Rückblick Kulturjahr 2023: Dackeldreck, eine weiße Weste und ein Disney-Dussel
Marco Goecke scheitert mit einer besch... Selbstinszenierung, Goofy macht Karriere als Jugendwort, Till Lindemann hat wieder eine "weiße Weste" und eine KI schafft das Unmögliche: Die Beatles singen wieder zusammen - was für ein (Kultur-) Jahr!
Täglich berichten wir von Premieren, Neuerscheinungen und überhaupt darüber, was die Kulturwelt bewegt. Fragt sich: Was davon hat Sie am meisten interessiert? Hier sind sie, die gefragtesten Themen 2023 bei NDR.de/kultur.
Goofy wird jetzt klein geschrieben - und dafür Jugendwort des Jahres
Vom großen Namen zum kleinen Adjektiv mutiert und damit groß rausgekommen: Das Jugendwort des Jahres 2023 lautet "goofy" (bedeutet soviel wie tollpatschig oder trottelig, eben wie Disneys Goofy). Was den Begriff so populär macht, bleibt für Oldies ein Geheimnis der jüngeren Generation. Ebenso wie "Side eye" und "NPC" auf den Plätzen zwei und drei. Aber wer heute auf "Gammelfleischparties" geht (Jugendwort des Jahres 2008 für Ü30-Feiern) muss das ja auch nicht verstehen, und wenn doch, dann wäre das wahrscheinlich ziemlich "cringe". Um beim Prinzip "aus-groß-mach-klein" zu bleiben - hier ein paar Vorschläge von uns fürs nächste Jahr: ausmerzen, entweideln, gelindnern, bescholzen, verbaerbocken - ach da gäb's so viele Möglichkeiten...
Helene Fischer macht ihre Fans mit einem Bühnenunfall atemlos
Selbst für Superstars gilt die Schwerkraft. Bei einem Konzert in Hannover ging die Nummer am Trapez für Schlagerstar Helene Fischer schief. Atemlos erlebten ihre Fans, wie Fischer mit einer blutenden Wunde am Kopf das Konzert vorzeitig abbrechen musste. Mittlerweile ist alles verheilt und die Trapez-Einlage der Show wurde "entschärft". Alles wieder wie neu also - sogar ihr zehn Jahre alter Superhit: "Atemlos" erschien zum Jahresende in einer neu produzierten Version und brummt auch schon wieder in den Hitlisten, dass einem die Luft wegbleibt. Aber wo ganz oben ist im Showgeschäft, dass definiert die Frau im nächsten Kapitel dieses "Jahresrückblicks".
Rekorde bei Konzertbesuchen, Streamings und Ticketpreisen - Taylor Swift räumt ab
Nicht nur für das "Time Magazine" ist Taylor Swift "Person of the Year". Die Sängerin hat 2023 so ziemlich jeden Rekord im Showbizz pulverisiert. Es lässt sich sogar ein Anstieg der Wirtschaftsleistung in den Regionen feststellen, in denen ihre "ERAS"-Tour Station macht (bis zu vier Milliarden Dollar pro Standort). Ob das auch an den Ticketpreisen für bis zu 640 Euro liegen mag? Es gibt Veranstalter, die nennen alles über 100 Euro "Abzocke"...
Recherche oder Rufmord? Die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann
Sex ohne Zustimmung, Drogen in Getränken, Machtmissbrauch: Die öffentlich geäußerten Vorwürfe mehrerer Frauen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann klingen so hart wie die Musik (und Texte) der Band selbst. Beweisen lässt sich das alles nicht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Verfahren gegen den Rammstein-Frontmann wegen des "Verdachts auf Sexual- und Drogendelikte" deshalb eingestellt. Auch weil die Strafanzeigen von Seiten dritter, "nicht am Tatgeschehen beteiligter Personen" gestellt worden sind. Lindemann ist damit juristisch unschuldig und bedankt sich bei "allen, die unvoreingenommen das Ende der Ermittlungen abgewartet haben". Die betreffenden Frauen bleiben bei ihren Aussagen. Fazit des Rechtsexperten Heribert Prantl: "Der Unschuldsvermutung geht es nicht gut."
