Marie Bues über ihre "Nora"-Inszenierung am Schauspiel Hannover
Marie Bues inszeniert am Schauspiel Hannover "Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert" von Sivan Ben Yishai. Dabei werden verkrustete Rollenmuster und die Macht der Gefühle hinterfragt. Über ihre Inszenierung spricht sie bei NDR Kultur à la carte.
"Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert" heißt das Stück von Sivan Ben Yishai, das am 13. Januar am Schauspiel Hannover uraufgeführt wird. Im Hintergrund steht natürlich Henrik Ibsens Theaterstück "Nora oder Ein Puppenheim" von 1879. Bei Ibsen geht es um zeitgenössische Konventionen, um verkrustete Rollenmuster, um die Macht der Gefühle. Sivan Ben Yishai greift diese Themen auf, transportiert sie in die Gegenwart und hinterfragt beispielsweise prekäre Arbeitsverhältnisse oder einen sogenannten "weißen Feminismus". Regie führt Marie Bues, die zuletzt Stücke wie "Antigone" oder "Wir sind nach dem Sturm" am Schauspiel Hannover zur Aufführung gebracht hat. Über ihre Inszenierungen, ihr großes Interesse an zeitgenössischen Stoffen und über ihr neues Stück spricht sie in NDR Kultur à la carte.
Marie Bues, Sie haben schon sehr häufig mit Sivan Ben Yishai zusammengearbeitet. Das Stück jetzt ist eine Auftragsarbeit des Schauspiels Hannover. War es von vornherein klar, dass Sie das inszenieren werden?
Marie Bues: Das war von Anfang an klar. Sivan Ben Yishai und ich arbeiten bereits seit sieben Jahren zusammen. Wir haben dadurch auch eine eigene Sprache in der künstlerischen Zusammenarbeit gefunden. Es ist schon meine fünfte Inszenierung in Hannover und ich habe auch mit dem Ensemble, mit der Dramaturgie und der Leitung eine gemeinsame Sprache. Da hatten wir Lust, das mal zu verbinden. Sie hatten auch ein großes Interesse an Sivan und hatten auch schon die Aufführung "Liebe" von ihr inszeniert, insofern hat es sehr gut gepasst. Wir haben uns schon seit eineinhalb Jahren mit diesem Stoff befasst und ganz viele Fassungen zusammen gelesen. Die Dramaturgin Nora Khuon und ich haben das sehr eng begleitet. Sivan hat immer wieder geschrieben und uns einen Teil vorgelesen. Sie hatte Lust, uns teilhaben zu lassen und das in der Form des Vorlesens. Wir haben dadurch tolle Zusatzinformationen bekommen, weil wir beim Lesen etwas über den Rhythmus und das Sprachgefühl mitbekommen haben. Und so haben wir inhaltlich immer wieder mehrere Fassungen und Schritte begleitet.
Ich habe das Gefühl, das Stück ist wie eine Reise durch die aktuellen Diskussionen, die wir alle in der Gesellschaft erleben: Gender-Pay-Gap, Patriarchat, aber auch Kapitalismuskritik. Da ist ganz schön viel drin.
Bues: Ja, auch Klassismus wird verhandelt, eben Kapitalismus als System, was Klassismus fördert. Das ist ganz toll, dass daran so viel verhandelt werden kann. Das funktioniert immer auf eine sehr gute Art und Weise, dass die Menschen sozusagen anhand des "Nora Stoffes" ins Diskutieren und Nachdenken geraten. Nora wird als eine ganz heutige, eigentlich woke Personen erzählt, trotzdem stecken viele rassistische, internalisierte Begriffe drin. An der Stelle spricht aus ihr ein doch sehr privilegiertes Bürgertum, obwohl sie sich für aufgeklärt, feministisch und aller Diskurse mächtig fühlt. Es ist nicht gleich auf Augenhöhe mit den Gruppen, die marginalisiert sind oder deren Perspektiven auf einer Bühne nicht selbstverständlich vorkommen.
Das Gespräch führte Katja Weise.