Lenz-Komödie "Das Gesicht": Dieser Abend hebt nicht ab
Mit dem Programm "Lenz auf die Bühne" wollen drei Hamburger Theater Siegfried Lenz als Bühnenautor zeigen. Am Wochenende hatte seine Verwechslungskomödie "Das Gesicht" Premiere am Harburger Theater - ein viel zu langer Abend, meint unser Kritiker.
Ein Attentat auf den Präsidenten! Er sinkt, von einer Kugel getroffen, zu Boden. Aber, Glück im Unglück: Sein Doppelgänger steht genau daneben - Bruno Deutz, der kleine Friseur! Ihre Gesichter sind austauschbar. Alles kein Problem?
Plötzlich Präsident - und dann Diktator
Bruno wird von der Präsidenten-Mutter sofort als der echte, authentische Präsident erkannt. Plötzlich hat er die ganze Macht - und reagiert zunächst widerwillig: "Ihr macht etwas aus mir, was ich nicht bin!" Aber Bruno Deutz gefällt sich bald in der neuen Rolle, wird zum Diktator.
Der echte Präsident hatte sich den Doppelgänger ausgesucht, um sich vor Anschlägen zu schützen, jetzt kommt alles anders. Original und Kopie tragen ähnlich punkig-violette Frisuren mit violett gezwirbeltem Bart. Volker Deutschmanns schön grelle Kostüme verleihen der Komödie von Lenz leicht puffigen Operetten-Charme und einen Hauch Charly Chaplin.
Überall Trump!
Überhaupt Charly Chaplin: Die Handlung ist dem Filmklassiker "Der große Diktator" entlehnt. Verrückterweise kommt diese Verwechslungskomödie genau jetzt zur Premiere, wo sich Donald Trump zum zweiten Mal die Präsidentschaft in den USA gesichert hat. Trump, der auch immer ein bisschen wie ein Präsidenten-Darsteller wirkt.
Diese Analogie nutzt Regisseur Georg Münzel. Mal ist es der Griff ans Ohr, als Bruno knapp von einer Kugel verfehlt wird - eine Geste, die an das Attentat auf Trump im Juli erinnert. Mal ist es der Golfschläger, die herablassende Geste, der Pomp der Kulisse, die Jagdtrophäen an der Wand: Trump überall!
Siegfried Lenz kann keine echten Pointen schreiben
Die Komödie ist eigentlich gar keine: Zum einen kann der Theaterautor Siegfried Lenz, bei allem Respekt, keine echten Pointen schreiben. Der Text ist bemüht, hat selten Witz. An Chaplins Genie kommt Lenz keine Sekunde heran. Außerdem ist dieser Theaterabend viel zu lang, formuliert sich zu sehr aus, wird sehr moralisch. Ja, Macht korrumpiert, das hat man schnell begriffen. Nur: Weshalb wird das Stück inszeniert? Das wird nicht klar.
Anstatt das Stück zur bösen, kurzweiligen Farce zu machen, wird hier geredet, argumentiert, ausgemalt. Diese Sorgfalt verhindert echten Klipp-Klapp-Theaterspaß. Immer wieder werden Hits der 80er-Jahre angespielt, und kurz hofft man: Jetzt geht es los! Aber der Abend hebt nicht ab. Auch wenn Kai Hufnagel als Möchtegern-Diktator und Herbert Schöberl als Präsident die zwei Gesichter der Macht schön verdorben spielen, zwischen Arroganz und heller Panik: Richtig Tempo kommt nicht auf.
"Man überlegt sich, was einem das Stück sagen will"
Beim Publikum kommt "Das Gesicht" unterschiedlich an. "Sehr sehenswert und lustig - es reflektiert unsere skurrile Realität", findet eine Zuschauerin. "Dass symbolisch mit dem Golfschläger auf Trump losgegangen wurde, ist eine schöne Referenz", meint ein anderer. Und ein dritter findet: "Also eine Komödie war es nicht. Man überlegt sich, was einem das Stück eigentlich sagen will."
Lenz-Komödie "Das Gesicht": Dieser Abend hebt nicht ab
Dem Text von Siegfried Lenz fehlen echte Pointen - und die Inszenierung am Harburger Theater ist sehr moralisch.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Harburger Theater
Museumsplatz 2
21073 Hamburg