Szene aus dem Film "Treasure - Familie ist ein fremdes Land" © Alamode Film Foto: Łukasz Bąk

"Treasure - Familie ist ein fremdes Land": Bewegende Spurensuche

Stand: 09.09.2024 06:00 Uhr

"Treasure - Familie ist ein fremdes Land" erzählt von einer bewegenden Vater-Tochter-Reise nach Polen. Es ist die Spurensuche nach der jüdischen Vergangenheit einer Familie, die, bis auf den Vater, ermordet wurde.

von Bettina Peulecke

Es gibt viele Arten, sich der dunklen deutschen Nazi-Geschichte filmisch anzunehmen. "Zone of Interest" über den Alltag des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss und seiner Familie direkt vor den Toren des Konzentrationslagers war in diesem Jahr das aufsehenerregendste, originärste und forderndste Werk diesbezüglich.

Die Regisseurin und Drehbuchautorin Julia von Heinz geht in eine vollkommen andere Richtung. Sie wählt einen überwiegend leichten Ton, setzt auf Unterhaltung und findet diese Form "nicht die bessere, aber auch eine, die es geben sollte. Ich glaube, es kommt ganz und gar darauf an, für wen man eigentlich den Film macht, oder wen man sich als Publikum wünscht, wenn es darum geht, die richtige Haltung, den richtigen Tonfall zu finden."

Auf der Suche nach den jüdischen Wurzeln

Die beruflich erfolgreiche New Yorker Journalistin Ruth beschließt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Polen zu reisen, um sich vor Ort mit der Vergangenheit ihrer jüdischen Familie auseinanderzusetzten. Sie will auf Spurensuche gehen und überredet ihren Vater, der sich eigentlich weigert, sie aber aus Beschützerinstinkt heraus begleitet.

Die Sache ist grundsätzlich nicht einfach, denn der Lebemann-Vater, jovial und vordergründig leichtherzig, verdrängt vieles selbst und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er sich über das Frühstücksmüsli seiner Tochter, ihr gestörtes Essverhalten und ihre gescheiterte Liebesbeziehung äußert.

Und auch wenn der Vater sich dem Willen der Tochter bezüglich der Reise gebeugt hat, so nimmt er doch das Ruder in die Hand, als es um die Gestaltung geht. Kurzerhand weist er Stephan, den privaten Taxifahrer der beiden, an, nicht in die Stadt zu fahren, die Ruth eigentlich besuchen wollte:

"Wohin fahren wir, nach Łódź geht es doch in eine andere Richtung."
"Stephan zeigt dir heute die Warschauer Ghetto-Mauer aus deiner Broschüre."
"Ich will aber nicht zur Warschauer Ghetto-Mauer."
"Du bist doch den ganzen Weg nach Washington D.C. gereist, nur um diesen einen Ziegelstein von dieser Mauer im Museum zu sehen. Und heute, da zeige ich dir 'ne Menge Ziegel, nicht nur einen. Heute zeig' ich dir die Mauer." Filmszene

Das hat ganz andere Auswirkungen als es der Besuch in Łódź wohl gehabt hätte. Die beiden suchen sogar das Elternhaus des Vaters auf, in dem jetzt eine vielköpfige Familie unter prekären Umständen lebt und keine Skrupel hat, die Identitätssuche von Ruth und ihre Sehnsucht nach fassbarer Erinnerung profitabel zu nutzen.

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Bewegender Film mit Stephen Fry und Lena Dunham

Die Auswikungen des Holocausts auf die nachfolgenden Generationen sind Julia von Heinz wichtig. In ihren Filmen "Hanns Reise" sowie "Und Morgen die ganze Welt" hat sie Geschichten aus der Perspektive von jüngeren Menschen erzählt. Mit "Treasure - Familie ist ein fremdes Land" schließt sie nun ihre "Aftermath-Trilogie" ab und ist froh, "dass ich einen Blick auf die Generation meiner Mutter werfen durfte, die zweite Generation, das fühlt sich für mich rund an. Ich werde mich jetzt wahrscheinlich neuen Themen widmen, aber weiterhin hoffen, dass andere Leute wieder andere Formen und Narrative finden."

Der britische Schauspieler, Autor, Dichter, Komiker und Fernsehmoderator Stephen Fry spielt an der Seite des amerikanischen Multitalents Lena Dunham, die vor allem durch die Serie "Girls" bekannt wurde. Die beiden sind die ideale Besetzung für diesen bewegenden Film.

Treasure - Familie ist ein fremdes Land

Genre:
Komödie, Drama
Produktionsjahr:
2024
Produktionsland:
Deutschland, Frankreich
Zusatzinfo:
mit Lena Dunham, Stephen Fry, Zbigniew Zamachowski und anderen
Regie:
Julia von Heinz
Länge:
110 Minuten
FSK:
ab 12 Jahren
Kinostart:
12. September 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 09.09.2024 | 07:20 Uhr

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