Liebe, Eifersucht und Rache: "Der Bajazzo" in Hannover
Kürzer als ein "Tatort", energetische Musik, viel Dramatik und voller Emotionen: Der Zweiakter "Der Bajazzo" von Ruggero Leoncavallo feiert heute in Hannover Premiere - als Auftakt der neuen After-Work-Reihe.
Die Katastrophe kündigt sich schon im Bühnenbild an: Rechts ist der Boden einer Manege in die Schieflage geraten, in der Mitte hat Bühnenbildner Ralf Käselau ein breites Loch erschaffen, in das ein rot gestrichenes Klavier abgesackt ist. Canio, Leiter einer Komödiantengruppe - verkörpert vom russisch-amerikanischen Tenor Viktor Antipenko - läuft mal Frohsinn verbreitend mit einer riesigen Trommel hin und her, dann singt er ergriffen.
Liebe, Eifersucht und Rache sind der Stoff, aus dem das Stück der Komödianten gemacht ist. Am Ende überträgt es sich auch auf das Leben der Schauspieler hinter der Bühne. Die Fiktion wird zur Wirklichkeit.
Menschen beim Scheitern zusehen
"Das ist ein Werk, das mitten in der Gesellschaft spielt und ein totaler Strudel abwärts ist", erklärt der erste Kapellmeister der Staatsoper Hannover, Mario Hartmuth. Man schaue den Menschen beim Scheitern zu, wie ihnen ihre ganze Lebensgrundlage entgleite, und beobachte einfach eine Stunde, wie dieser Canio immer mehr die Kontrolle verliert. "Bis er am Schluss einfach nicht mehr unterscheiden kann: Was ist Realität, was ist Bühne?"
Denn dass sich seine Frau Nedda auf der Bühne als Colombina in einen Harlekin verliebt, gehört zum Theaterspiel. Als Canio sie im wirklichen Leben in flagranti mit demselben Mann erwischt, verliert er die Fassung. Am Ende sind Ehefrau und Liebhaber tot.
Die Realität auf die Bühne geholt
Uraufgeführt wurde "Der Bajazzo" des italienischen Komponisten Ruggero Leoncavallo 1892. Es ist die Epoche des Verismo, in der Opernschaffende nach mehr Realität auf der Opernbühne strebten. "Man versucht sehr unmittelbar und ehrlich zu musizieren", erklärt Kapellmeister Mario Hartmuth. Der Ursprung sei der Text und die Gefühle und Charaktere würden ganz deutlich in der Musik gekennzeichnet. Es gebe einige Motive, die immer wiederkehrten, aber keiner Person zuzuordnen seien, sondern vielmehr Stimmungen transportierten. Das gelte es möglichst klar zu musizieren.
Eineinviertel Stunden nur dauert die Aufführung, sie ist kürzer als ein "Tatort", ist im Ankündigungstext der Staatsoper Hannover zu lesen. Damit ist das Werk auch ideal für die neue After-Work-Reihe des Hauses: nach der Arbeit noch kurz in die Oper – und das nicht stundenlang und mit Veranstaltungsstart eine Stunde früher als sonst. Viele im Publikum der öffentlichen Probe sind von dieser Idee angetan.
Neues Publikum gewinnen
"Wenn es hilft, neues Publikum in die Oper zu bekommen: vollkommen in Ordnung", sagt ein Probenbesucher. Voller Enthusiasmus ist eine Frau: "So kann man das noch mehr in seinen Alltag integrieren, dass es nicht nur eine tolle Veranstaltung fürs Wochenende ist, sondern dass es so ein alltägliches Ding wird. Das finde ich total toll."
So alltäglich wie die Gefühle eines Mannes wie Canio, der im Bajazzo betrogen wird und mit Eifersucht reagiert. Eine kurze Oper mit energetischer Musik, Dramatik und viel Emotion, die sich für einen Besuch nach der Arbeit gut eigenen dürfte.
Im Programm ARD Oper sendet NDR Kultur am 26. Oktober 2024 um 20 Uhr einen Mitschnitt der Premiere vom Vortag.