Plakate mit Schiffen auf der Kulturstätte Kampnagel in Hamburg mit der Aufschrift: "How low can we go" © NDR Screenshot
Plakate mit Schiffen auf der Kulturstätte Kampnagel in Hamburg mit der Aufschrift: "How low can we go" © NDR Screenshot
Plakate mit Schiffen auf der Kulturstätte Kampnagel in Hamburg mit der Aufschrift: "How low can we go" © NDR Screenshot
AUDIO: Zamzam Ibrahim auf Kampnagel: Giftiger fühlte sich Klima selten an (5 Min)

Zamzam Ibrahim auf Kampnagel: Giftiger fühlte sich Klima selten an

Stand: 26.01.2024 10:19 Uhr

Es ist ein echter Aufreger - für viele ein Skandal. Gestern Abend begann das dreitägige Festival "How low can we go?" über Klimagerechtigkeit in der Kulturfabrik Kampnagel in Hamburg. Aber erhitztes Klima fand eher auf anderer Ebene statt.

von Peter Helling

Die Eröffnungsrede hat die 29-jährige Zamzam Ibrahim gehalten. Der in Somalia geborenen Britin wird Antisemitismus vorgeworfen und eine Nähe zur Israel-kritischen Boykottbewegung BDS. Nach den Vorwürfen hatte Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard die Rede der Klimaaktivistin ins Internet verlegt.

Aggressive Stimmung bei Demonstrierenden vor Kampnagel

Unfrieden, Aggression, Spaltung - so klingt das Klima vor Kampnagel kurz vor dem Auftritt von Zamzam Ibrahim. Mehrere Dutzend Demonstrierende, die einen pro Palästina, die teilweise "Stopp den Genozid" rufen - und Menschen, die deutlich leiser für Israel demonstrieren. Darunter sind auch iranische Frauen, die sich mit Israel solidarisieren. "Dass man als Antisemitin oder als Antisemit bei Kampnagel auftreten kann, macht mich fassungslos!", sagt Shelly Meyer, eine der Initiatorinnen der Pro-Israel-Demo. Sie ist jüdische Aktivistin aus Hamburg. "Dass ich mich heute vor Kampnagel als Nazi beschimpfen lassen musste, ist eigentlich dem Ganzen zu verschulden, dass Kampnagel so etwas zulässt."

Videos
Der Eingang des Kulturzentrums Kampnagel. © Screenshot
2 Min

Antisemitismus: Streit um Gastrednerin auf Kampnagel

Die Klimaaktivistin Zamzam Ibrahim hatte in Folge des Kriegs in Nahost Kritik an Israel geäußert. 2 Min

"So was" - das ist der Auftritt von Zamzam Ibrahim, die Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland verglich, die noch im Dezember im iranischen Staatsfernsehen von einem Genozid an den Palästinensern sprach, die Israel als Staat dämonisiert. Der Vortrag der 29-jährigen Aktivistin ist nicht wie angekündigt live und in einer Kampnagel-Halle. Sondern ein aufgezeichnetes Video, Kampnagel wollte sichergehen. "Please just entertain me by inhaling deeply all the good vibes and exhaling all the bad vibes" (deutsch in etwa "bitte atmen Sie tief die guten Stimmungen ein und die schlechten aus"). Die britische Klima-Aktivistin beginnt ihre Rede ganz harmlos mit Atemübungen. Sie raunt dann aber, wir alle hätten schon Genozide live auf unseren Bildschirmen erlebt: "unfortunately we all lived to see genocides play out live on our screens".

Volker Beck kritisiert: Intendantin ohne Eigenschaften und ohne Standpunkt

Der Kampf gegen Klimawandel sei ein Kampf gegen die Systeme, die den Klimawandel anheizen, weiße Vorherrschaft, Rassismus, Ausbeutung, Gier - und Antisemitismus? Erwähnt sie nicht. Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard heißt sie im Video willkommen. Sie spricht von "Kontroversen".

"Also das war wirklich die Intendantin ohne Eigenschaften und ohne Standpunkt. Warum kann man nicht in so einer Situation eine klare Absage an Israelhass und Antisemitismus formulieren?", fragt Volker Beck, Präsident der Deutsch-israelischen Gesellschaft. "Ich finde es eine Katastrophe, so jemanden einzuladen. Das, was ich von der Keynote gehört habe, war eine Aneinanderreihung von Banalitäten." Ansonsten habe Ibrahim vor allen Dingen Anspielungen gemacht, "die Resonanz bieten für das, was sie eben vor ihrem Auftritt da gesagt hat: dass es einen Genozid im Gazastreifen gibt, dass Israel mit dem Nationalsozialismus zu vergleichen ist, die Diabolisierung von Israel. Davon hat sie nichts zurückgenommen", so Beck.

