Alexander Klar: Bilder von Caspar David Friedrich erzählen Geschichten
Die Hamburger Kunsthalle feiert den 250. Geburtstag des "Superstars" der Romantik. Über Caspar David Friedrich, seine Kunst und seine Wirkung spricht Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle im Gespräch bei NDR Kultur à la carte.
Himmel, Wolken, Meer, unendliche Weiten - das sind die Bilder von Caspar David Friedrich. Vor bald 250 Jahren, 1774, wurde der "Superstar" geboren, heute gehört der Romantiker zu den wichtigsten Malern der Kunstgeschichte. Ein Jubiläum, das innehalten und die Kunstwelt vibrieren lässt. Hamburg hat das Caspar David Friedrich-Jubiläum eröffnet, in der Kunsthalle ist bereits die Ausstellung "Kunst für eine neue Zeit" zu sehen. Im Laufe des kommenden Jahres folgen Ausstellungen in Berlin, Dresden und Greifswald. Und auch das New Yorker Metropolitan Museum bereitet sich auf die erste amerikanische Retrospektive für 2025 vor. Über Caspar David Friedrich, seine Kunst und seine Wirkung spricht Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle, mit Claudia Christophersen in "NDR Kultur à la carte".
Was hat es mit diesen Rückenfiguren bei Caspar David Friedrich auf sich? Warum schaut die Figur nicht in die Richtung des Betrachters oder der Betrachterin?
Alexander Klar: Das ist vielleicht ein Teil der Modernität von Caspar David Friedrich, denn man könnte diese Rückenfigur auch Avatare nennen. Beim modernen Gaming schaue ich meinen Söhnen immer mal über die Schulter und stelle fest, dass sie hinter ihren Figuren hinterherrennen. "Der Wanderer" ist eine besonders große Rückenfigur. Normalerweise sitzen Leute mit dem Rücken zu uns. Da möchte man sich dazu setzen. Es ist nicht so, dass die Leute einladen, sie sitzen versunken da. Aber sie weisen einen auch nicht ab. Das heißt, zu diesen beiden Frauen und dem Mann, die da im Angesicht des Mondscheins auf dem Felsen am Wasser sitzen, könnte man sich dazusetzen, links am Felsen ist noch Platz. Der "Wanderer" ist so groß und prominent im Bild, dass er zu einem Selbst wird. Man hat das Gefühl, das ist ein Stellvertreter von uns. Man steht da und blickt auf das Unbekannte des im Nebel Versunkenen. Die Metaphorik ist so unglaublich universell, das kann jeder verstehen, aus jedem kulturellen Hintergrund und das macht das Bild so stark.
Wenn Goethe Caspar David Friedrich nicht so geschätzt hat, haben es andere getan, wie zum Beispiel Heinrich von Kleist. Der hat auch über Friedrich geschrieben. Kleist hat die "Empfindung zu Friedrichs Seelandschaft" geschrieben, er schreibt: "Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer unter trübem Himmel auf eine unbegrenzte Wasserwüste hinaus zu schauen." Ein Satz und der Kosmos ist eröffnet.
Klar: Er beschreibt den "Mönch am Meer", das erste Bild der Moderne. Da bezieht sich später der Minimalismus drauf. Das ist auch das Verstörende, dass Kleist und die junge Avantgarde ihn verstanden haben. Die Kleists ihrer Zeit waren aber auch vollkommen durchgeknallte Gestalten. Für Goethe war Jakob Philipp Hackert ein Vorbild, er malte sonnige Landschaften mit freundlichen Menschen. Die freundlichen Menschen sind meistens Hirten und der Betrachter ist meistens ein Fürst. Bei Caspar David Friedrich ist das anders, das sind dunkle Bilder, Bilder von einer unglaublichen Unzugänglichkeit. Für die Zeitgenossen war das verstörend. Das war die Avantgarde der 1810er- und 1820er-Jahre. Die junge literarische, also die Avantgarde, hat das sofort erkannt, diese Analogie, dass sich das anfühle, als ob einem die Augenlider abgeschnitten werden. Das bezieht sich auf diese potenzielle Unendlichkeit der Bilder. Zum Beispiel der "Mönch am Meer", der geht rechts und links noch weiter. Das ist ein irrsinnig weiter Horizont. Alle Bilder von Caspar David Friedrich haben menschliche Formate. Der "Mönch am Meer" ist durchaus groß. Der größte ist, glaube ich, der "Watzmann" und der "Mondschein". Aber im Großen und Ganzen sind das Bilder, die menschliche Maße haben, aber vom Inhalt her, könnten die viel größer sein.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.