"De Schimmelrieder" im Ohnsorg: Mit Wasser, aber ohne Pferd
Mit kräftigem Applaus hat das Publikum am Sonnabend die Premiere von "De Schimmelrieder" im Hamburger Ohnsorg Studio gefeiert. Mit nur drei Schauspielern, wenigen Special Effects, aber viel Wasser gelang ein mitreißender, dramatischer Theaterabend nach der Novelle von Theodor Storm.
Es tropft und trieft und platscht und spritzt. Hauke Haien stapft durch ein Wasserbecken auf der Bühne, stapelt Sandsäcke zu einem Deich. Die Schauspieler springen ins Wasser und wälzen sich im Becken. Wenn man in der ersten Reihe sitzt, bekommt man auch im Publikum von der Theatergischt etwas ab und so ein Gefühl dafür, wie es ist, sich in dieser unwirtlichen Nordseewelt das Leben vom Wasser abzutrotzen. Dieser pitschnasse Abend lebt.
"Der Schimmelreiter" als mitreißende Bühnenversion
Regisseur Ingo Putz hat aus der Novelle Theodor Storms von 1888 vom Deichgrafen an der Nordsee, der gegen Sturmfluten und den Aberglauben der Menschen kämpft, eine mitreißende Bühnenversion für drei Schauspieler gemacht. Dabei hat er sich auf wesentliche Teile des Originals konzentriert. Der hochdeutsche Storm-Sound des Erzählers trifft auf plattdeutsche Dialoge, für die Cornelia Ehlers in ihrer Übersetzung den richtigen Ton getroffen hat. Das Ganze ist wie aus einem Guss.
Novelle trifft auf Volkstheater
Laurens Walter ist ein wunderbarer, erst idealistischer, dann fundamentalistischer Hauke Haien, der mit wissenschaftlicher Verve den perfekten Deich bauen will, aber die vom Aberglauben absorbierten Küstenbewohner nicht überzeugen kann. Kristina Bremer und Stephan Möller-Titel teilen sich die hochdeutsche Erzählerstimme, und beide übernehmen mit wenigen Kostümhandgriffen unterschiedliche plattdeutsche Rollen. Herrlich gruselig etwa, wie Bremer plötzlich mit Kopftuch und alters- und gramgebeugt die alte Frau Trin Jans gibt und Verwünschungen ausstößt. Und mit einer Menge Witz spielt Möller-Titel unter anderem den Gegenspieler des Schimmelreiters, Ole Peters. Das Ganze stimmt in Timing und Tempo. So muss Volkstheater sein.
Die reduzierte Bühne und die Kostüme von Yvonne Marcours treffen den Geist dieser Geschichte perfekt. Mit wenigen Mitteln und viel Fantasie hat sie das Drama zum Leben erweckt. Hauke Haien schreibt mit weißer Kreide Mathe-Formeln an die schwarze Wand (ein bisschen wie bei "A beautiful mind"), während sich die Bevölkerung mit Gerüchten und Aberglauben in Rage redet.
Ungeheures Crescendo
Der lebendige Hund, den die Arbeiter in den Deich eingraben wollen, ist eine Strickjacke. Die Schnäpse werden nicht getrunken, sondern sich ins Gesicht geschüttet. Und der Schimmel, das Pferd, dem die Einheimischen dämonische Eigenschaften zusprechen, ist ein weiß-blau gebatikter Columbo-Trenchcoat, den Hauke Haien trägt, wenn er die Deiche inspiziert. Mit wenigen Licht- und Schatten-Effekten, ein bisschen Theaternebel, und E-Gitarren-Klängen (die gern weniger dominant sein dürften) gelingt eine dichte, soghafte Atmosphäre. Und in einem ungeheuren Crescendo rauscht der Abend auf die Tragödie zu - den Deichbruch.
"De Schimmelrieder": Großer Wurf auf kleiner Bühne
Noch so ein minimalistischer Gänsehaut-Effekt: Am Anfang und am Ende wischt Hauke Haien mit Wasser eine plattdeutsche Botschaft an die Wand, die aber schnell trocknet und wieder verschwindet: wie ein Menetekel. Dieser Schimmelreiter funzt. Das Stück bringt die alte, manchmal ungeliebte Schullektüre ganz neu zum Klingen. Viele Schulen haben sich bereits angemeldet, und schon jetzt gibt es wegen der großen Nachfrage Zusatzvorstellungen. "De Schimmelrieder" ist wieder einmal ein großer Wurf auf der kleinen Ohnsorg-Bühne. Das sollte man nicht verpassen.
"De Schimmelrieder" im Ohnsorg: Mit Wasser, aber ohne Pferd
Mit kräftigem Applaus hat das Publikum am Sonnabend die Premiere der Bühnenversion des "Schimmelreiters" im Hamburger Ohnsorg-Studio gefeiert.
- Art:
- Bühne
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- Ort:
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Ohnsorg Studio
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