Weitere Informationen
Daniel Kaiser, NDR 90,3, kommentiert. © NDR

Kommentar zu Zamzam Ibrahim: Einladung war ein Fehler

Der Auftritt der Aktivistin Zamzam Ibrahim in der Kulturfabrik Kampnagel stößt auf viel Kritik. Daniel Kaiser kommentiert. mehr

Wen meint Zamzam Ibrahim mit "wir"?

Man fragt sich, wen Zamzam Ibrahim meint, wenn sie von "we" spricht - von "wir": Ist es auch ein jüdisches "Wir"? Die Jüdin Shelly Meyer hat da Zweifel. "Ich würde behaupten, dass ich nicht eingeladen wurde, an dieser Euphorie Teil zu nehmen, aktivistisch zu sein."

Amelie Deuflhard distanziert sich von jeder Form des Antisemitismus und sagt "dass ich ganz ganz weit fern von jeder antisemitischen Haltung bin". Sie zeigt sich aber erstmal erleichtert, dass Ibrahim eine - in ihren Augen - ausgewogene, gemäßigte und kämpferische Rede für alle gehalten hat. Es stellt sich die Frage, ob es das wert war. "Es war's vielleicht wert dafür, dass es keine gute Idee ist, dass wir unterschiedliche Stimmen von schwarzen Aktivistinnen, von muslimischen Aktivistinnen verstummen lassen. Wir müssen ohne solche harten Anwürfe diskutieren können", meint Deuflhard.

Leider eröffnet die Rede von Zamzam Ibrahim keinen Debattenraum, sie ist keine Einladung, kein Brückenschlag. Ein bitterer Befund zum Start eines Festivals über Klimagerechtigkeit. Denn giftiger fühlte sich Klima selten an.

Weitere Informationen
Die Halle der Kulturfarbrik Kampnagel in Hamburg mit einem großen Logo, das den Buchstaben K in Klammern zeigt. © picture alliance/dpa | Markus Scholz Foto: Markus Scholz

Nach heftiger Kritik: Kampnagel verlegt Veranstaltung ins Internet

An der Einladung einer Klimaaktivistin hatte es wegen israelfeindlicher Äußerungen Kritik gegeben. Aus Sicherheitsbedenken findet die Veranstaltung jetzt nur im Netz statt. mehr

Schild mit der Aufschrift "documenta fifteen" © picture alliance / Fotostand | Fotostand / Lammerschmidt

Grenzen der Kunstfreiheit: emotionales documenta-Symposium

Hessens Ministerin Dorn brachte es auf den Punkt: Die Zukunft der documenta ist nicht mehr von der schmerzhaften Realität zu trennen. mehr

Stefan Hensel © picture alliance/dpa Foto: Marcus Brandt

Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Hensel kritisiert HfBK

Stefan Hensel wirft Hamburger Kulturinstitutionen vor, Raum für Antisemitismus zu lassen - darunter die Hochschule für Bildende Künste (HFBK). mehr

Martin Köttering, Präsident der Hochschule für bildende Künste Hamburg, gestikuliert am Podium der HfbK (Archivbild von Oktober 2022) © picture alliance/dpa | Georg Wendt Foto: Georg Wendt
3 Min

Wachsender Druck auf HfBK-Präsident Martin Köttering

Wieder treten die ehemaligen Gastdozenten mit Israel-Hass in Erscheinung. Die Hamburger Hochschule aber bleibt stumm. Das löst massive Kritik aus. 3 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 26.01.2024 | 07:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Kulturpolitik

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Eine Frau mit langen dunklen Haaren, die zu einem Zopf gebunden sind, steht auf der Bühne, hält ein Mikrofon in der Hand und singt. Es ist die US-amerikanische Sängerin Beth Hart. © picture alliance / Ritzau Scanpix | Helle Arensbak Foto: Helle Arensbak

Beth Hart in der ZAG Arena Hannover: nicht mal halb gefüllt

US-amerikanische Blues- und Rocksängerin heizt dem Publikum ein, doch sie spricht auch über bipolare Störungen und Drogensucht. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?