menschen diskutieren und besprechen. Das ist für mich ein solches Geschenk, zehn Tage lang nichts anderes machen, als unglaublich gute Filme zu schauen und sie mit Kolleg*innen zu besprechen, die ich schon lange verfolge und bewundere, unter anderem Regisseurin Agnieszka Holland. Das ist ein Geschenk, und ich konnte es eigentlich kaum glauben, dass ich das machen darf.

Das Gespräch führte Bettine Peulecke.

Das komplette Interview hören Sie oben auf dieser Seite - und in der ARD Audiothek.

Weitere Informationen
Drei Frauen stehen vor einem Kanal von Venedig bei einem Pressetermin zum Filmfest Venedig ©  Vianney Le Caer/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto:  Vianney Le Caer
3 Min

21 Filme im Wettbewerb von Venedig - Angelina Jolie ist dabei

Bis zum 7. September läuft das Filmfestival. Zu sehen sind Stars wie Brad Pitt, Jenna Ortega, Winona Ryder, Lady Gaga. Isabelle Huppert hat den Juryvorsitz. 3 Min

Zwei Männer in hellgrauen Anzügen und mit Sonnenbrillen fahren in einem Boot über das Wasser © dpa Bildfunk
4 Min

Stars und Glamour am ersten Wochenende beim Filmfest Venedig

Angelina Jolie, George Clooney und Nicole Kidman tummeln sich auf dem roten Teppich. In diesem Jahr mit dabei: Hamburgerin Leonie Benesch. 4 Min

Julia von Heinz, Regisseurin, mit ihren Hauptdarstellern Stephen Fry (r.) und Lena Dunham (li.) © Seven Elephants, Julia Terjung

Berlinale 2024: Norddeutsche Filme wie "Treasure" beim Festival

Beim Filmfest laufen norddeutsche Produktionen. Dazu gehören die Dramen "Sterben", "The Outrun" sowie der historische Film "Treasure" von Julia von Heinz. Bildergalerie

Ein Mann mit dunkler Brille lächelt von einem Neon-Schild zum Film "Beetlejuice, Beetlejuice" © Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Yui Mok
3 Min

Tim Burton: Regisseur des bizarren Horrorfilms

Der mittlerweile 66-jährige Künstler zeichnet, schreibt Drehbücher, führt Regie und produziert Grusel, Fantasyfilme wie "Edward mit den Scherenhänden", "Beetlejuice" und zuletzt die Serie "Wednesday". 3 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 08.09.2024 | 13:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Porträt des Holocaust-Überlebenden Salomon "Sally" Perel aus dem Jahr 2019. © picture alliance/dpa | Marijan Murat Foto: Marijan Murat

Sally Perel: Er überlebte den Holocaust in der "Haut des Feindes"

Unter falscher Identität überlebte der Sohn eines Rabbiners aus Peine den Holocaust. Am 2. Februar 2023 starb er mit 97 Jahren. mehr

Porträt des NS-Überlebenden Salomon "Sally" Perel © picture-alliance/dpa Foto: Marijan Murat

"Hitlerjunge Salomon": Sally Perel mit 97 Jahren gestorben

Sally Perel wurde in Peine geboren. Er überlebte den Holocaust unter falscher Identität. Nun ist er in Israel gestorben. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Ein Sänger steht auf einer Bühne, hält in einer Hand das Mikrofon und die andere ist nach oben gestreckt. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender kommen 2025

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für 2025 angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?