Hamburger Theater Festival: Stefanie Reinsperger als "Der Theatermacher"
Lange schien es von den Spielplänen verschwunden, doch nun ist es zurück: Das bitterböse Stück "Der Theatermacher" von Thomas Bernhard kam beim Hamburger Theater Festival zur Aufführung.
Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe - diese Debatte hat auch das Theater längst erreicht. Immer öfter ist jetzt die Rede von kollektiver Führung. Auf einen Prototypen alter Schule treffen wir in Thomas Bernhards beinahe vierzig Jahre alten Stück "Der Theatermacher". Lange schien es von den Spielplänen verschwunden, doch nun gibt es wieder einige Aufführungen - zum Beispiel am Berliner Ensemble.
Der Coup ist die Besetzung
Der Theatermacher - weiß, männlich, narzisstisch - ist eine Frau. Stefanie Reinsperger, bekannt auch aus dem Dortmunder Tatort, schlüpft mit allen Fasern hinein in diese Figur. Wuchtig, kraftvoll. "Mein Gott, nicht einmal zum Wasserlassen habe ich diese Art von Wirtshäusern betreten. Und hier soll ich mein 'Rad der Geschichte' spielen?", schallt es von der Bühne.
In der Tat, der für die Theateraufführung in Utzbach zur Verfügung gestellte Raum ist erbärmlich. Die provisorische Bühne scheint kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen: Klopapierrollen, Farbeimer, eine alte Dartscheibe und allerlei anderes Zeugs belegen die seltene Benutzung. Nun steht mittendrin dieser Mann, im kastenartigen Trenchcoat, den üppigen Leib gestopft in einen irgendwie fliederfarbenen Anzug. Und die Reinsperger ist dieser Mann, keine Theatermacherin, keine weiblich gezeichnete Figur.
Die zudem Bernhard-Sätze sagen kann, die plötzlich eine ganz andere Qualität bekommen und deren Gehalt ohne weiteres Zutun ad absurdum geführt wird: "Mit Frauen Theater machen ist eine Katastrophe. Wenn wir einen weiblichen Darsteller beschäftigen, dann beschäftigen wir ja sozusagen einen Theaterhemmschuh. Sind ja auch immer die weiblichen Darsteller, die das Theater umbringen", heißt es da.
Tosender Applaus für Schauspielerin Stefanie Reinsperger
Stefanie Reinsperger ist das Gegenteil. Regisseur Oliver Reese, außerdem Intendant am Berliner Ensemble, hat die Inszenierung um sie herum entwickelt. Sie flucht, röchelt, schreit: "Was glauben Sie denn, wer Sie sind!", schreit sie auf der Bühne und beschimpft ihr Mini-Ensemble, bestehend aus Sohn, Tochter und Ehefrau. Schon bei Bernhard sind diese Figuren klein gehalten, hier kaum mehr als, wenngleich großartige, Stichwortgeber. Sie sind doppelt Abhängige, die sich dem Dauerdruck beugen und keine Energie haben, auszubrechen.
Ein großartiges Solo - eingebettet, unterbrochen immer wieder von Musik. Das ist die Partitur des Abends. Regisseur Oliver Reese lässt Reinsperger machen, setzt auf die selbst entlarvende Wirkung der Bernhard-Sätze - fügt nichts hinzu. Tosender Applaus am Ende für Stefanie Reinsperger, die diesen nach gut zwei Stunden furiosem Spiel sichtlich genoss.