Wie Corona Christian Petzold zu seinem Film "Roter Himmel" inspirierte
Nach "Undine" startet mit "Roter Himmel" der zweite Teil einer von Christian Petzold geplanten Filmtrilogie in den Kinos. Im Gespräch mit NDR Kultur à la carte spricht Christian Petzold, wie der Beginn der Corona-Pandemie zur Arbeit am Film "Roter Himmel" führte.
Christian Petzold zählt zu den wichtigsten deutschen Filmregisseuren, seine filmische Handschrift ist unverwechselbar. Vielfach preisgekrönt mit dem Deutschen Filmpreis oder "Grimme-Preis". Mit seinem letzten Film "Undine" war er auch für den Europäischen Filmpreis nominiert. Nach "Undine" erscheint mit "Roter Himmel" nun der zweite Teil einer geplanten Trilogie, die sich der deutschen Romantik und dabei speziell des Motivs der Elementargeister annimmt. Bei der Berlinale gab es für den "Roter Himmel" bereits den Großen Preis der Jury. Der Film spielt an der Ostsee. Vier junge Menschen verbringen dort den Sommer in einem abgelegenen Ferienhaus. Eine Zeit, die schwebend, wie aus der Welt gefallen scheint. Diffus und schleichend bahnt sich die Gefahr unter der Unbeschwertheit an. Bei NDR Kultur à la carte spricht Christian Petzold über seinen neuen Film.Einen Auszug, wie eine Tschechow-Erzählung und der Beginn der Corona-Pandemie ihn zu der Arbeit inspirierte, lesen Sie hier.
Ist es richtig, dass das eine Geschichte ist, die durch eine Tschechow-Erzählung inspiriert worden ist?
Christian Petzold: Das stimmt. So ein Film hat viele Ursprünge. Aber die Tschechow-Geschichte, die ich in einer kleinen Manesse-Ausgabe, war die letzte Geschichte, die kannte ich nämlich nicht, die heißt "Missius". Und die habe ich gelesen.
Ich war mit Paula Bär Anfang März 2020 in Paris. Wir hatten für "Undine" unsere Interviewtage in Paris. Das war ganz merkwürdig dort. Wir haben gewusst, dass 2020 eine große Pandemie-Welle auf uns zukommt. Wir haben Mittag gegessen und im Restaurant war Catherine Deneuve. Kein Mensch in Paris geht zu Catherine Deneuve an den Tisch und macht ein Selfie oder guckt dauernd in die Ecke, wo sie mit ihren Freunden sitzt. Sie hat eine Pizza gegessen und dann hat sie ihr Glas Rosé und eine Zigarette genommen und ist nach draußen gegangen, um zu rauchen. Als sie draußen war und sie niemand mehr gehört hat und sie niemand mehr hören konnte, hat das ganze Lokal aufgeatmet, weil sie Wein trinkt und raucht, denn Catherine Deneuve hatte einen Schlaganfall.
Paula und ich haben uns beide mit Covid infiziert, das wussten wir noch nicht. Am Abend war dann klar, dass der Film nicht starten kann, weil die Kinos zumachten und Macron eine Rede hielt, wo dann im Restaurant die Musik abgedreht, der Fernseher oben rechts in der Ecke angemacht worden ist und Macron die Rede hielt, dass es jetzt einen Lockdown gibt. Das war wie in einer Kinoszene. Paula und ich sind da noch mit dem letzten Flieger rausgekommen.
In Berlin wurden wir krank. Dann hatte ich Angst. Wenn der Drosten und der NDR nicht gewesen wären. Wir wussten nicht, was aus uns wird. Also jeden Tag Drosten, jeden Tag Tschechow, jeden Tag Éric Rohmer-Filme, die wir geschenkt bekommen hatten von unserem französischen Co-Produzenten Les Films du Losange, die auch die ganzen Rohmer-Filme produziert hatten. Diese Filme von Rohmer, die viel in den französischen Sommern spielen, wo die Eltern keine Rolle spielen, wo man merkt, ich werde jetzt erwachsen, das kann schmerzhaft, aber auch schön sein. Da spielen diese Filme.
Diese Geschichte von Tschechow, "Missius", die ich nicht kannte, handelt von zwei Versager-Künstlern, vielleicht zwölf oder 13 Seiten lang. Die hat mich sehr beeindruckt. Die französische Produzentin Margaret Ménégoz, die hatte mich noch in Paris zur Seite genommen und sagte: "Wir werden jetzt eine Pandemie bekommen." Ich wollte dystopische Romane verfilmen. "Hast du wirklich Lust, dich während dieser Pandemie mit Dystopien zu beschäftigen?" Das war die Frage, die sie mir gestellt hat. Ich hab ganz trotzig geantwortet, so ein bisschen wie der Schriftsteller in dem Film: "Klar, mach ich." Habe aber gemerkt, dass meine ganzen Sehnsüchte während der Erkrankung, während der Pandemie, während dieser Politik, die sich um die Pandemie aufgebaut hat, nämlich erstmal den jungen Menschen alles wegnehmen und alles verbieten. Da hat Margaret Ménégoz recht gehabt, ich habe dieses dystopische Projekt zur Seite gelegt und mit Tschechow und Eric Rohmer an dem "Roten Himmel" geschrieben.
Das Gespräch führte Katja Weise.