Brahms meets Beatles: Guy Braunstein & Julien Quentin
Zuletzt hat er sich die Beatles vorgeknöpft: Guy Braunstein ist nicht nur einer der gefragtesten klassischen Violinisten der Welt. Seit Jahren macht er sich auch als Dirigent und Arrangeur einen Namen. Schuld daran ist sein Sohn.
Guy Braunstein hat unter anderem das Album "Abbey Road" von den Beatles neu arrangiert, um Hits wie "Come together" selber auf der Violine zu spielen. Ein Ausflug in die Popmusik von einem, der sonst in der Klassikwelt brilliert. Guy Braunstein war der jüngste Konzertmeister in der Geschichte der Berliner Philharmoniker, spielte als Solist mit den renommiertesten Orchestern der Welt. Auch bei den Hamburger Symphonikern gastierte er als Dirigent und Violinist. Immer dabei: Sein kostbares Instrument von Francesco Ruggieri aus dem Jahr 1679. Zu seinem Duokonzert bei NDR Kultur EXTRA hat Braunstein den französischen Pianisten Julien Quentin mitgebracht.
Guy, bist du schon immer so ein Beatles-Fan gewesen?
Guy Braunstein: Nein, mein elfjähriger Sohn Leo ist schuld. Vor vier oder fünf Jahren bin ich mit ihm auf der Straße gelaufen und er fragte mich plötzlich: "Papa, wer ist John Lennon?" Er hat den Namen irgendwo gesehen. Ich habe den großen Fehler gemacht, dass ich ihm ein bisschen was erzählt habe, und danach sind wir nach Hause gekommen und wir haben die Beatles auf YouTube gesehen und Videos von John Lennon geschaut. Das war ein großer Fehler. Danach wurden zu Hause sechs Monate, 24 Stunden, sieben Tage in der Woche nur die Beatles gehört. Wir haben nur über die Beatles gesprochen, er hat alles gewusst. Immer, wenn ich meine Geige genommen habe, um Bartók-Violinkonzerte zu üben, hat mein Sohn gesagt, das sei langweilig. Ich solle lieber Beatles für ihn spielen.
Ich habe schon immer Bearbeitungen gemacht, normalerweise von einer Tschaikowsky-Oper, Dvořák oder Puccini. Dann habe ich gedacht, ich spiele solo mit der Geige eine lustige Zugabe, zum Beispiel "A Hard Day's Night". Irgendwann habe ich gedacht, das ist zwar lustig, aber jetzt muss es ein bisschen ernster sein. Ich habe mir einen anderen Beatles-Song vorgenommen und ihn neben der Geige auch für Klavierbegleitung bearbeitet. Ich habe die letzten Beatles-Alben gehört, "Abbey Road" zum Beispiel habe ich eine ganze Stunde lang gehört. Ich dachte mir, ich nehme das ganze Album und ich mache daraus ein Violinkonzert mit großem Orchester.
Julien, wie ist das bei dir? Bist du auch Beatles-Fan?
Julien Quentin: Es ist die coolste Kooperation mit den besten populären Songs, die wir heute kennen. Wir haben mindestens 15 oder 20 Beatles-Songs im Ohr. Ich war zwar nie ein großer Beatles-Fan, aber sie sind überall. Was für eine Clique!
Guy, du lebst in Berlin, stammst aber aus Tel Aviv. Deshalb beschäftigt dich der Krieg dort natürlich extrem. Der Konflikt im Nahen Osten bewegt uns auch in Deutschland und er hat auch Auswirkungen. Die antisemitischen Anfeindungen werden mehr. Wie erlebst du das?
Braunstein: Persönlich habe ich nicht so viel erlebt. Aber natürlich höre ich von anderen viel und ich höre die Nachrichten. Wenn wir die Politik oder die Religion nur für einen Moment weglassen, sind die Kinder übrig. Ich habe zwei Kinder, Julien hat ein Kind und das ist das Zentrum unseres Lebens, die wichtigste Sache. Und ich glaube, das ist auch im Krieg der Fall. Lasst die Kinder einfach Kinder sein.
Ich glaube, das Musikmachen in dieser Zeit ist jetzt auch noch mal was anderes. Gerade wenn man solche Stücke wie den Prokofiew spielt. Ist das Spielen für dich jetzt anders als noch vor einigen Jahren?
Braunstein: Bei mir persönlich ist es so: Alles was ich erlebe, kommt dadurch, was ich spiele. Natürlich ist der Krieg momentan sehr aktuell, aber ich versuche immer, meine Erlebnisse durch meine Hände in meine Musik einfließen zu lassen.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.