Nicht nur auf die Bühne schauen! Die Rabitzdecke am Theater Greifswald
Wenn das Greifswalder Theater wieder geöffnet ist, sollten sich die Besucherinnen und Besucher die Decke ganz genau anschauen. Auch wenn auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu erkennen ist: Diese Decke ist besonders.
Der Innenraum des Greifswalder Theaters ist ein undurchdringliches Gerüstdickicht, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Dicht an dicht sind Metallstangen verschraubt, kreuz und quer bis hoch zur Decke. Ein halbes Jahr lang haben Gerüstbauer an dieser Konstruktion gearbeitet. Tommy Greinert vom Immobilienverwaltungsamt Greifswald ist der leitende Ingenieur: "Jetzt sehen wir das große Raumgerüst, was die Rabitzdecke umfängt und abstützt, so dass man die begehen kann. Dazu mussten wir die Sitzreihen auf dem ersten Rang und dem zweiten Rang ausbauen."
Denkmalgeschützte Rabitzdecke im Greifswalder Theater
Das Gerüst füllt den gesamten Theaterinnenraum aus, knapp 16 Meter im Quadrat, elf Meter hoch. Von unten werden Holzplatten unter die Decke gedrückt, um die historische Rabitzdecke trittsicher zu machen, erklärt Greinert: "Die hängt an ganz vielen Drähten am Dachtragwerk und ist nicht begehbar. Es ist eine Unterkonstruktion aus einem Rundstahl, der ummantelt ist von dem sogenannten Rabitzdraht. Der ist mit einem Kalk-Gips-Mörtel - da sind auch teilweise Kälberhaare drin - verputzt."
Der Rabitzputz ist nach seinem Erfinder benannt, Carl Rabitz, einem Berliner Maurermeister. 1879 wurde seine Entwicklung patentiert und für öffentliche Gebäude empfohlen, auch 1915 im Greifswalder Theater. Rabitzdecken hängen an knapp 50 cm langen feuerfesten Drähten und sind nicht mit tragenden Dachteilen verbunden. Es gibt natürlich längst modernere Brandschutzmöglichkeiten, aber die Rabitzdecke steht unter Denkmalschutz, erzählt Greinert: "Die Decke gab es, soweit ich das sagen kann, nur im norddeutschen und Berliner Raum. Von diesen Rabitzdecken ist nicht mehr viel erhalten."
Sanierung des Theaters: Ein schwieriges Unterfangen
Ohne die Rabitzdecke wäre die Theatersanierung in Greifswald wohl nicht so ein schwieriges Unterfangen. Im Juni vergangenen Jahres wurde das Haus geschlossen. Die Gerüststatik wurde von Tragwerksplanern ausgetüftelt, im Dezember begann der Gerüstaufbau.
Bisher ist noch keine andere Baumaßnahme für die Theatersanierung ausgeschrieben, sagt der Leiter des Immobilienverwaltungsamts Winfried Kremer: "Es ist nicht so, dass wir ein Konzept einreichen. Da sind viele beteiligte Stellungnahmen einzuholen: die Naturschutzbehörde wegen Baumfällungen, dieses Brandschutzkonzept - das ist sehr umfangreich. Das sind viele Sachen, die zusammengetragen werden müssen, und die Bauordnung hat viele große andere Bauvorhaben hier in der Stadt zu prüfen - siehe Helmholtz-Institut. Das sind alles Vorhaben, die parallel geprüft werden müssen. Da wird dann Einiges hinten angestellt." Auch weil die Rabitzdecke und das riesige Gerüst alles andere aufhält.
Geplante Wiedereröffnung in drei Jahren
Bisher laufen im Theater Greifswald nur bauvorbereitende Maßnahmen, die erst nach Analysen durch Bauforscher in die Ausschreibung gehen können. Für die Rabitzdecke kommt ein Spezialist aus Süddeutschland und wird in den Katakomben über der Decke zwischen den Drähten herumkriechen, erzählt Greinert: "Als nächstes, wenn die Rabitzdecke beräumt ist und die Lüftungskanäle zurückgeschnitten sind, kommt der Restaurator. Er wird Proben nehmen, analysieren, aus welchem Material die besteht, sich die Abhänger angucken, ob die richtig sind. Dann wird er daraus ein Sanierungskonzept entwickeln, was wir einer Firma an die Hand geben und damit Angebote einholen."
62 Millionen Euro soll die gesamte Theatersanierung kosten. Rund 22 Millionen Euro davon sollen aus den Städtebauförderprogrammen des Bundes und des Landes kommen. In drei Jahren, heißt es optimistisch aus der Stadtverwaltung, soll das Greifswalder Theater wieder eröffnet werden.