"Emily": Fantasie-Porträt der berühmtesten Brontë-Schwester
Schauspielerin Frances O’Connor versucht in ihrem Regie-Debüt "Emily" zu erklären, wie die 29-jährige Pfarrerstochter aus Yorkshire Emily Brontë den weltberühmten Roman "Sturmhöhe" schreiben konnte.
Dabei herausgekommen ist ein hinreißender Film und ein Fantasie-Porträt der eigenbrötlerischen Schriftstellerin Emily Brontë. Sie hätte jedenfalls sicher nichts gegen diese aufregende Version ihrer Lebensgeschichte einzuwenden.
"Emily": Aufregendes Regiedebüt der Schauspielerin Frances O'Connor
Emily Brontë hat mit dem Sturmhöhe" nur einen einzigen Roman geschrieben, aber der ist weltberühmt. Das 1847 erschienene Buch gehört zu den britischen Klassikern. Schauspielerin Frances O’Connor versucht sich in ihrem Regie-Debüt "Emily" an einer Erklärung, wie die 29-jährige Pfarrerstochter aus Yorkshire, die nur ein Jahr später starb, so ein abgründiges Liebes-Drama verfassen konnte.
Dass ihr Film mehr Dichtung als Wahrheit ist, daraus macht Frances O’Connor keinen Hehl. Es sei eine "imaginäre Biographie", in der sich "Fakten und Fiktion ergänzen". Fakt ist: Die Sitten waren streng im viktorianischen England Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Brontë-Mädchen wurden - nach dem frühen Tod der Mutter - im Pfarrhaushalt des Vaters zu fügsamen jungen Frauen erzogen, sicher nicht zu Skandalautorinnen. Die Fiktion kommt ins Spiel, wenn es nun um das Verhältnis der erwachsenen Schwestern zueinander geht. Unbarmherzig hackt da die angepasste Charlotte auf der etwas verschrobenen, eigenbrötlerischen Emily herum.
- Du bist eine Schande für uns!
- Hör auf, Charlotte!
- Weißt Du, wie sie Dich im Ort nennen? Sie nennen Dich die Seltsame. Mutter würde sich schämen, wenn sie sehen würde, was aus Dir geworden ist.
Emily Brontë: Gespielt von Emma Mackey von "Sex-Education"
Emily, als glutäugiger Wildfang gespielt von Emma Mackey (bekannt aus der Netflix-Serie "Sex Education"), wird im Film als spröde und menschenscheu charakterisiert: "Neue Leute kennenzulernen, mag ich nicht!"
Aber ihrem wachen, kritischen Geist entgeht nichts. Schon gar nicht lässt sie sich, wie ihre Schwestern, von den schönen Naturmetaphern einlullen, mit denen der neue Vikar seine Predigten schmückt.
Auch wenn der Mann unverschämt gut aussieht - Emily gibt sich erst mal kratzbürstig, um dann doch eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen sich und dem ambitionierten jungen Gottesmann zu entdecken. Der ewige Regen, der in Yorkshire für matschige Hügel und Lungenentzündungen sorgt, lässt sich gemeinsam mit etwas Phantasie gleich viel besser ertragen.
- Hören Sie das? Das ist die See. Voller See-Kreaturen der tiefen Ozeane.
- So klingt also das Meer?
- Ja
Wild-neblige Moorlandschaft aus Yorkshire blendend eingefangen
Regisseurin O’Connor fängt die Atmosphäre der neblig-feuchten, wilden Moor-Landschaft rund um das Brontë-Haus großartig ein. Fast wollen einem die Zähne klappern, wenn der Wind wieder einmal an den Fensterläden rüttelt. Über inhaltliche Aspekte des Drehbuchs lässt sich dagegen streiten. Denn so zurückgezogen wie im Film lebte Emily Brontë keineswegs.
Sie studierte in Brüssel und war auch als Lehrerin tätig. Und warum sollte Charlotte Brontë, die selbst zu diesem Zeitpunkt schon "Jane Eyre" geschrieben hatte, voller Neid auf das Erstlingswerk der begabten kleinen Schwester blicken? "Emily, wie hast Du Sturmhöhe geschrieben?"
Was sie zur leidenschaftlichen Geschichte von Cathy und Heathcliff inspiriert haben könnte - darüber kann Frances O‘Connor nur mutmaßen. Sie schenkt der jung gestorbenen Autorin eine Liebesbeziehung, die sie vermutlich nie hat erleben dürfen. Emily nur Feder schwingend am Schreibtisch zu zeigen, wäre auch weniger filmtauglich gewesen.
Es steckt immerhin eine innere Wahrheit in der Art, wie die Filmheldin ihre Welt erlebt. Als Vertreterin der romantischen Generation begeistert sie sich für die Gedichte von Lord Byron, raucht mit ihrem Bruder Branwell gerne mal ein Opium-Pfeifchen und ist wie er empfänglich für freigeistiges Gedankengut.
"Emily" ist also ein Fantasie-Porträt - aber ein sehr hübsch inszeniertes. Mit überzeugenden Darstellerinnen, überraschenden Kamerabildern und einem zauberhaften Soundtrack von Abel Korzeniowski.
Emily
- Genre:
- Historienfilm, Biografie
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- Großbritannien
- Zusatzinfo:
- mit Emma Mackey, Oliver Jackson-Cohen
- Regie:
- Frances O'Connor
- Länge:
- 140 Minuten
- FSK:
- 12
- Kinostart:
- 24.11.22