Neuer Bildband über die wilden Jahre Buxtehudes
Bei dem seltsamen Klang des Wortes "Buxtehude" zweifelt so mancher, ob es die Stadt wirklich gibt. Es ist eine außergewöhnliche Stadt, die auf bewegte Zeiten zurückblickt. Das beweist das Buch "Buxtehude - Die wilden 60er, 70er, 80er Jahre".
Bernd Utermöhlen und Dieter Klar blättern gerne in dem Buch, das sie gemeinsam herausgegeben haben. Darin sind viele Fotos und Zeitungsartikel aus den 1960er- bis 1980er-Jahren. Die meisten Fotos in dem Buch stammen von Dieter Klar, jahrelang Journalist bei der Nachrichtenagentur dpa. Er zählte zu den engen Freunden von Udo Lindenberg - so eng, dass der Sänger den Buxtehuder Jungs in seinem Song "Reeperbahn" ein Denkmal setzte: "Und die Jungs aus Buxtehude und aus Lüneburg. Die machten Freitagnacht bis Sonntagmorgen durch."
"Die Jungs aus Buxtehude, das war eine Clique", erzählt Dieter Klar. "Das waren Leute, die politisch aktiv waren, die im Onkel Pö waren - das war der Musiktempel im Hamburg. Da waren die Buxtehuder immer dabei und haben offensichtlich auch ein große Schnauze gehabt."
Flammende Rede von Rudi Dutschke
Udo Lindenberg war nicht der einzige Prominente, den das schillernde Buxtehude angezogen hat. Im März 1968 hielt Rudi Dutschke, der Kopf der Studentenbewegung, in der Halephagen-Schule eine flammende Rede - ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument, sagt Mitherausgeber Bernd Utermöhlen: "Da gibt es ein sehr schönes Foto im Buch, wo man sieht, wie wir vorne in der ersten Reihe sitzen und daneben auch gleich der Schuldirektor Johannes Gütling." Fünf Wochen nach dieser Rede in Buxtehude wurde das Attentat auf Dutschke verübt, an dessen Folgen er einige Jahre später starb.
Innovatives Oberstufenmodell aus Buxtehude
Viele innovative Ideen kommen aus Buxtehude: So hat die Halephagen-Schule 1966 als Pilotprojekt die Oberstufe reformiert, erinnert sich Dieter Klar: "Das heißt, sie konnten sich ihre Lehrer selber aussuchen, sie konnten entscheiden, wann und wo sie in die Schule gingen. Das war revolutionär damals in der Bundesrepublik." Große Medien wie "Der Spiegel" und die "Zeit" haben über das Buxtehuder Modell berichtet, ein bundesweiter Vorreiter, aus dem sich dann die reformierte Oberstufe entwickelt hat.
Literaturhöhle: Lesungen von Nobelpreisträgern und DDR-Autoren
Mit dem Modellprojekt zog die Halepaghen-Schule aus ganz Deutschland kreative und außergewöhnliche Schüler an: ein dankbares Publikum für die vielen aktiven und verrückten Menschen, die damals in Buxtehude lebten. Einer von ihnen war Winfried Ziemann. Der Buchhändler hat Lesungen in seiner Wohnung veranstaltet, genannt die Literaturhöhle. Da haben die großen Autoren gelesen: Rolf Hochhuth, Peter Härtling, Hermann Kant, Wolfdietrich Schnurre, Michael Ende und viele mehr. Dieter Klar erinnert sich noch gut: "In der Literaturhöhle waren alle DDR-Autoren. Grass war da, es waren Nobelpreisträger da, es war alles da, was es überhaupt nur gab in Buxtehude."
Etwas ist geblieben von Ziemann: Bis heute gibt es den "Buxtehuder Bullen", ein Jugendbuchpreis, den Ziemann vor mehr als 50 Jahren ins Leben gerufen hat. Das Außergewöhnliche dabei: Zum ersten Mal waren Kinder und Jugendliche in der Jury, gleichberechtigt mit Erwachsenen. "Das war toll. Das war eine ganz neue Sache, dass Kids mitbestimmen konnten", sagt Klar.
Buxtehude als Kabarettzentrum
Noch etwas ist den Buxtehudern von der damaligen Zeit geblieben: der Kabarettpreis "Kabarettigel". Alle großen Kabarettisten waren in Buxtehude: Dieter Hildebrandt, Urban Priol, Georg Schramm und viele mehr. "Wenn man Leute aus dem Kabarett auf Buxtehude anspricht, dann bekommen die feuchte Augen", erzählt Dieter Klar. "Da werden die ganz romantisch und erzählen, wie schön diese Veranstaltungen in Buxtehude waren, wie toll das damals war. Es war wirklich ein Zentrum des Kabaretts."
"Buxtehude - Die wilden 60er, 70er, 80er Jahre" in zweiter Auflage erschienen
Es sind einerseits die vielen aktiven und verrückten Leute, die Buxtehude als kulturelles Zentrum geprägt haben. Doch sie waren es nicht alleine, sagt Klar. Sie trafen auf Politiker, die sie unterstützt haben. Einer der Unterstützer war Christian Herrmann. Er war in den 1980er-Jahren Stadtdirektor von Buxtehude und erinnert sich gerne an die Zeit zurück: "Die Kultur war für mich eines der beiden wichtigsten Ziele meiner Arbeit. Wirtschaftsförderung und Kultur - damit die Menschen sich auch wohlfühlen und auch Lust haben, nach Buxtehude zu ziehen, wenn es hier attraktiv ist."
Jetzt ist es ruhiger geworden in Buxtehude. Umso lieber schwelgt Dieter Klar in Erinnerungen: "Es war eine wahnsinnig kreative Zeit und Buxtehude hat in dieser Zeit deutschlandweit Furore gemacht."
Buxtehude - Die wilden 60er, 70er, 80er Jahre
- Seitenzahl:
- 164 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Atelier im Baumhaus
- Veröffentlichungsdatum:
- 10. November 2022
- Bestellnummer:
- 978-3-96045-131-0
- Preis:
- 24 Euro €