Das Theater Lübeck in der Frontalansicht © Olaf Malzahn Foto: Olaf Malzahn

"Macht und Missbrauch trennen": Caspar Sawade vom Theater Lübeck

Stand: 02.07.2023 07:48 Uhr

Caspar Sawade wünscht sich, dass die Macht strukturell kontrolliert wird. Er war bereits an verschiedenen Theatern in leitender Funktion tätig und ist seit August 2020 Geschäftsführender Theaterdirektor in Lübeck. 

von Andrea Schwyzer

Wenn Caspar Sawade an seine bisherige Laufbahn zurückdenkt, kann er sagen: "Die Situation hat sich verbessert." Als er noch in der Schauspielausbildung war, lautete die Prämisse: "Die jungen Menschen müssen erst gebrochen werden, um sie dann neu zu formen."

Macht heißt nicht automatisch Missbrauch

Caspar Sawade vor einer Bühne mit vielen herumstehenden Dingen. © Screenshot NDR
Macht bedeutet nicht automatisch auch Missbrauch, sagt Caspar Sawade.

"Wir haben hier in Lübeck ein Direktorium. Ich habe also keine Alleinherrscherposition. Das Wort Intendanz kommt bei uns nicht vor." Das sei schon einmal ein gewisser Stellhebel. Er erklärt, dass im Künstlerischen immer eine Machtposition liege, denn, so Sawade: "Wenn wir erwarten, dass jemand ein künstlerisches Programm verantwortet, muss es da auch gewisse Möglichkeiten geben, künstlerische Dinge gegen den Willen anderer durchzusetzen. Aber: Macht heißt nicht automatisch Missbrauch." 

Damit diese Prozesse, die künstlerischen Entscheidungen, auf Augenhöhe stattfinden können, wurde in Lübeck ein Verhaltenskodex ausgearbeitet, der auch für Gäste gilt. Hält sich eine Regisseurin oder ein Regisseur nicht daran, wird sie oder er an dem Haus nicht mehr inszenieren. "Wir haben Vertrauenspersonen in den Produktionen, die uns von der Arbeit berichten", erzählt Sawade. Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, dann sei die Führungsperson gefordert. Man müsse die Person zur Seite nehmen, auf das Fehlverhalten hinweisen, "und dann hat jemand auch die Chance, sein bisher eingeübtes, tradiertes Verhalten zu ändern". 

Große Künstlerpersönlichkeit darf nicht alles

Es habe an deutschen Bühnen durchaus die Glorifizierung von Regisseuren gegeben - zum Beispiel von Peter Zadek, erklärt er. Dieser Mythos von der großen Künstlerpersönlichkeit, die alles darf, müsse abgebaut werden. "Macht und Machtmissbrauch sind zwei Dinge, die müssen wir jetzt trennen. Wir brauchen eine Struktur an Theatern, die nicht nur selbstbestimmt kollektiv ist." Es brauche an allen Bühnen eine Sanktionsspirale, sagt Sawade: "Was ist Machtmissbrauch? Welche Formen gibt es? Wie wirken wir dem entgegen? Wie reagieren wir, wenn es passiert?" 

Sagt was! Wehrt euch!

In Lübeck hat Caspar Sawade ein breit angelegtes Kommunikationskonzept eingeführt. Teambuilding, Mitarbeiterinnengespräche - "dass man ganz normale Mechanismen, die es in Wirtschaftsunternehmen schon gibt, in guter Führung schafft". Die beinhalte eine Feedbackkultur und die Kommunikation auf Augenhöhe. Dabei gehe es auch darum, Mitarbeitende zu ermutigen: Sagt was! Wehrt euch, geht zur Leitung, zeigt es an! 

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