Melanie Zimmermann: "Mit Tanzen verarbeitet man Dinge"
Melanie Zimmermann ist die neue Leiterin des Tanzfestivals "Real Dance" in Hannover. Wie ihr erstes Programm ausschaut und was Tanz für sie bedeutet, darüber spricht sie bei NDR Kultur à la carte.
Hannover ist nicht nur Stadt der Musik, Hannover ist auch Stadt des Tanzes. Fast vier Jahrzehnte hatte das "Tanztheater international" hier seine große Bühne. Nach 38 Jahren bekommt das Festival nun ein neues Etikett und heißt jetzt "Real Dance". Vom 24. bis 28. Januar wird in Hannover wieder kräftig getanzt und experimentiert. Vorher ist die neue künstlerische Leiterin Melanie Zimmermann zu Gast in "NDR Kultur à la carte" und spricht über die Philosophie des Tanzes.
Melanie Zimmermann, die neue Leiterin des Real Dance Festival. Der Name klingt für mich ein bisschen eindimensional. Ich habe mich gefragt, was ist denn real dance? Was steckt hinter dem Namen?
Melanie Zimmermann: Erst mal ist es schwierig, einen neuen Titel zu finden. Wenn man sich mal die Liste der Festivals anschaut, dann haben die entweder irgendetwas mit dem Monat, der Jahreszeit oder mit der Stadt zu tun. Das alles wollten wir nicht. Real Dance ist eine sehr kühne Behauptung und auch ein augenzwinkerndes Zeichen an all diejenigen, die denken, das ist Bühnentanz, oder das ist Tanz. Gleichzeitig ist es ganz ernst gemeint. Es gibt, glaube ich, nichts Realeres als einen sich bewegenden Körper, der etwas ausdrückt, der das verarbeitet, was er verarbeiten muss. Vor allem die jungen Leute haben gar keine Probleme damit, muss ich sagen. Das ist sozusagen eine doppelschneidige Ansage. Das Festival soll vor allem Leute ansprechen, die Lust auf Tanz haben. Aber eben auch jene, die mit Tanz noch nicht so viel in Berührung gekommen sind und diese Echtheit erleben wollen. Darum geht es in dem Festival.
Was ist für dich echt beim Tanzen?
Zimmermann: Das Echte am Tanzen ist dieses Fühlen von Bewegungen, von Emotionen, von Choreografie, von Gefühlen. Wenn man sich in die Bewegung reinfühlt, dann spürt man den Körper auf spezifische Weise. Man fühlt sich echt, man fühlt sich einfach. Ich glaube, das ist ein ganz tolles Medium oder Mittel, um verschiedene Dinge zu verarbeiten und sich auszudrücken und in irgendeine Form zu bringen. Tanz wird so vielfältig eingesetzt, ob im Bühnentanz oder beim Social Dancing. Ich bin in Clubs gegangen. Tanz oder Choreografie werden benutzt, um politische Anliegen auszudrücken. Ob das jetzt auf Demos ist oder wie in sozialistischen Ländern früher diese Propaganda-Tänze, diese Massentänze. Tanz ist Ausdruck von Ideologie, aber auch von Gefühlen und von Anliegen. Der Tanz hat so viele Qualitäten, er ist gesund, vielfältig, identitätsstiftend, unterhaltsam, anregend und utopisch. Dass er sich in seiner ganzen Vielfalt präsentieren sollte. Wenn ich Sport mache, tanze ich. Ich habe das Privileg gehabt, dass ich ganz früh angefangen habe zu tanzen und das prägt meine Sicht auf die Welt. Wenn ich Tanz anschaue, dann fühle ich das im Körper. Das ist ein großer Erfahrungswert, den ich habe, um Bühnentanz sehen, einschätzen und programmieren zu können.
Das Gespräch führte Andrea Schwyzer.