"Green Border" im Kino: Aufwühlendes Flüchtlingsdrama
Auf dem Filmfest von Venedig erhielt "Green Border" den Spezialpreis der Jury. Die polnische Regisseurin Agnieszka Holland zeigt das Schicksal einer Gruppe von Flüchtlingen an der polnisch-belarussischen Grenze.
Eine junge Frau mit einem Jungen zu ihrer Rechten und einem Säugling an der Brust; eine ältere Frau am Fenster, die versucht zu schlafen; der Mann mit Rauschebart links spricht kein Englisch, kommuniziert nur mit freundlichen Blicken. Wir sehen - stellvertretend für viele - eine kleine Gruppe von Menschen, die angelockt von falschen Versprechungen nach Minsk fliegt, um von dort über die Grenze nach Polen in die EU zu gelangen.
Die Familie will weiter nach Schweden, wo Verwandte wohnen. Doch es kommt anders. Im verregneten Waldgebiet zwischen Belarus und Polen sitzen sie bald darauf fest, werden hin und her geschoben, zum Spielball verschiedener politischer Interessen instrumentalisiert. Den polnischen Grenzschützern wird erzählt:
"Diese sogenannten Flüchtlinge sind die Waffen von Putin und Lukaschenko."
"Das sind keine Menschen, das sind lebende Projektile."
Filmszene
"Green Border": Ein Film mit realen Vorbildern
Der Film zeigt in drastischen Schwarz-Weiß-Bildern nicht nur das Schicksal der Flüchtlinge, sondern auch die Perspektive der Grenzschützer. Da ist zum Beispiel Jan: Er ist in der Gegend aufgewachsen, seine Frau ist schwanger, sie bauen ein Haus. Aber was er an der Grenze sieht und tun muss, stürzt ihn zunehmend in innere Konflikte.
Die Aktivist*innen helfen, wo sie können, machen aber auch klare Ansagen, damit keine weiteren falschen Hoffnungen geweckt werden:
"Die polnische Regierung will euch hier nicht haben. Die Grenzbeamten haben den Befehl, euch über den Stacheldrahtzaun zurück nach Belarus zu werfen." Filmszene
"Green Border" ist ein Spielfilm, doch laut der Regisseurin Agnieszka Holland, die intensiv recherchiert hat, gibt es für jede Figur ein reales Vorbild. Vertreter von Hilfsorganisationen beschreiben die Situation an der Grenze als teilweise schlimmer, als im Film dargestellt.
Agnieszka Holland: Regisseurin mit politischem Engagement
In Polen gab es während des damaligen Wahlkampfes Proteste seitens der PiS-Regierung gegen "Green Border". Die Regisseurin wurde unter anderem als "Nestbeschmutzerin" beschimpft. Doch diesen Film sollte nicht das gleiche Schicksal ereilen wie den Flüchtlingen. Er sollte nicht instrumentalisiert, die Macher nicht diffamiert werden, sondern als das gesehen werden, was er ist: leidenschaftliches, aufwühlendes, kluges humanistisches Kino. Realisiert von einer Regisseurin mit moralischer Klarheit und politischem Engagement.
Green Border
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- Polen | Tschechien | Frankreich | Belgien
- Zusatzinfo:
- Mit Jalal Altawil, Maja Ostaszewska, Behi Djanati Ataï u.a.
- Regie:
- Agnieszka Holland
- Länge:
- 147 Minuten
- Kinostart:
- 1. Februar