Christian Petzold: Der Geschichtenerzähler im Porträt
Er ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Filmemacher: Der neue Film "Roter Himmel" von Christian Petzold läuft im Kino, bei der Berlinale ausgezeichnet mit dem Silbernen Bären.
Christian Petzold ist ein Geschichtenerzähler - und er kann gut erzählen, auch im Gespräch. Von Catherine Deneuve, die er in Paris in einem Restaurant beobachtet hat und von dem ersten Film, den er als Junge mit der Super-8-Kamera seines Vaters drehen wollte - mit Barbiepuppen: "Ich hatte eine Figur, die hieß Big Jim, das war der Mann. Der konnte den Bizeps spannen und mit dem rechten Arm Karateschläge machen, wenn man hinten auf den Rücken gedrückt hat."
Big Jim besucht Barbie, das war die Drehbuchidee - allerdings wurde die nie umgesetzt, da Petzold auf die Kooperation der Nachbarstochter angewiesen war. Die jedoch hatte andere Vorstellungen. Nicht nur deshalb, sondern auch, weil das Kino in der Kleinstadt, in der er aufwuchs, Ende der 60er-Jahre schloss, sei er vor allem mit Literatur groß geworden: "Für mich war die Stadtbücherei am Schillerpark mit einem großen Cinemascope-Fenster zum Park Kinoersatz. Ich habe da gelesen und mich weggeträumt."
Minutiöse Vorbereitung auf den Dreh
Beim Film kommt beides zusammen: Auch für "Roter Himmel" hat er das Drehbuch wieder selbst geschrieben. Auf die Dreharbeiten bereitet er sein Team minutiös vor; zwei oder drei Tage lang erklärt Petzold sein Vorhaben, lässt die Schauspieler erst laut lesen, dann legt er seine Materialien auf den Tisch, spricht über Musik oder Fotos, die ihn inspiriert haben. "Dann fahre ich mit den Schauspielern an alle Drehorte und die Schauspieler laufen durch diese Welt. Die haben vorher die Materialien bekommen und ich erzähle dann dabei, warum ich das ausgewählt habe und was hier passieren wird."
So kam das Team für "Roter Himmel" nach Brandenburg und auf die Halbinsel Wustrow in Mecklenburg-Vorpommern. Hier verkauft Paula Beer als Nadja auf der Strandpromenade Eis. Petzold schätzt die Schauspielerin sehr. Gerade bereitet er den vierten Film mit ihr vor. Anders als Nina Hoss, die für ihn immer eine "Einsame" war, sei Paula eher eine Tänzerin, eine Ensemblespielerin, sagt er: "Es sind keine erotischen Projektionen, die da stattfinden. Das kann ich mal so sagen. Es ist etwas anderes. Vielleicht spielt es auch eine Rolle - weiß ich nicht, habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Als ich Mitte der 90er-Jahre anfing, Filme zu machen, dachte ich mir, wir haben hier keine Filmindustrie in Deutschland. Wir simulieren die vielleicht, wir tun so, als ob wir wichtig wären. Stimmt alles nicht. Wir müssen selber Gruppen bilden."
Nina Hoss und Christian Petzold: Pause nach sechs Filmen
Das hat er getan. Paula Beer ist seit "Transit" nach dem Roman von Anna Seghers Teil dieser Gruppe - wie Barbara Auer, Matthias Brandt und Franz Rogowski. Mit Nina Hoss hat Petzold seit 2014 nicht mehr gearbeitet. Beide brauchten nach dem intensiven Dreh von "Phoenix" eine Pause. Zusammengekommen waren sie Anfang der 2000er-Jahre durch Zufall.
Petzold hatte beim ZDF sein Filmprojekt "Toter Mann" vorgestellt, im Mittelpunkt eine mysteriöse Rächerin: "Ich hatte vorher in einem Mainzer Hotel übernachten müssen, wo man die Fernbedienung gegen ein Pfand beim Portier abholen kann, also wirklich unterste Kategorie, und da habe ich eine Talkshow gesehen, wo die Nina drin war. Die fand ich toll. Da dachte ich, total klug, wie die da spricht. Dann habe ich am nächsten Tag beim ZDF auf die Frage, wer das spielen soll, gesagt: Könnte mir Nina Hoss vorstellen." Es klappte. Fünf weitere gemeinsame Filme folgten - und Preise.
"Roter Himmel": Keine Nominierung für Deutschen Filmpreis
Dass "Roter Himmel" jetzt in keiner Kategorie für den Deutschen Filmpreis nominiert ist, kränkt und verletzt Petzold: "Es hat eine gewisse Tradition. Die Nina war für 'Barbara' nicht nominiert, die Paula Beer für 'Undine' nicht nominiert. Die haben da beide europäische Filmpreise gewonnen. Das ist nicht in Ordnung, aber das ist einfach so. Nachher habe ich gemerkt, dass es denen sehr leid tat, dass die Vorauswahl-Jury da wohl den Verstand verloren hatte. Eine Vorauswahl-Jury, die so etwas hinbekommt, heißt, dass da strukturell etwas nicht in Ordnung ist."