Staatsoper Hannover: Bermans Dialog mit der Moderne
Gemeinschaft und die Sehnsucht nach Frieden - das sollen die großen Themen sein in der kommenden Saison an der Staatsoper Hannover. Es wird die letzte sein mit Laura Berman als Intendantin. Am Freitag hat sie ihr Abschiedsprogramm vorgestellt.
Laura Berman, warum liegen Ihnen als Intendantin die Themen "Gemeinschaft" und "Sehnsucht nach Frieden" so sehr am Herzen?
Laura Berman: Sie liegen mir persönlich natürlich sehr am Herzen, aber das war nicht mein Wunsch, dass dies die Hauptthemen sind. Vielmehr haben wir beim Machen des Spielplans beobachtet, welche Vorschläge aus dem Team kommen, von den Künstlerinnen und Künstlern. Da haben wir dann einen roten Faden erkannt. Ich finde, das ist immer so ein Signal: Was interessiert uns Menschen im Moment im Allgemeinen?
Sieben Opernpremieren und eine Musical-Premiere gibt es in der kommenden Saison, darunter viel zeitgenössisches Musiktheater. Das ist schon auffällig - warum dieser Dialog mit der Moderne?
Berman: Weil wir jetzt leben und weil es auch ein Bedürfnis unseres Publikums ist. Die jüngere Generation hat auf jeden Fall das Bedürfnis nach Stücken von jetzt und heute. Deshalb beginnen wir mit "Satyagraha" von Philip Glass, weil wir das Gefühl hatten, dass dies eine Musik ist, die eine große Bandbreite unseres Publikums anspricht.
Im Februar steht eine Uraufführung ins Haus: Sie haben Roland Schimmelpfennig als Dramatiker und Jazzmusiker Michael Wertmüller beauftragt mit der Oper "Israel in München". Darin soll es um die Geschehnisse bei Olympia ’72 gehen. Dieses Thema hat in diesen Wochen und Monaten ja nun eine traurige, aktuelle Brisanz bekommen …
Das war überhaupt nicht vorhersehbar. Ich habe schon einmal eine Uraufführung einer Oper von Michael Wertmüller in Basel gemacht: Er ist der neuen Musikszene in Europa sehr bekannt, vor allem, weil er vom Jazz kommt. Er hat auch mal in einer Heavy-Metal-Band Schlagzeug gespielt. Und dieser Genre-Mix, dieser Drive, diese Theatralik kommt bei vielen verschiedenen Menschen an. Und er ist ein wirklich guter Erzähler.
Wir saßen schon 20/21 an unserem Programm und kamen auf München '72 - ich weiß noch, dass ich damals dem Team gesagt habe, dass dies ein Thema sei, das immer relevant bleibe. Aber natürlich haben wir nicht geahnt, in welchem Zusammenhang das Stück jetzt kommen wird. Ich finde, es hilft uns, Fragen zu beantworten und die Situation besser zu verstehen, wenn wir uns mit einem historischen Ereignis beschäftigen. Wir werden auch ein Rahmenprogramm anbieten, das der ganzen Sache aus verschiedenen Perspektiven nachgeht - weil man in einer Opernproduktion nur eine Perspektive zeigen kann.
Interessanterweise wird auch Marco Goecke wieder eine Rolle spielen. Nach dem Hundekot-Vorfall von vor etwas mehr als einem Jahr hatte sich das Staatstheater ja von ihm als Ballettchef getrennt. Das Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt. Sind Sie zu seinem Stück "The Big Crying" im Juni auf ein großes Medienecho eingestellt?
Ich kann mir schon vorstellen, dass es verschiedene Reaktionen gibt. Ich bin der Meinung, man muss Kunst und künstlerisches Schaffen vom Menschen manchmal trennen. Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, Marco Goecke als Choreograf mit seiner choreografischen Handschrift heute zu zeigen. Er hat seine Geldstrafe akzeptiert und gezahlt. Er bleibt ein prägender zeitgenössischer Choreograf und es ist ein sehr besonderes, emotionales Stück, dass er geschaffen hat, während er hier als Ballettdirektor arbeitete. Es war uns sehr wichtig, diese besondere Handschrift noch einmal zu zeigen.
Sie beenden Ihren Vertrag nach dieser Spielzeit ja nun vorzeitig. Ende letzten Jahres haben Sie in einem Interview gesagt, es gebe viele Angebote, allein festgelegt seien Sie noch nicht. Gibt es denn da schon Neuigkeiten?
Nein, aber das hat einen einfachen Grund. Als ich nach Hannover kam, arbeitete ich noch in Basel und fuhr alle zwei Wochen zwischen diesen Städten hin und her. Ich habe Pläne für die Zukunft, aber die sind noch nicht unterschrieben, weil ich sehr gerne eine Pause machen möchte. Ich möchte mich ein wenig ausbremsen und nicht mehr überlappend für zwei Arbeitgeber gleichzeitig arbeiten. Aber es gibt durchaus sehr konkrete Pläne.
Das Gespräch führte Eva Schramm