Zamzam Ibrahim auf Kampnagel: Giftiger fühlte sich Klima selten an
Es ist ein echter Aufreger - für viele ein Skandal. Gestern Abend begann das dreitägige Festival "How low can we go?" über Klimagerechtigkeit in der Kulturfabrik Kampnagel in Hamburg. Aber erhitztes Klima fand eher auf anderer Ebene statt.
Die Eröffnungsrede hat die 29-jährige Zamzam Ibrahim gehalten. Der in Somalia geborenen Britin wird Antisemitismus vorgeworfen und eine Nähe zur Israel-kritischen Boykottbewegung BDS. Nach den Vorwürfen hatte Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard die Rede der Klimaaktivistin ins Internet verlegt.
Aggressive Stimmung bei Demonstrierenden vor Kampnagel
Unfrieden, Aggression, Spaltung - so klingt das Klima vor Kampnagel kurz vor dem Auftritt von Zamzam Ibrahim. Mehrere Dutzend Demonstrierende, die einen pro Palästina, die teilweise "Stopp den Genozid" rufen - und Menschen, die deutlich leiser für Israel demonstrieren. Darunter sind auch iranische Frauen, die sich mit Israel solidarisieren. "Dass man als Antisemitin oder als Antisemit bei Kampnagel auftreten kann, macht mich fassungslos!", sagt Shelly Meyer, eine der Initiatorinnen der Pro-Israel-Demo. Sie ist jüdische Aktivistin aus Hamburg. "Dass ich mich heute vor Kampnagel als Nazi beschimpfen lassen musste, ist eigentlich dem Ganzen zu verschulden, dass Kampnagel so etwas zulässt."
"So was" - das ist der Auftritt von Zamzam Ibrahim, die Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland verglich, die noch im Dezember im iranischen Staatsfernsehen von einem Genozid an den Palästinensern sprach, die Israel als Staat dämonisiert. Der Vortrag der 29-jährigen Aktivistin ist nicht wie angekündigt live und in einer Kampnagel-Halle. Sondern ein aufgezeichnetes Video, Kampnagel wollte sichergehen. "Please just entertain me by inhaling deeply all the good vibes and exhaling all the bad vibes" (deutsch in etwa "bitte atmen Sie tief die guten Stimmungen ein und die schlechten aus"). Die britische Klima-Aktivistin beginnt ihre Rede ganz harmlos mit Atemübungen. Sie raunt dann aber, wir alle hätten schon Genozide live auf unseren Bildschirmen erlebt: "unfortunately we all lived to see genocides play out live on our screens".
Volker Beck kritisiert: Intendantin ohne Eigenschaften und ohne Standpunkt
Der Kampf gegen Klimawandel sei ein Kampf gegen die Systeme, die den Klimawandel anheizen, weiße Vorherrschaft, Rassismus, Ausbeutung, Gier - und Antisemitismus? Erwähnt sie nicht. Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard heißt sie im Video willkommen. Sie spricht von "Kontroversen".
"Also das war wirklich die Intendantin ohne Eigenschaften und ohne Standpunkt. Warum kann man nicht in so einer Situation eine klare Absage an Israelhass und Antisemitismus formulieren?", fragt Volker Beck, Präsident der Deutsch-israelischen Gesellschaft. "Ich finde es eine Katastrophe, so jemanden einzuladen. Das, was ich von der Keynote gehört habe, war eine Aneinanderreihung von Banalitäten." Ansonsten habe Ibrahim vor allen Dingen Anspielungen gemacht, "die Resonanz bieten für das, was sie eben vor ihrem Auftritt da gesagt hat: dass es einen Genozid im Gazastreifen gibt, dass Israel mit dem Nationalsozialismus zu vergleichen ist, die Diabolisierung von Israel. Davon hat sie nichts zurückgenommen", so Beck.
Wen meint Zamzam Ibrahim mit "wir"?
Man fragt sich, wen Zamzam Ibrahim meint, wenn sie von "we" spricht - von "wir": Ist es auch ein jüdisches "Wir"? Die Jüdin Shelly Meyer hat da Zweifel. "Ich würde behaupten, dass ich nicht eingeladen wurde, an dieser Euphorie Teil zu nehmen, aktivistisch zu sein."
Amelie Deuflhard distanziert sich von jeder Form des Antisemitismus und sagt "dass ich ganz ganz weit fern von jeder antisemitischen Haltung bin". Sie zeigt sich aber erstmal erleichtert, dass Ibrahim eine - in ihren Augen - ausgewogene, gemäßigte und kämpferische Rede für alle gehalten hat. Es stellt sich die Frage, ob es das wert war. "Es war's vielleicht wert dafür, dass es keine gute Idee ist, dass wir unterschiedliche Stimmen von schwarzen Aktivistinnen, von muslimischen Aktivistinnen verstummen lassen. Wir müssen ohne solche harten Anwürfe diskutieren können", meint Deuflhard.
Leider eröffnet die Rede von Zamzam Ibrahim keinen Debattenraum, sie ist keine Einladung, kein Brückenschlag. Ein bitterer Befund zum Start eines Festivals über Klimagerechtigkeit. Denn giftiger fühlte sich Klima selten an.