"König Lear" als Kopf eines Familienimperiums
Es gilt als eines der blutrünstigsten Dramen William Shakespeares: "König Lear", die Geschichte um den alternden König, der sein Reich an seine drei Töchter abgeben will. In einer modernen Bearbeitung von Thomas Melle feierte das Werk am Sonnabend in Hannover Premiere.
Das Ende naht, der letzte Vorhang wird fallen: König Lear irrt mit beginnender Demenz durch sein Reich. Die weiße Szenerie transportiert das gut; ein riesiges Gestell mit drei Armen symbolisiert die widerstreitenden Gedankenstränge. Auf ihm lässt sich zudem vortrefflich herumklettern.
Dann beginnt es zu rotieren - so wie dieser König auf der Suche nach sich selbst, den Lukas Holzhausen spielt. "Meine Mutter ist an Alzheimer gestorben. Deswegen habe ich einen sehr starken Eindruck und habe lange Jahre dabei zugeschaut, wie jemand sich verliert in all den Zuständen", erzählt Holzhausen. "Die Nähe zum Tod, zu merken, dass es zu Ende geht: Auch da habe ich ein privates Erlebnis gehabt. Ich hatte vor eineinhalb Jahren einen Herzinfarkt."
"König Lear" in der heutigen Wirtschaftswelt
Regisseur Stephan Kimmig, der in Hannover zuletzt mit der Uraufführung von Michel Friedmans "Fremd" überzeugte, verlegt das Geschehen in die Wirtschaftswelt. König Lear ist Unternehmer, der sein Familienimperium an seine drei Töchter weitergeben will und von diesen überschwängliche Liebesbekundungen erwartet. Cordelia macht da nicht mit. Der Konflikt zwischen den Generationen bricht auf.
Für Stephan Kimmig ein Sinnbild unserer Zeit: "Diese Gräben, die es gibt, nicht nur innerhalb einer Familienkonstruktion, sondern gesellschaftlich, 2024 in Deutschland, in Europa, wachsen stündlich. Das ist schon ein bestürzender Faktor", findet Kimmig. "Viele fragen: Wie lange sind wir eigentlich noch eine Demokratie? Demokratie heißt immer, von seinen Positionen absehen zu können, ins Streitgespräch zu kommen und das bessere Argument gewinnt. Aber manchmal muss man auch aufeinander zugehen."
Gemischte Stimmen zur modernen Inszenierung
Wunderbar frech und burschikos gibt Johanna Bantzer den Narren, der unerwünschte Wahrheiten ausspricht. Nellie Fischer-Benson und Helene Krüger stellen die Töchter Regan und Goneril, die sich als auserkorene Erbinnen blutrünstig an die absolute Macht zu bringen suchen, mit kalter Berechnung dar. Philippe Goos - mit Hang zum Slapstick - robbt beeindruckend sterbend als treuer Diener der ältesten Tochter von der Bühne.
Dass hier die wenige Jahre alte Bearbeitung von Thomas Melle zum Einsatz kommt, freut jedoch nicht jeden: "Ich komme hier her und möchte das klassische Stück sehen", sagt ein Zuschauer. "Dann sehe ich, was geändert wird, auch in Hinsicht auf die Texte, Anspielungen im Bereich des Sex. Das brauche ich nicht, wenn ich so ein klassisches Stück sehen möchte." Ein Zuschauerin sieht das ein wenig anders: "Ich dachte: Wieder modern, was macht man mit dem 'Lear'? Aber ich war angenehm überrascht. Mir hat es gut gefallen."
Wie viel Dankbarkeit darf Lear von seinen Töchtern einfordern?
"Hau' ab, du, ich mach' dich kalt." Bühnenzitat
Wann werden Worte zu Taten? Dieses Thema unserer Zeit führt dieser "König Lear" eindringlich vor, wenn die verschiedenen Lager mit Todesdrohungen aufeinander losgehen. Stark sind auch die Szenen, in denen sich Alt und Jung ihre Forderungen an den Kopf werfen: Wie viel Dankbarkeit und Liebesbekundung etwa darf der alte König von seinen Töchtern einfordern, wie modern und eigenwillig dürfen diese sein Imperium umbauen? Das belohnt das Publikum am Ende mit anerkennendem Applaus.
"König Lear" als Kopf eines Familienimperiums
Die Geschichte um den alternden König gilt als eines der blutrünstigsten Dramen Shakespeares. Am Sonnabend feierte es in einer modernen Bearbeitung Premiere in Hannover.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
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Schauspielhaus Hannover
Prinzenstraße 9
30159 Hannover - Preis:
- ab 17,50 Euro, ermäßigt ab 5 Euro
- Besonderheit:
- weitere Termine in Planung