"Anklams Testament": Jugendliche beklagen Perspektivlosigkeit
Anklam gehört zu den größeren Knotenpunkten in Vorpommern. Doch für Jugendliche gibt es wenig Angebote. Mit ihren Sorgen und Wünschen haben sich Schülerinnen und Schüler beschäftigt und bringen ihre Ergebnisse mit einer Theaterperformance auf die Landesbühne.
Die Schülerinnen sind zwischen 15 und 16 Jahre alt. Sie alle leben in und um Anklam. Das Bühnenprojekt ist für sie ein Highlight in einer Stadt ohne Jugendclub. "Unser einziger wurde jetzt abgerissen - so ein Jugendclub, wo man einfach mal reingehen kann und sich entspannen kann", erzählt Julian Gehrke. "Man hat vielleicht ein, zwei Plätze, wo man chillen kann, wo man mit seinen Freunden hingehen kann, aber es gibt nicht so viel. Das ist ein bisschen nervig", meint Lio Len Ruhnke. "Es gibt nur noch das Bowlingcenter und die Schwimmhalle, aber da kann man ja auch nur Training machen und Bahnen schwimmen", ergänzt Lara und Finja Duckwitz sagt: "Es gibt hier keine Berufsschulen. Das ist auch der Grund, weshalb ich später wegziehen möchte. Hier in der Umgebung gibt es leider nicht das, was ich gerne machen möchte."
Theaterprojekt unter professioneller Leitung
Die 40 Jugendlichen von der Schillerschule erzählen im Stück "Testament" ihre eigene Geschichte. Sie werden professionell angeleitet von Theaterpädagogen und haben eine Woche intensive Probenzeit für ihr Projekt. "Das war für uns in einer gar nicht so kleinen Stadt irgendwie spannend, dass es da nichts in diese Richtung gibt", sagt Lionel Tomm vom Hamburger Theater- und Performancekollektiv "wirvier". "Dann haben wir mit Schulen Kontakt aufgenommen. Die regionale Schillerschule hat sich gleich total offen gezeigt für so ein Projekt. So sind die Player zusammengeschmolzen."
Die Jugendlichen stehen teilweise zum ersten Mal auf einer Bühne. "Wir waren sehr lange auf der Suche, was eigentlich ein Material ist, mit dem wir in dieser Woche arbeiten wollen", erklärt Theatermacherin Antonia Rehfueß. "Dann sind wir auf Kissen gekommen und haben gleich gemerkt, als wir die Kissen da hatten, dass die voll angenommen wurden: 'Ich möchte mich ausruhen, aber gleichzeitig geht hier nichts.'"
Themen und Probleme von Jugendlichen auf der Bühne
Ursprünglich wollten sie im Anklamer Demokratiebahnhof proben. Der ist aber seit März geschlossen, weil das Gebäude marode ist. Jetzt sind sie bei der Vorpommerschen Landesbühne untergekommen. "Vor den Jugendlichen liegt irgendwann dieser große Haufen, die Erbmasse", sagt Lionel Tomm. "Die Jugendlichen, die sehr wenig politische Macht, sehr wenig Geld haben und auch zahlenmäßig unterlegen sind, sollen jetzt plötzlich mit diesem Erbe umgehen."
Mit ihrer Performance bringen die Jugendlichen ihre Themen auf die Bühne. "Hier fehlt uns, dass nicht gleich agiert wird", sagt Finja Duckwitz. "Ich glaube, das ist eher: Wir brauchen mehr Seniorenheime, mehr Ärzte, mehr Cafés oder so etwas."
"Wir wollen das Beste und fangen jetzt an. Wir wollen das Beste und fangen jetzt an!" Bühnenzitat
Sie selbst sehen dieses Projekt als Anfang - und fühlen sich mit ihren Problemen gehört.