Stimme aus dem Jenseits: John Lennons "Now and then" wird zum späten Hit der Beatles
KI macht's möglich - nicht dieses Foto, aber die Reunion der Beatles. Zumindest klanglich sind die "Fab Four" in diesem Jahr noch einmal alle beisammen, und das sogar mit einem neuen Song: Der Gesang von John Lennon aus altem Studiomaterial wurde per Künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt. Ansonsten gelten auch 50 Jahre nach der Trennung der Beatles die alten "Naturgesetze": "Now and then" wurde sofort zum Hit - und als gäbe es die alte Rivalität noch...
Rock 'n' Roll trotz Arthritis: Die Rolling Stones und ihr (letztes?) Album
... haben die Rolling Stones auch noch einmal einen rausgehauen. Allerdings haben die Oldies um Frontmann Mick Jagger kein altes Material per KI neu belebt, sondern mit "Hackney Diamonds" ein komplett neues Album eingespielt. Und das, obwohl ihr jetzt 80 Jahre alter Chef-Gitarrist mittlerweile sein Spiel an seine Arthritis "anpassen muss". Es sei wahrscheinlich das letzte Album der Band, heißt es - na wer's glaubt. Denn wie heißt es so schön: Einen Atomkrieg könnten nur drei Dinge überleben: Kakerlaken, Moos und Keith Richards!
Neben der (Fahr-)Spur: Til Schweiger benimmt sich am Manta-Filmset daneben
"Don't drink and drive!" Hätte Til Schweiger sich an den ersten Teil dieses mahnenden Spruches gehalten, wäre ihm und seinen Mitarbeiter*innen einiges erspart geblieben: Bei den Dreharbeiten zu seinem Film "Manta Manta - Zwoter Teil" wurde Schweiger - offenbar betrunken - ausfallend, übergriffig und tätlich. Die Frage, ob das unter Restalkohol aus der Nacht davor - wie von Schweiger beschrieben - oder tagesaktuellem geschah, dürfte für seine Kolleg*innen keinen großen Unterschied gemacht haben. Mittlerweile hat Schweiger sich zu seinem Alkoholproblem bekannt und nach eigenen Worten Hilfe gesucht. Er will das Problem "unter Kontrolle kriegen", um weiter Wein "als Belohnung" genießen zu können.
Justiz und Existentialismus: Ferdinand von Schirach bleibt bei seinen Erfolgszutaten
Was Ferdinand von Schirach thematisiert, bewegt die Menschen - und sei es nur eine Erzählung von gerade mal 50 Seiten. "Regen. Eine Liebeserklärung" - der Titel der aktuellen Erzählung klingt schon ein wenig melancholisch. Tatsächlich geht es um existenzielle Fragen vor dem Hintergrund einer - typisch von Schirach - Gerichtsverhandlung. Kein leichter Stoff, trotzdem war kein Artikel aus unserer Rubrik Literatur gefragter, als die Vorstellung dieses Buches.
Donna Leon und das Altpapier: Darf man Bücher wegwerfen?
A propos Bücher: "Wer zuviel aufräumt, hat keine Zeit zum Lesen" heißt es unter Leseratten gerne. Tatsächlich kann der Ordnungssinn aber zu einer kulturellen Gewissensfrage führen: Wohin mit Büchern, die beim Aufräumen ihren Regalplatz verlieren, also aussortiert werden. Darf man die einfach wegwerfen? Kommissar Brunettis Schöpferin Donna Leon meint ja! und stieß damit eine rege Debatte an. Wir waren selbst überrascht, wie viele Menschen an der Diskussion zu dieser Frage teilgenommen haben. Die Reaktionen reichten vom Pragmatischen "lese ich nicht mehr - kann weg" bis zum "kriege schon Herzschmerz beim Gedanken an den Altpapiercontainer."
