Ein Mann mit kunstblutverschmierter Kleidung stützt sich auf einen Bühnenboden. © Silke Winkler Foto: Silke Winkler

"Die Orestie": Viel Blut bei antiker Trilogie in Schwerin

Stand: 29.09.2023 13:53 Uhr

"Die Orestie" ist die einzige erhaltene Trilogie des Dichters Aischylos. Das Mecklenburgische Staatstheater bringt die drei blutigen, griechischen Tragödien an einem Abend auf die Bühne - ein 2500 Jahre altes, hochaktuelles Werk.

von Axel Seitz

Zehn Jahre Krieg in Troja sind vorbei, Agamemnon hat gewonnen und wird von seiner Frau Klytaimnestra erwartet.

So hört die Freudenbotschaft über alle Hoffnungen groß – Troja ist besiegt.  – Was sagst Du, ich verstehe Dich nicht. – Dass Troja unser ist. Sprech ich nicht klar? Zitat Bühnentext

Der siegreiche Agamemnon kommt aber nicht allein nach Hause.

Dies Mädchen hier Kassandra, das bringe freundlich mir ins Haus. Die Götter lieben den, der auch als Sieger milde sich verhält und von allen Schätzen, die erworben, ist Kassandra mir der Kostbarste vom Heer geschenkt und mir gefolgt bis hier. – Kassandra? - Kassandra, ich aber dir gehorchend, gehe jetzt auf Purpur-Stufen in das Haus. Zitat Bühnentext

Ein Schrei nach Frieden

Eine Frau im weißen Unterhemd ist über und über mit Kunstblut verschmiert. © Silke Winkler Foto: Silke Winkler
Julia Keiling als Klytaimnestra will sich emanzipieren und das System stürzen, scheitert aber damit.

Es folgen blutige Gemetzel, nicht Recht wird gesprochen, sondern Rache bestimmt das Handeln der Beteiligten. Eine Spirale von Gewalt und Rache und Gegengewalt setzt sich in Gang, erklärt der Regisseur Martin Nimz: "Das ist uns so immanent, dass wir scheinbar aus dieser Schleife überhaupt nie wieder rauskommen. Und wir haben es ja jetzt auch gerade. Wir sind nicht in der Lage, uns zurückzulehnen, normal zu denken, sondern wir sind einfach Gefangene unserer eigenen schlechten Gefühle." Das Stück sei hochaktuell, sagt der Regisseur. "Letzten Endes ist es einfach nur ein Schrei nach Frieden und nichts weiter."

Texte der Antike stehen im Mittelpunkt

Nimz bringt "Die Orestie" auf eine leere, schwarze Bühne. Diese wird mittig durch einen langen Steg durchtrennt - eine Treppe am Ende, eine Empore für die Chöre. In der Schweriner Inszenierung steht vor allem der Text im Mittelpunkt, betont er. "Es sind antike Texte. Das sind fast immer Reden. Sie sind nicht psychologisiert, sondern immer ganz klar gebaut und sehr stringent. Aber die Dramaturgie setzt sich genau aus diesen Reden und Gegenreden zusammen und schafft immer mehr Spannung an einem Abend." Aber es sei schon schwere Kost, und gehe mächtig zur Sache in der Antike. Kurz gesagt: Da fließt auch Blut.

Gewaltige Sprachbilder voller Emotionen

Eine Frau im Vordergrund hat rote Flecken auf der Kleidung. Im Hintergrund eine Reihe grimmig schauender Frauen in uniformer Kleidung. © Silke Winkler Foto: Silke Winkler
Wassilissa List (im Vordergrund) spielt in "Die Orestie" die Elektra, eine Rolle voller starker Emotionen.

Wassilissa List spielt im zweiten Teil der Trilogie die Elektra, die gemeinsam mit ihrem Bruder Orestes den Tod von Agamemnon rächt und auch sie ist als Schauspielerin gefordert von den vielen Monologen des Stückes: "Ich finde das eigentlich viel anstrengender als miteinander zu spielen, weil man sich Energien zuschieben kann. Und so muss man alles von sich selbst aufbringen und hat ja auch nicht viel Raum. Ist ja nicht so, dass man dabei noch jongliert oder jetzt irgendwie ein Tänzchen aufführt." Sie müsse alle Bilder selbst in ihrer Vorstellung erzeugen. Die wiederum seien aber ganz toll und auch der Text sei mit diesen Bildern nicht schwer zu lernen. "Die Bilder sind so gewaltig, dass man dazu leicht Emotionen findet. Auch wenn das jetzt überhaupt nichts mit einem zu tun hat. Ich habe wenig Anknüpfungspunkte mit Elektra."

Man kann es nicht allein schaffen

Als Klytaimnestra agiert Julia Keiling in der Schweriner Inszenierung. Sie spielt eine Frau, die versucht, sich zu emanzipieren und ein System zu stürzen, etwas besser zu machen und dann doch scheitert. "Und das finde ich eigentlich auch total spannend und aktuell, dieses: Man möchte es besser machen, man möchte es anders machen, aber es ist nicht so einfach, vor allem in der Gesellschaft mit allen. Man kann es nicht allein schaffen. Wir müssen es alle zusammen versuchen. Und ich finde, das wird hier deutlich auch gerade an der Rolle der Klytaimnestra."

Installation von Bühnenbildner Lothar Scharsich

Vor mehr als 40 Jahren – im Januar 1983 – sorgte das Mecklenburgische Staatstheater mit seinen Antiken-Entdeckungen für Aufsehen über Schwerin hinaus, gastierte später mit den vier Stücken unter anderem in Frankreich, Österreich und Griechenland. Jetzt gibt es tatsächlich einen direkten Anknüpfungspunkt, verrät Regisseur Martin Nimz: "Uns ist es gelungen, den Lothar Scharsich, der damals dieses antike Pferd gebaut hat, hier für eine Installation auf dem Alten Garten und am Theater wieder zu gewinnen. Wir sind natürlich stolz darauf, dass er sich hat überreden lassen. Aber er ist einfach ein Theaterfanatiker, ein ganz großer Künstler. Einfach toll, dass er das gemacht hat."

Weitere Informationen
Der Zuschauerraum im Großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters. © Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin Foto: Silke Winkler

Mecklenburgisches Staatstheater zieht positive Bilanz

Zu den Vorstellungen der zu Ende gehenden Spielzeit 2022/23 sind insgesamt 131.000 Besucher gekommen. mehr

Deutsches Schauspielhaus, Hamburg © Deutsches Schauspielhaus / Kerstin Schomburg Foto: Kerstin Schomburg

Was bringt die neue Spielzeit? Die Theaterszene im Norden

Queere Menschen, die NS-Euthanasie oder antike Stoffe: Auf den norddeutschen Bühnen geht es um Vielfalt und Zusammenhalt. mehr

"Die Orestie": Viel Blut bei antiker Trilogie in Schwerin

Das Mecklenburgische Staatstheater spielt die drei Tragödien an einem Abend - ein 2500 Jahre altes, hochaktuelles Werk.

Datum:
Ende:
Ort:
Mecklenburgisches Staatstheater
Alter Garten 2
19055 Schwerin
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 29.09.2023 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Ein Sänger steht auf einer Bühne, hält in einer Hand das Mikrofon und die andere ist nach oben gestreckt. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender kommen 2025

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für 2025 angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?