Rätselhafter Tod eines TV-Kommissars: Robert Gallinowski stirbt mit 53
Tina Turner, Harry Belafonte, Sinéad O'Connor - sie gehören ebenso in die Liste der 2023 verstorbenen (Welt-)Stars wie die Theaterlegende Jürgen Flimm, die Filmdiva Gina Lollobrigida oder Gitarrengott Jeff Beck. Den selben "Promistatus" hat Robert Gallinowski sicher nicht - aber kein Nachruf hat so viele Menschen auf unserer Internetseite interessiert, wie der über den Schauspieler, der vor allem durch Fernsehfilme wie Tatort oder Polizeiruf 110 bekannt war und in den 90er-Jahren am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gespielt hat. Gallinowski, der neben Dieter Pfaff in "Der Dicke" einen Hauptkommissar mimte, arbeitete auch als bildender Künstler und Hörspielsprecher. Er starb im März im Alter von gerade einmal 53 Jahren.
Kampf um Leben und Tod: Die Sterbehilfe in Deutschland bleibt eine Grauzone
Passt sicher nicht in einen "launigen" Jahresrückblick - aber zu keinem Thema gab es im abgelaufenen Jahr mehr Suchanfragen auf unserer Webseite als zur Sterbehilfe. Und das, obwohl politisch wenig bis gar nichts passiert ist. Letzter Stand: Der Bundestag hat im Juli 2023 zwei Gesetzentwürfe von fraktionsübergreifenden Gruppen über eine Neuregelung der Suizidhilfe mehrheitlich zurückgewiesen. Einzig das Bundesverwaltungsgericht hat eine Entscheidung gefällt, aber die bestätigt lediglich ein bestehendes Verbot: Die Herausgabe des Sterbehilfe-Präparats Natrium-Pentobarbital durch den Staat bleibt illegal.
"Krisenmodus" ist das Wort des Jahres - "Hundekot" hätte es auch werden können
Klein und süß? Von wegen: Dackel sind Jagdhunde. Dass das auch bei der Pirsch auf Kulturkritiker*innen gilt (und das sie überhaupt gejagt werden dürfen), war bislang neu - zumindest bis der hannoversche Ballettdirektor Marco Goecke im Foyer der dortigen Staatsoper ein unappetitliches Drama inszenierte. Dackelherrchen Goecke war derart wütend über die Artikel einer Kritikerin, dass er sie im Februar mit dem Kot seines Vierbeiners beschmierte. Was folgte, waren weltweite Schlagzeilen, der Rauswurf Goeckes an der Staatsoper Hannover und eine Diskussion über die Grenzen von Kulturkritik. Ein Verfahren gegen den ehemaligen Ballettdirektor der Staatsoper Hannover wurde mittlerweile als "tätliche Beleidigung" gewertet und gegen eine Geldauflage eingestellt. Der attackierten Kritikerin geht es nach eigenen Angaben gut. Ob das auch für den Dackel gilt, ist nicht bekannt...
Dinner for One: Butler bleibt trotz Vollrausch im Dienst
Zu guter Letzt eine Nachricht, die verzweifelt machen könnte, wenn das Ganze nicht so saukomisch wäre: Butler James kriegt es einfach nicht auf die Reihe! Man möchte doch meinen, dass ein Diener irgendwann lernt, wo die Gläser stehen und Mobiliar und Auslegeware ihren Platz haben. Aber selbst im 60sten Anlauf stolpert sich James immer noch volltrunken durch den 90. Geburtstag seiner Herrschaft, bringt Brathühnchen zum Fliegen und trinkt Blumenwasser... zu unser aller Freude:
"Dinner for one" gehört zu Silvester so fest dazu, wie Heringssalat, Sekt und Böller. 1963flimmerte der beim NDR produzierte Kult-Sketch erstmals über die Bildschirme - wir sagen herzlichen Glückwunsch zu diesem 60. und zum ähm... 150. von Miss Sophie?
Wie auch immer, das Team von NDR.de/kultur wünscht einen guten Rutsch, alles Gute für das neue Jahr und frei nach Freddy Frinton - alias Butler James:
We'll do our very best!